3 Faktoren für einen gelungenen Abend

Spielleiter zu sein, insbesondere in einer längeren Kampagne, bringt es mit sich, dass man mal besser, mal schlechter vorbereitet ist. Wir Spielleiter sind ja schließlich auch nur Menschen. Weder können wir von unserer Leidenschaft leben, noch wärmt sie unsere Betten desnachts, und je nach zeitlicher Auslastung gehen wir unterschiedlich gerüstet an unsere Aufgabe. Doch hängt es wirklich alleine vom SL ab, ob ein Rollenspielabend gelingt?

Früher dachte ich immer, dass alles mit der Vorbereitung des SL steht und fällt (wobei mir über die Jahre bewusst wurde, dass auch zu viel Vorbereitung schädlich ist). Aber diese Überlegung greift zu kurz, denn die Gleichung ist komplexer. Es braucht, denke ich, (mindestens) dreierlei:

  • eine gewisse Abenteuerqualität. Nicht Plots mit der Tiefe eines Tolstoi-Romans oder der Komplexität eines Agatha Christie Krimis sind gefragt, aber die Schwelle des Banalen, Vorhersehbaren, Durchschaubaren sollte überschritten sein.
  • eine gewisse Aufmerksamkeit und Spontanität des Spielleiters. Er muss kein Wunderwuzzi-Storyteller sein, aber grundsätzlich wachsam und vor allem in der Lage, Charaktere, Story und Spieltechnik wie Bälle beim Jonglieren in der Luft zu halten. Fällt nämlich einer zu Boden, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die anderen auch nicht mehr lange in der Luft bleiben.
  • Aktivität der Spieler. Wohl ist es gar nicht notwendig, dass die Spieler erstklassiges, proaktives, Sandbox-oides Gameplay hinlegen, aber auch hier gibt es eine 0-Linie, unterhalb derer passive Konsumhaltung dominiert, also „mehr empfangen als gegeben“ wird, wohingegen der Idealzustand jener ist, dass die Spieler das, was der SL ihnen bietet, aufgreifen, bereichern und zurückspielen.

Ich bitte auf den dritten Punkt zu achten: Der spricht nämlich etwas ganz Obskures an: die Mitverantwortung der Spieler für das Gelingen des Spielabends. Nicht des Abenteuerziels, des Spielabends. Wie oft  heißt es im Nachgang: „was für’n bescheuertes Abenteuer…“ Oder: „Der SL war aber heute echt mies drauf…“, aber selbstkritische Töne? Die sind deutlich seltener.

Aber angebracht. Rollenspiel ist ein Gruppenspiel und keine Ein-Mann-Show. Wenn Spieler ihren Part unterdurchschnittlich erfüllen, kann der SL das nur durch überdurchschnittlichen Einsatz ausgleichen. Den aber kann man nicht voraussetzen. Auf der anderen Seite sollte sich der SL nicht für alles verantwortlich fühlen, auch wenn das im einen oder anderen Fall durchaus dem Ego schmeicheln mag. (Ich nehme mich da beileibe nicht aus – Verantwortung abgeben ist wahrlich nicht einfach.)

Wie ist das bei euch? Könnt ihr der „Erfolgsformel“

Abenteuererfolg = Abenteuer-Qualität x SL-Kompetenz x Spieler-Aktivität

etwas abgewinnen? Und sind eure Spieler bzw. seid ihr als Spieler ausreichend selbstkritisch? Und (wie) kamt ihr zu einer „Kultur der gemeinsamen Verantwortung“?

Eine Lanze für die schwülstige Anrede

„Seid Ihr wirr im Kopf, mein Herr?“ So oder ähnlich klingt es in meinen Fantasy-Runden, wenn NSCs und SCs mit einander sprechen. Das geschwollene „Ihr“, „Euch“, „Euer“ ist mir nach fast 30 Jahren Rollenspielen zur zweiten Natur geworden. Aber es fällt nicht allen leicht.

Gerade in meinen jüngeren Runden tendieren einige zum weltlichen „Sie“ und „Ihnen“. Von der stilistischen Diskrepanz ganz abgesehen, finde ich letzteres – subjektiv – geradezu abscheulich. Damit klingt jeder Besuch am Markplatz wie ein Gespräch mit meinem Bankberater („Nehmen Sie sich ruhig Zeit. Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“) Und jedes investigative Abenteuer fühlt sich wie ein weitere Spinoff von CSI an: „Wo sind Sie letzte Nacht gewesen? Haben Sie einen Zeugen? Ist das Ihr Dolch?“ Brrr.

