[DSP#05] Schwarmvölker

Für Destiny Space haben wir uns im wahrsten Sinne des Wortes abge-space-te Rassen einfallen lassen. Wer mir auf Twitter und G+ folgt, hat vielleicht die eine oder andere Entwurfskizze dazu schon gesehen, hier nun die finale Version:

(1) Die degenerierten So’Phak sind gewiefte Technologiehändler, die ihre Körper mit kybernetischen Implantaten optimiert haben. Sie sind raffiniert und machtgierig und angepisst, dass viele ihrer Waren im Schwarm nicht mehr funktionieren. (2) Die Irlithaner haben den unterirdischen Anlagen- und Ressourcenabbau perfektioniert. Sie lieben es hart: sowohl zu arbeiten als auch Konflikte auszutragen. (3) Die Natokh sind ausgestorben, seit sie ihre Seelen in das MagField des Schwarms integrierten. Sie sind die Schöpfer des Schwarms und so etwas wie eine gute Kraft. (4) Die Khotan sind technologie-geile Kampfschweine, die den Schwarm am liebsten vernichtet hätten und auch die Natokh auf dem Gewissen haben. Sie sind mittlerweile ausgestorben – von einigen Schläfern in Cryoanlagen abgesehen. (5) Die Mlendosianer kamen als Sklaven der So’Phak in den Schwarm. Sie sind nun frei, aber da sie nichts haben und nichts können, verelenden sie zusehends. Sie verdingen v.a. ihre körperliche Gewandtheit und Zweigeschlechtlichkeit. (6) Die freiheitsliebenden Kunpanekrota halten sich an keine Ordnung. Sie nehmen sich das, was sie wollen, wann sie wollen. Raumpiraten eben. (7) Die Eudorianer sind die aufstrebende Zivilisation. Sie besiedeln den großen Kometen, bauen Nahrungsmittel an und eifern den Natokh nach, die sie wie Götter verehren. Spirituelle Einfachheit, in einem Wort. (8) Implementics sind humanoide Roboter, die stets die höchstpriorisierte Mission verfolgen. Sie sind von Effizienz, Logik und Präzision geleitet. (9) Die Zulka kamen als Kulturforscher in den Schwarm und sind besessen, die alten Mysterien der Natokh zu enträtseln, Artefakte freizulegen und herauszufinden, was überhaupt die Mission des Schwarms ist. Sie sind neugierig, aber etwas chaotisch.

Natürlich werden die Regeln so beschaffen sein, dass man damit auch Menschen, Minbaari, Wookies & Co. spielen kann. Aber wer das mitgelieferte Setting “Der Schwarm” bespielt, wird auf Menschen verzichten müssen und, angesichts dieser illustren Völker, auch verzichten können.

Soft Skills aus Designer-Perspektive

Eine der letzten Feinschliffe, die mich noch von der Veröffentlichung von PORTAL trennen, sind die Rassen-”Feats” der generischen Rassen (Elf, Zwerg, Gnom, Ork und Minotaur). Dabei begegnet mir ein Phänomen wieder, das ich immer schon interessant fand: Wie schwer es doch ist, Fähigkeiten zu definieren, die sich nicht in Punkten messen lassen.

Mein wertgeschätzter Advisor und Analytiker, nennen wir ihn hier aus Gründen der Anonymität Thalvin, mag diese Art von “Soft Skills” gar nicht so gerne, eben weil es schwer ist, sie einzuschätzen und auszubalancieren. Fähigkeiten wie “Du bekommst deine Stufe als Schadensbonus im Fernkampf” sind da geradezu einfach zu messen, gut zu vergleichen und geben keinen Anlass zu Diskrepanzen. Aber jetzt brüten Thalvin und ich schon seit geraumer Zeit über dem Gnom, der in meinen Spielen ein Meister des Verhandelns, Durchschauens und Netzwerk-Bildens sein soll, und jedesmal, wenn ich mit einem Entwurf komme, sagt Thalvin: “Damit kann ich nichts anfangen”. Ob der Ansatz nun lautet: “Dich verbindet mit [Stufe] NSCs eine gemeinsame Vorgeschichte, die du zu deinem Vorteil nutzen kannst” oder “Du durchschaust die Bedürfnisse eines NSCs, wobei deine Stufe als Gradmesser für die Exaktheit deiner Ahnung gilt”, Thalvin ist nie wirklich begeistert.

