MR#18 Per aspera ad astra oder: Bitte, hau mich in die Pfanne!

Ich möchte heute über Härte oder sagen wir: Schwierigkeit schreiben und dazu anregen nachzudenken, ob und wie wichtig es im Rollenspiel ist, mit echten Herausforderungen zu arbeiten.

Ich selbst habe bei einem relativ harten Spielleiter „gelernt“, dessen NSCs immer alles wussten und alles konnten und dessen Abenteuer keine strategischen Fehlentscheidungen verziehen. Bei ihm trampelten die 1000 Oger beinhart Wehrheim nieder, und Gefangenschaft war kein seltener Epilog. Kurz gesagt, ich bin’s gewohnt, im Rollenspiel gefordert zu sein. Es gefiel mir damals, und es gefällt mir auch heute noch (sofern es fair abläuft). Ich möchte mir meine XP immer noch sauer verdienen und mit der Befriedigung nach Hause gehen, einmal mehr etwas vollbracht zu haben.

So dahin zu spielen und den SL dabei zu beobachten, wie ihm der Schweiß auf der Stirn steht und er allmählich beginnt, hinter dem Paravent zu würfeln, damit die Spieler auch ja den Encounter überleben – ein Albtraum. Spielleiter, die jeden Mist, den ich als Spieler von mir gebe, mit „Hm, könnte funktionieren…“ quittieren – ein Albtraum. Verdammt, ein Spielleiter muss doch auch mal nein sagen können! Ich glaube, ich fände es belebend, mal wieder ordentlich einzufahren, um mich nachher aus der **** ziehen zu müssen.

Leider war mir das lange Zeit nicht vergönnt, weil in meiner Runde lauter nette Menschen spielten, die keiner Fliege was zuleide taten. In meiner Beginner-Runde allerdings, da spürte ich letztens wieder diesen Nimbus der Bestimmtheit und des gefordert-Seins. Obwohl der SL zum ersten Mal leitete, wusste er genau, was vor sich geht und wo er uns Spieler haben wollte. Und als wir den abgerichteten Säbelzahntiger neben dem bösen Magier erspähten, da fielen mir beinahe die Chips aus dem Mund, denn ich wusste, wenn wir jetzt einen Blödsinn machen, bricht uns das Vieh das Genick…

So wünsche ich mir das. Bin ich damit eigentlich in der Minderheit?

MR#17 Keine Lust auf Gummi

Beim Thema Instrumente und Methoden der Spielleitung muss ich zwangsläufig an einen Mechanismus denken, der momentan relativ „modern“ ist, obwohl es ihn ja eigentlich schon seit den Force Points (oder sogar länger) gibt. Die Rede ist von Gummipunkten a.k.a. Bennies, Style-Points, Dramapunkte o.ä. Gummipunkte kommen in vielen Arten und Formen, aber die Grundform ist aus Gummi weil:

  1. ihre Vergabekriterien höchst subjektiv sind. Sie werden für „coole Aktionen“, für „heroisches Rollenspiel“ und ähnliche weiche Begriffe vergeben und
  2. ihre Einsatzmöglichkeiten sehr offen gestaltet sind. So können sie – je nach System – mehr oder minder jederzeit eingesetzt werden, z.B. um eine Probe auszubessern, sich eine solche zu ersparen oder einen Patzer abzuwenden oder das Geschehen sonstwie in Richtung der SCs positiv ausschlagen lassen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Gummipunkte nur ein erzählerisches oder auch ein spielerisches Instrument sind. Sie fördern den Erzählfluss, das Drama und die Risikobereitschaft der Spieler, auf der anderen Seite sind sie ein klassischer Joker, der Launen des Würfels (das Scheitern des SC beim final blow o.ä.) abfedert oder abfängt.

Ich persönlich bin kein großer Fan von Gummipunkten. Sie verursachen mir zwar keine körperlichen Schmerzen, aber ich bin im Grunde meiner Seele ein Old-School-Spieler, der den Spieltechnik-induzierten Nervenkitzel braucht. Genau der wird aber durch Gummipunkte aufgeweicht, wenn man sich mit genügend solchen vor keiner verhauten Probe, vor keinem Patzer mehr fürchten muss.