Über Geschmack lässt sich ja angeblich nicht streiten, aber ich sehe trotzdem einige Vorteile des schwülstigen „Ihr“, „Euch“, „Euer“:

  1. Es erzeugt einen stärkeren Respekt vor dem Gegenüber. Den erfordert natürlich nicht jede Situation, aber so generell beobachte ich im Rollenspiel immer wieder, dass die SCs dazu tendieren, die NSCs ohnehin nicht als gleichwertig zu betrachten. Eine etwas „steifere“ Anrede kann da zumindest ein wenig ausgleichend wirken.
  2. Im Dialogfluss ergibt sich eine blumigere Sprache. Es kommt zur Verwendung von Begriffen und Metaphern, die in unserer Alltagssprache selten geworden sind. Nun muss Fantasy-Rollenspiel wahrlich nicht zum schwülstigen Shakespeare-Drama werden, aber die mit einer etwas anderen Sprechart verbundene „Otherwordliness“ hilft doch ziemlich beim Eintauchen in die Spielwelt.
  3. Die Unterscheidung zwischen dem, was die Spieler sagen, und dem, was die Charaktere von sich geben, fällt deutlich leichter. (Obgleich ich ohnedies ein Fan davon bin, die Äußerungen der Spieler 1:1 auf die Charaktere zu übertragen, aber das ist eine andere Geschichte).

Letztlich frage ich mich, woher meine starke, fast schon emotionale Bindung an das „Ihr“ und „Euch“ eigentlich herrührt. Zweifellos gibt es Literatur, in der das anders gehandhabt wird, aber in den großen Repräsentanten des Genres – Nibelungensage, Ivanhoe, Excalibur, Die Braut des Prinzen, Der Hofnarr… – herrscht (iirc) konsequent das „Ihr“ und „Euch“ vor. Möglicherweise liegt es daran.

Solltet IHR also noch nicht das IHR verwenden, dann probiert es mal aus und lasst mich wissen, wie es sich für EUCH anfühlt. :)

Meta ist nicht Meta (am Beispiel FATE)

Wer von euch unsere Diskussion im Polyeder Podcast gehört hat, weiß, dass ich nach meinem Entrer in FATE etwas skeptisch war, zumal mir aus Spielersicht die Meta-Ebene in diesem Spiel – vorsichtig gesagt – dominant vorkam.

Als Spieler habe ich starke Züge eines Method Actor. Ich mag es, mich auf meine Rolle zu beschränken, aus ihr heraus zu handeln und unabhängig vom System zu agieren. Ich möchte mir keine Gedanken darüber machen, welche Boni ich hier und welche Mali ich dort erhalte. Ich möchte die Spielwelt durch die Augen meines Charakters betrachten, ganz mit ihm verschmelzen und auch so entscheiden, wie er es tun würde. Klarerweise verträgt sich ein Spiel mit starker Meta-Ebene nicht mit diesem Anspruch.

Jetzt hat Markus natürlich Recht, wenn er im Podcast zur Ehrenrettung von FATE argumentiert, dass auch andere Spiele eine Meta-Ebene haben, und das nicht zu knapp: Man denke nur an taktische Erwägungen im D&D-Kampf, an Magie in Ars Magica oder an die ständig präsente Sanity in Cthulhu. Das Seltsame ist, dass mich derartige Meta-Elemente offenbar weniger aus der Bahn werfen.

Warum ist das so? Nach vielem Nachdenken habe ich dazu eine – eigentlich recht simple – Theorie: Meta-Ebene ist nicht Meta-Ebene. Jedes Spiel hat eine Meta-Ebene (sonst wäre es kein Rollenspiel, sondern eine Psychose). Insofern kann das noch nicht das Problem sein. Gehen wir also ins Detail und unterscheiden wir aufs Geratewohl Meta-Ebenen, z.B.:

  • Meta-Ebene festgeschriebene Entwicklungen (auch „Meta-Plot“ genannt)
  • Meta-Ebene Spielerwissen – Heldenwissen (über andere SCs, Welt, Bildung…)
  • Meta-Ebene taktische Erwägungen (Attack of Opportunity, Flanken, Deckung…)
  • Meta-Ebene Individualpsychologie (Spotlight, Spielervorlieben…)
  • Meta-Ebene Gruppenstrategie (gemeinsames Ziel, Storyfortgang, Gruppenressourcen…)

Diese demonstrative Liste lässt den Schluss zu, dass es mehrere – sehr unterschiedliche – Meta-Ebenen gibt, auf die wir vermutlich (ich jedenfalls) unterschiedlich reagieren. Ich habe z.B. kein Problem, mein Spielerwissen zu unterdrücken. Ich kenne aber Spieler, die das einfach nicht schaffen. Umgekehrt kann ich wieder nicht aufhören, in dramatischen Dimensionen zu denken und die Story in Gedanken fortzuschreiben, auch wenn ich nicht SL bin.

