MR#12 Abenteuertypen: Das interaktions-getriebene Abenteuer

Für diejenigen, die erst jetzt hinzu gestoßen sind: Ich versuche gerade einige grundlegende Abenteuertypen, ihre Struktur und ihre Vor- und Nachteile herauszuarbeiten. Bisher hatten wir 1. das erzählerische und 2. das ortsgebundene Abenteuer. Jetzt kommt

Typ 3: Das interaktions-getriebene Abenteuer

Dieser sperrige Begriff meint jene Art von Abenteuer, in der sich der Verlauf fast ausschließlich über eine bestimmte Zahl von Parteien (Fraktionen, Beteiligte, Fronten o.ä.) und deren Interaktion mit einander ergibt. Der Fokus liegt hier im Verkörpern und Eintauchen in gewisse Rollen und in der Auseinandersetzung mit NSCs, seien sie Verbündete, Rivalen, neutrale Auskunftspersonen oder Feinde.

Explosive Dynamik. Der Vorteil dieses Abenteuertyps liegt darin, dass sich aus den verschiedenen Parteien, zu denen auch die SCs zählen, ein sehr dynamisches Geflecht ergeben kann. Der SL kann ständig die eine oder andere Partei ins Spiel bringen, reagieren und interagieren lassen und auch dadurch Pacing steuern und Drama schaffen. Der Haken an der Sache ist: Der SL braucht verdammt gute Skills und/oder Erfahrung, und er muss ständig geistig präsent sein. Gefordert ist er einerseits deshalb, weil der größte Teil des Abenteuers auf Improvisation beruht und damit die Gefahr eines Regiefehlers groß ist. Andererseits weil die Dynamik leicht aus dem Ruder laufen und das Abenteuer zu schwer, zu leicht oder unschaffbar werden kann. Besonders gefährlich: Der SL lässt NSCs aus seinem Wissensstand heraus handeln und planen – äußerst unfair gegenüber den SCs.

Motivation. Motivation ist alles, v.a. in diesem Abenteuertypus. Damit das Konzept funktioniert, muss der SL natürlich wissen, was seine NSCs erreichen wollen. Wer NSCs für diesen Typ Abenteuer erfindet, darf daher auf keinen Fall vergessen, ihre Ziele zu definieren. Das ist in wenigen Worten kaum machbar. Dafür benötige ich als SL einen gewissen Detailgrad an Information. Die von mir häufig praktizierten “2 Attribute pro NSC” reichen vielleicht für andere Abenteuertypen, aber nicht für diesen.

Die richtigen Spieler. Alles ist eine Frage des Geschmacks, aber dieser Typus Abenteuer ist ganz besonders prädestiniert, bei der falschen Spielergruppe zu scheitern. Sind die Spieler zu rezeptiv, werden sie von der Dynamik überrollt. Sind sie zu planlos, fühlen sich die NSCs nicht herausgefordert und warten einfach ab (klassisches Problem bei Detektivabenteuern). Ich behaupte mal frei in den Äther hinein, dass es für dieses Abenteuer einigermaßen selbstbewusste, proaktive Spieler braucht, die zudem Spaß daran haben, Rollen zu verkörpern und mit NSCs in Wechselwirkung zu treten. Wer NSCs schon grundsätzlich misstraut und die Schankmagd lieber meidet, weil sie könnte ja eine Spionin sein, der wird sich in diesem Geflecht unwohl fühlen.

Ich persönlich habe nur wenige Abenteuer dieses Typus erlebt, die wirklich gut waren, aber dafür waren es die genialsten, die ich je gespielt habe.

DD#32 Lebenszeichen

Lang ist’s her, dass ich hier jeden Werktag einen Artikel schrieb. Zur Zeit aber bin ich Hals über Kopf im Entwicklungsprozess gefangen, sodass ich kaum Gelegenheit zu anderen Dingen finde, und natürlich knabbert der Sommer – z.B. Outdoor-Programme mit den Kids – ganz erheblich an der Zeit, die mir am Computer bleibt. Ein Rollenspiel wie Destiny Dungeon zu entwickeln, ist sehr viel Arbeit. Setting, Regeln und Szenarien – das kostet unheimlich viel Zeit, und das merkt man in jenen Momenten ganz besonders, in denen manche Puzzlesteine nicht recht zusammenpassen wollen, Sachen länger dauern als geplant und man vielleicht auch noch mit der eigenen Motivation und Disziplin zu kämpfen hat, weil man am liebsten schon wieder das nächste Projekt in Angriff nehmen würde.

Glücklicherweise kenne ich diese Phasen schon und weiß, dass sie am schnellsten vorbei gehen, wenn man sich ganz besonders tief in die Arbeit stürzt. Und genau das tue ich gerade. Ich skizziere 27 lokale Kurzplots, sauge mir Namen für die Völker aus dem Finger und schreibe Steckbriefe für Orte und Persönlichkeiten. Daneben instruiere ich meinen Illustrator bezüglich der verbleibenden Bilderchen. Ich schärfe die Archetypen, balanciere die Talente und eliminiere den primären Aspekt, den es bei Destiny gab, aus dem Regelwerk und ersetze ihn durch Archetypen-Affinitäten, die besser zu Old-School passen und Destiny Dungeon noch ein Stück mehr vom normalen Destiny abheben. Außerdem nehme ich mich des Geldes an und schaue, dass Warenpreise, Schätze, Kosten für die Herstellung von Spruchrollen und die QP-in-Gold-Umtausch-Ratio sinnvoll mit einander korrelieren. Und wenn mir Zeit bleibt, denke ich über das Thema Sandkastenträume nach (siehe letzter Artikel).

