HeldenCON 2011 oder: Schlaflos in Marchtrenk

Am Sonntag war im oberösterreichischen Marchtrenk der HeldenCON 2011 (Impressionen hier), veranstaltet vom Verein Halle der Helden, und ich muss sagen, ich war sehr beeindruckt. Die Location war gut gewählt, geräumig und übersichtlich zugleich, hell und gut durchlüftet, und insgesamt herrschte eine gute Stimmung vor. Die Orga hat alle Register gezogen, massenweise Sponsoren aufgegabelt und wirklich etwas auf die Beine gestellt. Respekt!

Für mich war der HeldenCON 2011 eine Grenzerfahrung. Alles begann nämlich damit, dass ich in der Nacht von Samstag auf Sonntag heiße 2 Stunden Schlaf hatte. Nach 1.00 Uhr war aus mit Schlafen, und mich packte eine unerklärliche innere Unruhe, die es in sich hatte. Nachdem ich dann um 5.30 endlich einschlief und um 5.40 mit dem Albtraum einer riesigen, hässlichen Taube vor meinem Gesicht wieder aufwachte, begrub ich jede Hoffnung auf Schlaf in dieser Nacht und ging duschen. Anschließend kurz gefrühstückt und eine Viertelstunde meditiert. Das mache ich sonst nicht, aber es war die einzige Chance, innerhalb kurzer Zeit zu jener Frische zu kommen, die ich für die Fahrt brauchte.

Ich war nämlich Freunden im Wort, sie mit dem Auto mitzunehmen, weshalb nochmal aufs Ohr Hauen und später zum Con Fahren keine Option war. Ich tat also so, als wäre ich erfrischt und ausgeruht und holte meine Freunde (Supporter Mr. Shadowrun und Mr. Cthulhu sowie seine Freundin) ab. Schneller als uns GoogleMaps vorausgesagt hatte, kamen wir schließlich – zum Glück lebend – in Marchtrenk an.

Nun waren ca. 8 Stunden Stehzeit am AceOfDice-Tisch angesagt. Da ich darum gebeten hatte, neben dem TRiAS/NIP’AJIN-Tisch positioniert zu werden, hatte ich dort einen alten Freund, mit dem ich gut plauderte, während sich gerade keiner zu unseren Tischen verirrte. Destiny Beginner-Runden waren für 14.00 Uhr und 16.00 terminisiert, aber – und das war der einzig negative Punkt – die Demo-Runden-Anmeldung war irgendwie unintuitiv und unübersichtlich; die Leute wurden auf das Angebot an Runden offenbar gar nicht richtig aufmerksam. Wir klebten daher Zetteln (“Zur Runde um 14.00 HIER!” u.ä.) an Wände und Türstöcke, wodurch zumindest ich ein paar Interessenten für Destiny Beginner um 16.00 gewinnen konnte, doch dazu kam es dann nicht denn:

Unverhofft kommt oft: Um ca. 14.30 verirrten sich vier 11-jährige Jungs zu meinem Tisch. Die fanden anscheinend das Destiny Beginner Cover irgendwie cool, und als ich ein bisschen von Lys Marrah erzählte und dass man da alles spielen kann, was man will einschließlich Minotauren und so, waren sie ganz Feuer und Flamme. Ich lud sie ein, sich hinzusetzen und mit mir Charaktere zu erstellen. Ihre Vorkenntnisse waren gering bis nicht vorhanden, aber sie fanden sich so schnell ein, als wäre Rollenspielen das Natürlichste auf der Welt. Wenn ich daran denke, dass ich meiner Großtante bis zum heutigen Tag nicht erklären konnte, was Rollenspiel eigentlich ist…