Kurz und gut: Jede Meta-Ebene wirkt anders, und das auch noch bei jedem Spielertyp. Ich reagiere auf die letzte der oben genannten offenbar besonders sensibel. Und FATE schlägt genau dort hinein, mit seiner starken Verzahnung der Charaktere, mit seinem ausgeprägten Unterstützungssystem, mit seinem auf ein Gruppenziel ausgerichteten Ressourcensystem (Fate-Punkte) und den durchaus naheliegenden Erwägungen á la „Wenn ich jetzt diesen Fate-Punkt nehme, was könnte dann mit meinem Charakter passieren?!?“.

Ähnliches ist mir übrigens auch bei Fiasco widerfahren: Auch dort habe ich es nicht geschafft, in meinem Charakter zu bleiben, weil mir eine ähnlich gelagerte Meta-Ebene hineingefunkt hat. Jetzt ist aber Fiasco wenigstens eindeutig ein Story-Spiel, bei dem die Identifikation gar nicht auf Charakter-Ebene, sondern auf Story-Ebene erfolgen soll. Doch wie verhält es sich mit FATE? Ich erwartete ein Rollenspiel, das mich darin unterstützt, eine Rolle zu spielen. Das ist es aber nicht ganz. FATE ist mehr als das, es ist etwas Anderes. Ein Hybrid aus Story- und Rollenspiel vieleicht. Und ein verdammt gut gemachter noch dazu. Aber er funktioniert halt nicht bei jedem in derselben Weise.

Nicht missverstehen, ich habe eine äußerst hohe Meinung von FATE und sehe das oben beschriebene eher als „mein“ Problem und damit nur indirekt als solches von FATE. Es zeigt aber, dass man sich, wenn man ein Rollenspiel entwirft, sehr viele, durchaus wertvolle Gedanken über die Spielerpsychologie machen kann und die Prämisse „Meta ist Meta ist schlecht“ viel zu kurz greift.

Ich weiß, das war jetzt alles ziemlich meta. Ich verspreche, mein nächster Blogpost wird bodenständiger.

Neue Runde, erster Abend, schwere Geburt?

Was bin ich stolz, etwas für den Rollenspiel-Nachwuchs getan zu haben! Einer der Anfänger aus meiner Destiny Beginner-Runde hat sich nun verselbständigt und als SL eine eigene Anfänger-Runde gegründet. Juhuu! Zwar nicht mit Destiny Beginner, sondern mit Warhammer Fantasy Roleplaying, aber immerhin. :)

Nun fragte er mich, wie er denn den ersten Abend gestalten solle, um für alle ein möglichst schönes Spielerlebnis zu bewerkstelligen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, und herausgekommen ist ein Maßnahmen-Paket, das ich hier gerne mit euch teilen würde.

  1. Charaktererschaffung kurz halten. Meiner Meinung nach sind die Zeiten vorbei, in denen eine ganze Session darauf verwendet wurde, Charaktere zu erschaffen. Um Neulingen von Beginn an klar zu machen, dass Rollenspiel nicht langwierig sein muss, sollte die Charaktererschaffung kurz und schmerzlos erfolgen und genug Zeit für das erste Abenteuer lassen. Wie man das erreicht? Man wählt ein System, das eine schnelle Charakter-Generierung zulässt oder bereitet zumindest so viel wie möglich im Vorhinein vor. Keinesfalls sollten die Spieler erst seitenweise Rollenkonzepte lesen müssen, bevor sie sich entscheiden.
  2. Erstes Abenteuer in der ersten Session. Ein kleines, aber knackiges Abenteuer sollte die Spieler schon am ersten Abend in die Spielwelt ziehen. Etwas wie „Ihr habt jetzt eure Charaktere erschaffen (*schweiß von der Stirn wisch*) und nächstes Mal spielen wir dann.“ ist zum Abgewöhnen. Also besser ein kleines Szenario entwerfen und auf die Spieler los lassen, damit sie gleich in Aktion treten können.
  3. Einfache Abenteuergestaltung. Ja, generell plädiere ich für Komplexität, Spielerfreiräume etc., aber im ersten Abenteuer sollte vor allem die Post abgehen. Und wenn dafür nur noch 2,5 Stunden Zeit bleiben und nicht mal alle die Regeln kennen, dann ruft das eben nach einem stringenten Plot. Keine Detektivabenteuer, keine ausufernden Intrigen, sondern klare Zielvorgabe, 2-3 größere Hindernisse und ein spannender Finalkampf. Mehr braucht es nicht, um neue Spieler in den Bann zu ziehen.
  4. Flexibilität. Außerdem: Um so simpler der Plot, desto leichter ist es für den SL, auf Spieleraktionen einzugehen, und das ist bei einer Anfänger-Runde enorm wichtig. Kein Railroading und niemals die Intuition von Anfängern unterschätzen! Die haben sicher schon Bücher gelesen und Drakensang gespielt. Eines haben sie aber in der Regel noch nicht erlebt: Dass eine Geschichte sich tatsächlich durch ihre Aktionen maßgeblich ändert. Ergo ist es im ersten Abenteuer ein besonderes Gebot, auf die Spieleraktionen einzugehen und flexibel mit dem Abenteuer umzugehen. Das ist ein, wenn nicht der USP des Pen&Paper-Rollenspiels!
  5. Entgegenkommen. Beim Lösen konkreter Situationen wecken Sätze wie „Das geht nicht“ oder „Das kannst du nicht“ aus dem Mund des SL unangenehme Erinnerungen an die Schulzeit und sollten außen vor bleiben. Vielmehr sollte er die Vorschläge der Spieler so aufgreifen und wenden, dass sie das Geschehen voranbringen oder zumindest interessante Situationen aufwerfen.