Was mich aber besonders misstrauisch macht, ist, wenn Gummipunkte als Belohnungssystem verwendet werden. Für coole Aktionen, für gutes Rollenspiel, für Proviantbeschaffung u.v.a. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das so cool finde. Die Zeiten, in denen Spielerleistungen mit XP belohnt wurden, sind mittlerweile vorbei; es hat sich – meiner Beobachtung nach – durchgesetzt, dass weniger die Spieler, sondern eher die Charaktere mit XP belohnt werden. Und trotzdem scheint diese überkommene Art der Spieler-Bewertung in neuem Gewand – in Form von Bennies & Co – wieder über uns zu kommen. Übertriebene Befürchtung oder gerechtfertigtes Misstrauen?

MR#16 Was macht dich zu einem guten Spielleiter?

Oh weh, wieder einer von diesen Artikeln über das bessere Spielleiten? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Anstatt alle möglichen Aspekte des Spielleitens durchzuwalzen und am Ende zum Ergebnis zu kommen, dass fast alles eine Frage des persönlichen Stils ist, nehme ich gleich die Abkürzung zum Subjektiven und stelle die Frage: Welche 3 Eigenschaften/Methoden machen dich zu einem guten Spielleiter?

Ich schreite gerne voran und teile mit euch jene drei Punkte, von denen ich meine, dass sie meine Stärken als Spielleiter wiedergeben. Anschließend würde ich mich freuen, wenn auch ihr eure 3 bedeutendsten Vorzüge im Kommentar posten würdet.

  • Ich plane und bereite mich vor. Ich bin nicht besonders gut darin, mir einen Plot während des Spiels auszudenken. Details? Ja. Komplikationen? Ja. Einen ganzen Plot samt NSCs? Nein. Ich nehme mir daher im Vorfeld die Zeit, zumindest einen A4-Zettel mit NSCs, Szenen, Örtlichkeiten und einem groben Verlauf zu befüllen. Ich sehe es irgendwie als meine Pflicht, mit der Spielzeit verantwortungsvoll umzugehen, und dazu gehört in meinem Fall, gut vorbereitet zu sein, auch wenn es Arbeit ist.
  • Zuckerbrot und Peitsche. Das optimale Mischungsverhältnis zwischen „hart“ und „zart“ ist bei jeder Runde ein anderes, aber die Fähigkeit zu dosieren ist hilfreich. Was meine ich: Einerseits komme ich als „Zuckerbäcker“ den Spielern entgegen, greife ihre Ideen auf, gebe ihnen Gestaltungsspielraum. Auf der anderen Seite trete ich als „Peitschenschwinger“ für den Abenteuerplan ein, bewahre den Schwierigkeitsgrad, verteidige meine genialen NSCs. Als Zuckerbäcker agiere ich mit den Spielern und ignoriere auch die eine oder andere Lücke in der Spielerlogik. Der Peitschenschwinger wiederum verzeiht keine Fehler, sondern nutzt sie auch noch zur Steigerung des Dramas aus. Er steigt aufs Gas, erhöht den Schwierigkeitsgrad und bringt die Spieler ins Schwitzen – damit sie sich am Ende rühmen können, ihren Erfolg verdient zu haben.
  • Ich lebe mit. Manchmal fast schon zu viel, denn ich bin der Typ, der bei „E.T.“ ein Taschentuch braucht. Auch wenn Sentimentalitäten im Rollenspiel eher selten durchbrechen, so gibt es bei mir immer einen emotionalen Funken, den ich versuche überspringen zu lassen. Wenn man selbst begeistert ist – vom Setting, vom Abenteuer, von den NSCs – dann fällt es leichter, auch andere zu begeistern. Man beginnt wie von selbst, „Magie“ zu vermitteln. Wäre ich ein SL, der keine Begeisterung über den Tisch brächte, könnte ich wohl bestenfalls „solide“ leiten.

Nach dieser Selbstkundgabe hoffe ich, von euch zu erfahren, was euch zu guten Spielleitern macht. Wer von euch selbst nicht leitet, sondern spielt, kann gerne 3 Wünsche posten, wie der ideale Spielleiter für ihn/sie auszusehen hat.