Weil die Kids so begeistert waren, leitete ich gleich ein kleines Abenteuer. Meine vorbereiteten Szenarien ließ ich im Rucksack und improvisierte etwas mit weniger Story und mehr Flash – eben für 11-jährige: Es galt einen Jungen zu finden, der in der Nähe einer Höhle gespielt hatte, nun aber verschwunden war. In der Höhle ging echt die Post ab: Die Jungs teleportierten sich und einander in der Gegend herum, schwebten über verzaubertes Wasser, deaktivierten magische Feuerglyphen, horchten Fledermäuse aus, kämpften gegen Goblins (einen zerrten sie mit Telekinese aus seinem Versteck – sehr cool!) und besiegten einen Höhlenkraken (“Hey, ich schlag’ auf das kleinere Aug’. Das weiß doch jeder, dass die Schwachstelle immer klein ist!”) nahe einer Insel, wo der Junge saß. Doch leider war das eine fiese Nymphe in Verkleidung, die die SCs nur benutzt hatte, den Kraken loszuwerden. Um den Jungen zu finden, mussten sie jetzt noch einen Ring aus dem See bergen, wofür sich einer von ihnen in einen Fisch verwandelte. Danach ab durch einen geheimen Tunnel und voilá, der Junge war gefunden. Man levitierte gemeinsam einen Schacht nach oben ins Freie und freute sich ob der 20 Gold aus der Dorfkassa. Überraschend für mich: Die Belohnung in ganz normale Ausrüstungsgegenstände zu investieren, war der absolute Renner! Die Jungs gingen die Preisliste durch und kauften alles, von “Rucksack, Leder-” über “Analyse” bis hin zu “Monatseinkommen”.

À propos Preis: Weil die Mutter des einen Jungen den Preis für Destiny Beginner nicht aufbringen wollte (sie zierte sich und meinte, er würde es eh nicht lesen), schenkte ich ihm einfach ein Exemplar, und den anderen überließ ich das Ansichtsexemplar. Die Kinder hatten solche Freude am Spiel gehabt, und zu sehen, wie sich eine neue Generation von Spielern für das Genre begeistert, ist mir hunderttausendmal mehr wert als meine Verkaufsstatistik.

Nachdem die Kids gingen, kamen noch ein paar Interessenten (u.a. jene, die sich für 16.00 eingetragen, aber dann verspätet hatten, weshalb ich mit den Kids einfach durchmachte), und ich wurde noch Exemplare los, was mich natürlich freute. Leider fiel mir dann wieder ein, wie wenig ich geschlafen hatte, und trotz Zombie-Energydrink und mehrfacher Dosis Coke Zero merkte ich, dass das Adrenalin allmählich nachließ und die Müdigkeit überhand nahm. Wir brachen daher sehr pünktlich wieder auf und plauderten sehr nett im Auto über alle möglichen Systeme (die hier im Blog hoffentlich noch von paradroid rezensiert werden), ehe wir heil in Wien ankamen und ich todmüde ins Bett fiel. Mit einem Lächeln im Gesicht.

Fußnote: Heute blieb ich im Krankenstand.

Rollenspielchen

Wer mich nun schon etwas kennt, meine Blogs liest und meine Spiele verfolgt, weiß, dass es mir ein großes Anliegen ist, unser Hobby auch einer neuen Generation von Spielern schmackhaft zu machen. Neben Einsteiger-Rollenspielen und Neuling-Runden habe ich nun einen weiteren Schritt gesetzt: Ich habe mit meiner 5-jährigen Tochter zum ersten Mal rollengespielt.