Das waren auch schon meine persönlichen Top Five zu diesem Thema. Es gibt natürlich noch 38 weitere Punkte, aber mal ehrlich: Der durchschnittliche Spielleiter – und dazu zähle ich mich auch – ist schon mit diesen wenigen Leitlinien ausreichend gefordert.

Wie steht es mit euch? Was wäre für euch das höchste Gebot für den ersten Abend einer Erstlings-Runde?

Abstrakt ist langweilig

Der Hochsommer bzw. das Sommerhoch hat mich fest in seinem Griff, aber nicht so fest, dass ich nicht zwischenzeitlich schon wieder Ideen für neue Projekte entwickelt hätte. Eine davon hat mich dazu inspiriert, über abstrakte Ansätze im Kampf nachzudenken, mit der Absicht, das Erzählerische zu fördern und mehr Abwechslung in das übliche Attacke-Parade-Schaden-Schema zu bringen.

Kurioserweise habe ich beim Durchdenken einiger solcher Ansätze festgestellt, dass mit zunehmendem Abstraktionsgrad der Anreiz für inspirierende Aktionen sinkt. Dazu ein Beispiel: Nehmen wir an, 3 SCs kämpfen gegen 1 Oger und 3 um diesen herumschawenzelnde Goblins. Da wäre es doch ziemlich cool, wenn ein SC sagen würde und könnte: „Nachdem ich Goblin 1 mit meiner Axt die Hand abgeschlagen habe, reiße ich seinen stinkenden Leib an mich, nehme ihn in den Würgegriff und verwende ihn gegenüber den Attacken des Ogers als Schutzschild.“

Das sind so Aktionen, die ich üblicherweise im Rollenspiel vermisse, weil sie meistens so kompliziert oder so schwierig sind, dass man lieber gleich drauf verzichtet und den Goblin einfach abmaxelt („ja, also das ist ein Manöver zweiten Grades ,gefolgt von einer waffenlosen Attacke, da hat der Goblin aber noch einen Rettungswurf xy“…). Stark simulationistische Systeme fördern diese Art von kreativem Erzählfluss im Kampf also üblicherweise nicht.

Meine Annahme war, dass ein abstrakter Ansatz nun den gegenteiligen Effekt haben würde, also habe ich mir kurz ein System überlegt, nach dem Gruppen von Kämpfern gegen einander würfeln und so Art „Überlegenheitspunkte“ aufbauen, die sie dann erzählerisch nutzen können, z.B. um Schaden zu verursachen oder eben den Goblin als Schutzschild zu verwenden. Und nun die große Überraschung: Das ließe sich zwar spieltechnisch umsetzen, aber warum sollte der Spieler sich die Mühe machen, das so kreativ in Szene zu setzen?

Worauf ich hinaus möchte ist: Taktik macht erfinderisch. Hohe Abstraktion macht Taktik entbehrlich. Wenn es keinen Rüstschutz gibt und keine Verteidigung, sondern nur einen Vergleichswurf, warum sollte ich dann auf die Idee kommen, einen Goblin als Schutzschild zu verwenden?

Ich vermute daher, dass die Kreativität im Kampf bei ganz geringer Abstraktion = starkem Simulationismus ebenfalls gering ist (weil das Spiel sie einfach nicht zulässt), danach ansteigt und ab einem gewissen Punkt wieder abnimmt. Bei sehr hoher Abstraktion ist sie nämlich wiederum gering, einfach weil der Anreiz fehlt.