Und der Grund liegt auf der Hand: Wer für Player Empowerment eintritt, mag keine Fähigkeiten, deren Ausgestaltung vom SL abhängt. Umgekehrt, wer an den Spielleiter denkt, möchte diesem auch nicht unnötig Aufwand aufbürden. Das obige Beispiel mit der gemeinsamen Vorgeschichte etwa liest sich oberflächlich betrachtet ganz nett, aber man muss auch daran denken, dass es bedeutet, dass die Spieler weiterfragen und wissen wollen, was das für eine Vorgeschichte ist und wie sich die Pfade des SC und des NSC gekreuzt haben. Mit der Konsequenz, dass der Spielleiter plötzlich den Hintergrund eines Händlers improvisieren muss, der eigentlich nur Statist sein sollte.

Wie man es also dreht und wendet: “Soft Skills” sind deutlich problematischer als “hard-and-fast-rules”. Aber auch lohnender, weil – wenn sie gut gemacht sind – das Rollenspiel ungleich inspirierter definieren als es eine Fähigkeit á la “x Bonus-Punkte im Fernkampf” jemals könnte.

Von Aspekten und Archetypen im Weltall…

Destiny (und auch Destiny Beginner) sind ja archetypen-lose Spiele, d.h. was auch immer der Charakter kann, bestimmt sich im Wesentlichen aus seinem Aspekteprofil. Bei Destiny treten noch die Talente als charakterdefinierendes Element hinzu, bei Destiny Beginner tritt an ihre Stelle die Wahl des primären Aspekts, der den Anwendungsbereich der Großen Gabe absteckt, also aller besonderen Fähigkeiten, die der SC potenziell jemals einsetzen kann.

Wem es noch nicht klar war: Natürlich liegen auch Destiny (Beginner) Archetypen zu Grunde. Insofern ist das Etikett “archetypen-los” nicht ganz zutreffend. Die klassischen Archetypen des Fantasy-Genres (Krieger, Magier, Waldläufer…) sind quasi ins Design eingebaut. Wer einen Krieger spielen will, nimmt “Kampf” als primären Aspekt, wer einen Dieb spielen will “Geschick”, Magier “Magie”, Waldläufer “Natur”, Händler und Barden “Gesellschaft” usw.

Was hat das nun mit Destiny Space zu tun? Vordergründig gar nichts. Ich habe auch schon Vorschläge gehört wie “Nimm doch einfach Destiny Beginner und spiel’ damit Sci-Fi”. Mit Verlaub, das wäre kein gutes Spiel, denn dem Genre Science Fiction liegen ganz andere Archetypen zugrunde als dem Genre Fantasy. Hier gibt es Bordmechaniker, Raumpiloten, Navigationsexperten, Wissenschafter, Politiker, Händler, Schmuggler, Kopfgeldjäger, ev. sogar Cyborgs, Androiden oder Psioniker. Im Umkehrschluss heißt das, dass ich für Destiny Space nicht nur so manche Regel aufblasen muss, sondern auch an den Grundfesten des Systems, nämlich am Aspekteprofil, drehen muss, um diese Genre-typischen Archetypen abbilden zu können.

Dazu kommt auch noch eine andere Gewichtung. Während die (arche)typische Trennung zwischen Geschick-Kämpfer (Dieb, Bandit, Waldläufer, Musketier) und Stärke-Kämpfer (Krieger, Ritter, Barbar) im Fantasy-Genre als Unterscheidungsmerkmal dienen kann, behaupte ich mal, dass in der Sci-Fi andere Unterscheidungen weitaus wichtiger sind, z.B. die Fähigkeit, ein Schiff zu navigieren oder mit Blasterwaffen umzugehen. Auch die Trennlinie von Wissensdisziplinen verläuft in der Science Fiction anders, ist hier doch z.B. die Kenntnis von Technologien sehr relevant, dafür aber die Frage, ob ein Charakter lesen kann, vernachlässigbar.

Fazit: Für Destiny Space funktioniert das Aspekteprofil von Destiny Beginner nicht. Das ist eine schlechte Nachricht für mich, denn es heißt bis zu einem gewissen Grad “zurück an den Start”. Dafür sollte es für euch, die Leser dieses Blogs, um so spannender werden, was da heraus kommt.