Ich bitte die geneigte Leserschaft dieses Blogs daher um Nachsicht für die unregelmäßigen Postings der letzten Wochen und gedenke, euch dafür in Bälde mit einem aussagekräftigen Zwischenstand des Projekts zu entschädigen. Besonderer Dank übrigens an dieser Stelle an die regelmäßigen und unregelmäßigen Kommentatoren, deren Input ich zu schätzen weiß und wirken und reifen lasse.

Initiative von Spielern – zu viel verlangt?

Ich habe mich schon mal, im Tanelorn, laut gefragt, wieviel die Spieler im Vergleich zum Spielleiter aktiv ins Spiel einbringen müssen/können/sollen, um Sinn und Zweck des Rollenspiels gerecht zu werden. Heute werfe ich diese Frage erneut auf, weil sie sich für mich im Zusammenhang mit meiner Stammrunde ein weiteres (letztes) Mal gestellt und beantwortet hat. Zur Vorgeschichte: Ich habe 12 wunderbare Jahre lang geleitet, musste aber feststellen, dass gewisse Abenteuer in meiner Runde nicht funktionierten. Ich stellte z.B. fest, dass (etwas pauschaliert):

  • die SCs vergleichsweise wenig an einander interessiert waren,
  • NSCs notorisch vernachlässigt/ignoriert wurden,
  • taktische Situationen in endlose Debatten und Hypothesen mündeten,
  • die Handlungen der SCs zu 90% reaktiv und nicht proaktiv waren,
  • gerailroadete Abenteuer wesentlich besser ankamen als solche, in denen die SCs die “volle” Handlungsfreiheit hatten (Detektiv-Abenteuer hassten sie überhaupt),
  • ich keine Downtime-Handlungen seitens der SCs erwarten konnte, zumindest nicht im Vorhinein, allenfalls als Nachtrag im Rahmen des Prologs.

Ich sah das jahrelang als Wermutstropfen und meinte, irgend jemand müsse die “Schuld” daran tragen. Wir hatten immer wieder “Krisentreffen”, in denen ich beklagte, dass ich mir als Spielleiter mehr Initiative und Interaktion zwischen Charakteren erwarten würde, aber es nutzte vergleichsweise wenig; gute Vorsätze hielten meistens nicht lange. Selbstkritisch kam ich zum vermeintlichen Fazit, dass alles meine Schuld sei, da ich

  • die Spieler einfach zu sehr mit erzählerischen Dramen “verwöhnt” hatte,
  • zu viel geleitet und die Spieler dadurch zu gewohnheitsmäßigen Konsumenten gemacht hatte,
  • die Interaktion mit NSCs dadurch erschwert hatte, dass ich ihnen in der Vergangenheit zu viele suspekte und intrigante NSCs geschickt hatte,
  • zu sehr auf Story und einen inhaltlich erfüllten Abend Wert gelegt und damit einer Art Effizienzdenken Vorschub geleistet hatte.

Heute beurteile ich die Sache etwas differenzierter und stelle auch die Frage anders. Es geht nicht darum, wieviel sich Spieler einbringen sollten, sondern wieviel sie sich einbringen können. Ich glaube, dass es eine Frage der Mentalität, Spontanität und Kreativität der Spieler ist, ob sie überhaupt in der Lage sind, Initiative zu zeigen. Zumindest für meine Runde bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass niemand Schuld trägt, sondern einfach die persönlichen Stile nicht zusammen gepasst haben. Meine Spieler waren hochgradig analytisch und perfektionistisch, aber sie hätten nie aus der Rolle ihres SC heraus einen Plot aufgerissen, von dem sie nicht wussten oder glaubten, dass er zum Abenteuer gehörte.

Ich glaube, Spieler sollten so viel oder wenig an Initiative einbringen, wie notwendig ist, um die Erwartungen aller Beteiligten zu erfüllen oder zumindest nicht zu enttäuschen. Wenn sie das nicht wollen oder, was wahrscheinlicher ist, nicht können, dann muss man eher an einer anderen Schraube drehen und die konkrete Konstellation von Spielern hinterfragen.

Mein Fazit zum 27.07.2011: Jede Gruppe, die länger mit einander glücklich werden will, scheint gut beraten, entweder aus Gleichgesinnten zu bestehen oder aus einer gesunden Mischung, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden. Ein genauer Blick auf die Spielerpersönlichkeiten ist dabei wesentlich hilfreicher als die titelgebende Frage dieses Artikels. Diese ist ja letztendlich doch nur mit einem “Ja” zu beantworten, da die meisten Spieler ohnedies das geben, was sie geben können und geben wollen. Und mehr kann man nicht verlangen. Macht das irgendwie Sinn?