MR#15 Herausfordernde Elemente

Unlängst äußerte ein Freund, der auch schon sehr lange spielt, dass er im Rollenspiel schon alles gesehen habe und nur noch Abwandlungen des bereits Erlebten erwarten dürfe. Diese Äußerung möchte ich hiermit aufgreifen, um gemeinsam mit euch darüber zu reflektieren, ob da was dran ist, ob es etwa gewisse typische Elemente gibt, die tatsächlich – wenn auch in abgewandelter Form – immer wiederkehren.

Da ich Szenen-bezogen denke, habe ich beim Schreiben von Abenteuern ja auch die Angewohnheit, mir für jede Szene einen Schwerpunkt zu überlegen. Wenn ich nun in mich gehe (nicht zu tief, sonst tut’s weh), dann finde ich heraus, dass es tatsächlich so etwas wie einen „Numerus Clausus an Herausforderungen“ gibt, aus denen sich Abenteuer zusammensetzen – zumindest, wenn man bei den Spielern ansetzt:

  • Kampf: Hier gilt es, mit einer Mischung aus Taktik und Würfelglück, einen oder mehrere Gegner zu besiegen.
  • Interaktion: dient dazu, NSCs zu einem Handeln oder Unterlassen zu bewegen. Mittel der Wahl ist geschicktes Rollenspiel, Verwenden von Argumenten und Einsatz von Charakterwissen.
  • Rollenspiel ieS: Diese Szenen dienen dazu, den Spielern Gelegenheit, Zeit und Kulisse für die Darstellung ihrer Charaktere zu geben. Gemeint ist bitteschön nicht die berühmte Taverne, sondern interessante, „reibungsvolle“ Situationen.
  • Rätsel: Die Spieler lösen quasi für ihre Charaktere eine logische, assoziative oder sonstwie gestaltete Denkaufgabe.
  • Taktik: Die Spieler tüfteln den besten, schnellsten oder sonstwie effizientesten Weg zur Erreichung eines konkreten Zieles aus. Das kann von einer harmlosen Routenplanung bis hin zum Infiltrieren einer gegnerischen Anlage gehen.
  • Erkunden: Die Spieler ersinnen und beschreiben ein Procedere, wie ihre Charaktere Informationen über bestimmte Örtlichkeiten/Personen erlangen. Gefordert sind taktisches Vorgehen und Improvisieren, oftmals gepaart mit Proben (Spurensuche, Scouten, Beschatten…).
  • Dilemma: Die Spieler müssen für ihre Charaktere eine schwierige, u.U. moralisch verzwickte Entscheidung treffen.

Habe ich etwas vergessen, oder war’s das tatsächlich schon? Lassen sich wirklich alle möglichen Herausforderungen im Rollenspiel auf diese wenigen Typen von Herausforderungen herunterbrechen??

MR#14 Abenteuertypen: Übersicht

Ich beende meinen theoretischen Exkurs über die Abenteuertypen mit dieser Übersicht,  und hoffe, dass sie trotz ihrer Vereinfachung ihren Zweck erfüllt, der nämlich darin besteht, sich ihre Eigenheiten und Unterschiede bewusst zu machen.

Typ 1: Das erzählerische Abenteuer folgt einer weitgehend vorbestimmten Handlung, meist strukturiert in Szenen, dem klassischen Aufbau eines Dramas folgend. Größte Gefahr: Railroading. Größter Mehrwert: Spannungsbogen. Gewicht: beim SL.

Typ 2: Das ortsgebundene Abenteuer hängt vorwiegend an definierten Örtlichkeiten, die die SCs in beliebiger Reihenfolge aufsuchen und bespielen können. Größte Gefahr: „Undrama“. Größter Mehrwert: Handlungsfreiheit der Spieler. Gewicht: bei den Spielern.

Typ 3: Das interaktionsgetriebene Abenteuer ist fokussiert auf rollenspielerische Interaktion zwischen SCs und NSCs/NSC-Fraktionen. Aufgrund deren Motive improvisiert der SL die Aktionen und Reaktionen aller Beteiligten. Größte Gefahr: schwer beherrschbar. Größter Mehrwert: tolle Dynamik möglich. Gewicht: bei SL und Spielern.