Anstatt einer Gute-Nacht-Geschichte gab’s letztens im Hochbett ein Star Wars The Clone Wars-Abenteuer. Meine Kleine wollte Ahsoka sein, also erzählte ich ihr eine Geschichte, in der sich Ahsoka Tano bei ihren Studien auf Coruscant nur allzu gerne von einem Funkspruch ablenken lässt, demzufolge Padme Amidala überraschend nach Naboo aufbrach. Ahsoka musste ihr natürlich gleich nachfliegen und dort auf Jar Jar Binks treffen, der – michse bichse bla bla bla – brühwarm brabbelte, dass Amidalas Schiff zwar im nahen Wald gelandet sei, aber von ihr jede Spur fehle. Ahsoka lief also gleich zum Schiff, wobei sie auf dem Weg von roten Affen mit Kokosnüssen beschossen wurde. Nachdem sie aber ihr Lichtschwert zückte, nahmen die kleinen Biester Reißaus. Beim Schiff fand Ahsoka Spuren, die zu einem Berg führten. Dort gab es im Felsen ein Tor, das durch ein Zahlenschloss gesichert war. Es war aber leicht zu öffnen, wenn man 4+4+4+4 zusammen zählte. Mit ein bisschen Hilfe bekam Ahsoka die kleine Mathe-Aufgabe gebacken und das Tor zischte auf. Im gleichen Augenblick schaltete sich Ahsokas Holo-Communicator ein, und Anakin schimpfte, wo sie schon wieder sei und was sie treibe. Danach warnte er sie aufzupassen, da Count Dooku’s Schiffe im Orbit gesehen worden seien! Uh oh!

Mit großer Vorsicht schlich Ahsoka tiefer in die Anlage, die sich in den Berg erstreckte, und fand Amidala in einem Wasserbecken, das Wasser schon fast über den Kopf gestiegen! Aber Ahsoka war unglaublich praktisch veranlagt: Sie tauchte ins Wasser und – na was wohl! – sie zog einfach den Stoppel! Da konnte das Wasser gar nicht anders als abfließen, und Amidala war gerettet. Juchuu! Doch leider ließen die Bösen nicht lange auf sich warten. Ein Schüler von Ventress, ebenfalls kahl und hässlich, kam und zischte bedrohlich. Dann zog er zwei Lichtschwerter, aber – aha? – Ahsoka hatte auch zwei. Wie das? Na ganz einfach: Sie hatte Anakin’s auf Coruscant mitgehen lassen!

Ein Plüschwürfel entschied den Verlauf an den kritischen Stellen. Hoch ist gut, niedrig ist schlecht – das wohl einfachste Rollenspiel, das ich jemals erfunden habe! Meine Kleine spürte genau, wann es besonders wichtig war, gut zu würfeln, und freute sich unbändig über Ahsokas Erfolge und auch darüber, dass es ihr gelang, Ventress’ finsteren Schüler in einen Luftschacht zu treiben, wo er – Wusch! – von einem Ventilator hinfort gesogen wurde.

Da dröhnte es metallisch “Roger! Roger!”, und eine kleine Gruppe Kampfdroiden tauchte auf. Aber gegen Ahsoka Tano hatten sie freilich nichts zu melden. Dann aber plötzlich… Schritte im Korridor. Wer mag das wohl sein? “Na Anakin natürlich!”, durchschaute meine Kleine sofort und bekam strahlende Augen. Na gut, es war irgendwie naheliegend, aber mal echt – bin ich als Spielleiter so leicht zu durchschauen?

Was brauchen Einsteiger?

Im Forum bin ich neulich über einen interessanten Thread gestolpert, allerdings ist meine Antwort so lange ausgefallen, dass ich sie letztendlich nicht abgeschickt, sondern einen Artikel draus gemacht habe. Es ging um die Anforderungen an ein Einsteiger-Rollenspiel. Jemand behauptete dort, Handlungsfreiheit sei als Asset für Einsteiger “überschätzt”, und ein System mit eingeschränkten Möglichkeiten und strafferem Fahrplan eigne sich besser zum Einstieg (sinngemäß).

Hm. Grübel. Ich gestehe, ich hätte das früher auch unterschrieben, glaube aber, dass die Sachlage heute anders ist als vor 20 Jahren. Meine Generation fraß damals alles, was es zum Thema Fantasy gab, ob es schlechte Filme wie Wizards of the Lost Kingdom oder mittelmäßige Romane aus dem Conan-Zyklus waren (bevor jemand schreit: ja, ich weiß, es gibt auch geniale Conan-Romane, ich selbst bin ein großer Fan davon!). Der Punkt aber ist: Wir hatten sonst nichts und damit auch wenig Erfahrung mit dem Genre. Es war wichtig, dass uns die Systeme, mit denen wir laufen lernten, an der Hand nahmen. Zumindest DSA tat das sehr intensiv – vielleicht sogar etwas zu prägend.