Abstrakt ist also nicht gleich erzählerisch. Abstrakt ist sogar, im schlimmsten Fall, langweilig.

Disclaimer: Alle Kreaturenbezeichnungen (insbesondere Goblins) sind rein zufällig und nicht gedacht, irgendeine Spezies zu diskriminieren. Sie sind außerdem geschlechtsneutral zu lesen („Ogrin“, „Goblinin“).

MR#19 Der W20 als Wurfgeschoß…

Den letzten Artikel meiner Meta-Rollenspiel-Serie möchte ich dem Thema Konflikte im Rollenspiel widmen. Ich hatte das Thema ja bereits im Themenspeicher, und ein aktueller Thread im Tanelorn hat mich nun noch zusätzlich inspiriert, meine Gedanken dazu zu ordnen und in 3 Thesen zum Besten zu geben.

1. Gemeinsames Rollenspiel ist ein Reibungspunkt. Es beginnt damit, dass es für die meisten Gruppen/Kampagnen wichtig ist, dass alle anwesend sind. Die Folge: lästiges Terminkoordinieren zwischen 5-6 Spielern ist keine seltene Herausforderung. Dann auch noch der ungleiche Vorbereitungsaufwand zwischen Spielern und Spielleiter: Wenn einer leiten will, der andere nicht, der eine sich das aber erwartet usw. Und da bin ich noch gar nicht beim eigentlichen Rollenspiel, wo man dann „in character“ auch noch Meinungsverschiedenheiten ausspielen und lösen muss (Elfen vs. Zwerge, Diebe vs. Priester…) oder seine liebe Not mit dem Spielstil des SL hat, der ja doch prägend für das Gesamterlebnis ist und wo man weniger bereit ist, Kompromisse zu schließen als wenn einem nur das Nasenbohren des linken Nachbarn auf den Wecker fällt.

2. Gemeinsames Rollenspiel ist ein Katalysator. Vielleicht ist das nur eine Konsequenz aus 1., aber ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass Rollenspiel gute wie schlechte Beziehungen im Positiven bzw. im Negativen verstärkt. Ein Grund dafür könnte sein, dass es leicht fällt, sich im Rollenspiel „hinter dem Charakter zu verstecken“ und da z.B. Konflikte vom Zaun zu brechen, für die es auf normaler Ebene keine konkrete Zündung, sehr wohl aber einiges an Sprengstoff gäbe. Ein anderer Grund könnte sein, dass die meisten Rollenspieler dieses Hobby überaus hoch wertschätzen und da besonders sensibel auf Diskrepanzen reagieren.

3. Rollenspiel ist oft gar nicht der Punkt. Aber das Spiel bietet selbst auch Vorwand für Kritik – und die hat oft nur vordergründig mit dem Rollenspiel zu tun. So kann ich den SL wegen seines Spielleitungs-Stils kritisieren, obwohl mich in Wahrheit seine rechthaberische Art immer schon gestört hat. Oder ich ärgere mich über das „schlechte, unmotivierte Rollenspiel“ eines anderen Spielers, beziehe mich damit aber in Wahrheit auf seine Art, Dinge einfach nicht ernst genug zu nehmen. Oder ich streite über das XP-Vergabesystem, ärgere mich in Wahrheit aber darüber, dass der Spielleiter mit dem Mitspieler rechts von mir besser befreundet ist und ihn bevorzugt. Kurz gesagt: Ich könnte mir vorstellen, dass oft über das Rollenspiel geredet und gestritten wird, in Wahrheit aber tiefer liegende Belange gemeint sind.

Spezifische Lösungsansätze gibt es ohnehin keine. Es gibt nur dieselben Regeln, die auch abseits des Rollenspiels für Konfliktbewältigung gelten: Missstände offen ansprechen, Kritik wertschätzend äußern, Ich-Botschaften, Grenzen setzen etc. Ich beende die Aufzählung, immerhin wollen die Autorenkollegen aus dem Bereich Ratgeber-Bücher ja auch noch ihr Geld verdienen.

Ist das nun alles ein Grund, sich zu überlegen, ob man sich so ein menschelndes Hobby überhaupt antun sollte? Ich sehe gerade darin den Mehrwert! Wer die Gelegenheit nutzt, kann beim Rollenspiel vieles über Menschen lernen, auch und vor allem über sich selbst. Was für ein großartiges Bonusmaterial!

Gemeinsames Rollenspiel ist ein Reibungspunkt