Typ 4: Das gemischte Abenteuer. Derer gibt es gleich mehrere:

a) Das erzählerische/ortsgebundene Abenteuer kennt (z.B. zu Beginn und am Ende) fixe Verläufe und lässt den Spielern dazwischen Sandbox-artigen Raum.

b) Das ortsgebundene/interaktionsgetriebene Abenteuer definiert Örtlichkeiten und NSC/NSC-Fraktionen. Es kombiniert Freiheit der Spieler mit der Improvisation des SL.

c) Das erzählerische/interaktionsgetriebene Abenteuer arbeitet mit „Versatzstücken“, also Szenen oder Szenenteilen, die – je nachdem, wie sich die Interaktion zwischen SCs und NSCs entwickelt – zum Zug kommen (oder einfach verfallen).

Fazit. Es gibt verschiedene Strukturen. Um herauszufinden, welche die richtige für ein konkretes Abenteuer ist, muss ich mir bewusst machen,

  • welchen Abenteuertyp ich als SL gut beherrsche und gerne leite,
  • welchen Abenteuertyp die Spieler gut beherrschen und gerne spielen, denn letztlich sind sie ja die Stakeholder des Spieleabends,
  • und welcher Abenteuertyp kompatibel ist mit meiner Abenteueridee und dem Genre, in dem ich mich bewege.

Ich wollte, ich könnte jetzt sagen: So einfach ist das.

MR#13 Abenteuertypen: Das gemischte Abenteuer

Typ 4: Das gemischte Abenteuer

setzt sich aus Elementen der drei bereits beschriebenen Typen zusammen. Es ist mein präferierter Typus Abenteuer, obwohl man im Grunde genommen unterscheiden muss:

Erzählerisch/ortsgebunden. Bei dieser Mischform definiere ich eine Rahmenhandlung, im einfachsten Fall die erste und letzte Szene meines Dramas. Dazwischen lege ich Örtlichkeiten aus, deren Elemente bei Erreichen einer bestimmten Bedingung ins Finale überleiten. Vorteil: Ich krieg‘ mein Drama unter, und die Spieler haben trotzdem über geraume Zeit hinweg die volle Handlungsfreiheit. Ändert natürlich nichts daran, dass das Finale mehr oder minder feststeht; es geht eher darum, wie die SCs ans Ziel kommen und wie sie dann dort aufgestellt sind.

Ortsgebunden/interaktionsgetrieben. Dieser Subtypus definiert Örtlichkeiten, die die Spieler bespielen, aber auch hinlänglich NSC-Fraktionen und deren Ziele, sodass der SL NSCs spontan auftauchen und handeln lassen kann. Als beispielhaft für diesen Typus fallen mir gerade die Indiana Jones-Filme ein: Indy sammelt Hinweise, löst Rätsel, gräbt Zeugs aus (ortsgebundene, statische Komponente), aber auch die Nazis sind nicht untätig, sondern beobachten, forschen selbst oder lassen gar Indy die Drecksarbeit machen, um ihm nachher die Schätze abzunehmen (interaktive, dynamische Komponente).

Erzählerisch/interaktionsgetrieben. Hier zerlege ich mein Drama in Stücke, lege mir quasi szenische Versatzstücke bereit und ziehe diese, je nachdem, wie sich die Handlung zwischen NSCs und SCs entwickelt, aus dem Ärmel. Ich bin damit etwas flexibler als beim erzählerischen Abenteuer, aber nicht ganz so frei wie beim interaktionsgetriebenen. Ein Hauch von Konstruiertheit bleibt, denn ich tendiere als SL natürlich dazu, die Handlung so weiterzuspinnen, dass ich möglichst viele Versatzstücke verwenden kann.

Die vierte logische Kombination von Subtypen, nämlich die Mischung aus allen Abenteuertypen, brauche ich hier nicht weiter auszuführen. Sie ist ohnehin schwer zu designen und läuft auch irgendwie Gefahr, ihren Fokus zu verlieren.

Was bringt diese Systematisierung nun? Mir persönlich hat sie geholfen, einige Fallen zu erkennen und einen weiteren Punkt zu identifizieren, an dem sich die Geschmäcker unterscheiden. Letztendlich geht es ja darum, Abenteuer so zu bauen, dass die Spieler Spaß daran haben. Wenn also Spieler keinen Spaß haben, obwohl der SL objektiv alles richtig gemacht hat, dann war’s vielleicht für diese Runde schlicht und ergreifend der falsche Abenteuertypus. Nur so eine Überlegung.