Was die Einsteiger von heute betrifft, habe ich die Theorie, dass das Niveau, auf dem sie einsteigen, ein deutlich anderes ist. Die haben die letzten Jahre nicht in einem Atombunker gelebt, sondern haben großartige Filme wie LOTR gesehen, optisch und storytechnisch extrem gut gemachte Computerspiele gespielt, möglicherweise haben sie auch Erfahrungen mit Regelinterpretation durch Trading Card Games; kurzum: die brauchen weniger Manuduktion, als man glauben mag. Will man sie fürs Rollenspiel gewinnen, muss man sie, ganz im Gegenteil, dort packen, wo Computerspiele nicht hinkommen: Immersion, Zusammenarbeit und absolute Handlungsfreiheit. Das sind die Punkte, die ein Einsteiger-Rollenspiel unterstützen sollte, wo es quasi einen deutlichen Mehrwert bieten kann.

Was ich persönlich ein SEHR gutes Argument fand (oh nein, ich verwende auch schon Blockbuchstaben!), war die in besagtem Thread geäußerte Forderung, dass Einsteiger-Systeme Entwicklungspotenzial haben sollten. Auch das unterschreibe ich ungesehen, denn ich selbst würde als Anfänger kein Spiel spielen wollen, das bereits den Stempel “nur für Anfänger” trägt und mich im Stich lässt, sobald ich tiefer in die Materie eindringen will. So etwas erlebt man ja immer wieder: Man spielt sich ein, es gefällt, aber dann fühlt sich alles “zu wenig”, “zu dünn”, “zu limitiert” an. Das ist auch der Grund, warum ich Destiny-Beginner von vornherein so entwickelt habe, dass es voll kompatibel zu Destiny ist. Was ich in diesem Kontext allerdings mittlerweile hinterfrage, ist, ob es eine gute Idee war, es als Einsteiger-Standalone-Lösung zu positionieren, weil es eben dadurch jenen “Bin ein Anfänger-Ding”-Stempel hat. Möglicherweise wäre es besser gewesen, es zurückzuhalten und als Regelmodul innerhalb des Destiny-Regelwerks anzubieten. Aber ich schweife ab.

Letzter Punkt, der im Thread thematisiert wurde, war Zeit. Es wurde darüber diskutiert bzw. behauptet, Einsteiger nähmen sich immer weniger Zeit. Auch das hätte ich sogar noch vor kurzem unterschrieben, und wer meine Website besucht und diesen Blog regelmäßig liest, weiß ja, dass darauf auch mein Konzept beruht, nämlich den Spielern/Spielleitern Zeit zu ersparen und nur unmittelbar verwertbare Inhalte zu liefern. Aber es fiel auch das Argument, dass Einsteiger sehr schnell nach dem First Contact bereit seien, größere Mengen Content zu verschlingen, und ich muss gestehen, ich beobachte das bei mir auch. Um es eingängig zu formulieren: Ich möchte wenig lesen müssen, aber viel lesen können. Und das ist auch schon die dritte große Anforderung an ein Einsteiger-Rollenspiel: Es muss konzeptionell sowie durch übersichtliche Gliederung, Modularität und/oder geniale Didaktik schaffen, notwendigen vom nützlichen Content zu unterscheiden. Und zwar ohne inhaltliche Querschläger wie “Vergiss Regel A, sobald du Regel B anwendest”, sondern in einem schlüssigen Gesamtpaket.

Alles in allem ein sauschweres Anforderungspaket, das doch weit über oberflächliche Faktoren wie einfaches Würfelsystem, überschaubare Skills und dergleichen hinaus geht. Und weil ich heute meine zynische Phase habe, statuiere ich noch eine weitere Anforderung an ein Einsteiger-Rollenspiel – eine, die Indie-Produkte so gut wie nie erfüllen können: Das Spiel muss in einer aufwändig illustrierten Verpackung daher kommen und als Box im Spielwarengeschäft stehen. ;)