[DSP#12] Struktur ist das Zauberwort

Beim Lesen von Reviews begegnet mir immer öfter das Zauberwort “Struktur”, und in der Tat kann die Struktur eines Spiels vieles bewirken. Struktur macht aus Railroad eine Sandbox (oder umgekehrt), Struktur kann ein Nachschlagewerk in ein didaktisch wertvolles Regelwerk verwandeln, und Struktur scheint auch die Lösung für mein Konflikte-Problem in Destiny Space zu sein, das ich im letzten Artikel beschrieben habe.

Was war da nochmal das Problem: Ich habe mit dem Schwarm im Prinzip so etwas wie eine Sandbox geschaffen, mit einer Reihe von Parteien und Konflikten, die für Abenteuerideen sorgen und das Rollenspiel zwischen den Völkern bereichern sollen. So weit so gut. Das Problem war, dass ich das Gefühl hatte, dass diese “kleinen” Konflikte nicht genug “definierend” wären für das Setting. Ich dachte mir also eine Handvoll wirklich prägender Umstände und Konflikte aus, stand aber nun vor dem Problem, dass die Einführung dieser “großen” Konflikte die “kleinen” Konflikte ad absurdum führen oder zumindest verblassen lassen. Konkret geht es um die Einführung eines äußeren Feindes, der – rein logisch – dazu führen müsste, dass die Schwarmvölker ihre kleinen Konflikte überwinden.

Was werde ich also tun: Ich werde die “kleinen” Konflikte im Sandbox-artigen Setting-Teil belassen und einen Kampagnenteil in das Buch aufnehmen, der den Schwarm weiterentwickelt. Dort erst werden die “großen” Konflikte allmählich aufgegriffen und in den Vordergrund gestellt. Die Settingbeschreibung erhält somit eine zeitliche Dimension, eine Art Metaplot, die auf diese Weise strukturell (eigenes Kapitel) und inhaltlich (ereignet sich erst zeitlich später) vom Setting abgekoppelt ist. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass 1. diejenigen, die gerne nah am “hard sci-fi”-Kern spielen, nicht auf Elemente treffen, mit denen sie sich nicht wohl fühlen, und 2. Spieler, die das Setting lesen, nicht von vornherein mit Themen gespoilert werden, die der SL vielleicht erst im Rahmen einer Kampagne aufgreifen möchte. Vielen Dank an Savage Worlds, deren Savage Tales-Konzept hier durchaus eine Inspiration war.

Ob das nun im konkreten Fall der Weisheit letzter Schluss ist oder nicht, ich habe jedenfalls gelernt, dass alleine die Frage, wo innerhalb eines Buches Informationen verstaut werden, ganz stark definierend auf das Gesamterlebnis wirkt. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht.

[DSP#08] Verdammt, nichts ist selbstverständlich

Was ich gerade beim Schreiben des Schwarm-Settings bemerke, ist, dass um einiges weniger Inhalte selbstverständlich sind als in Fantasy. Dort reicht es festzuhalten, dass Schwarzpulver und Dreiecksegel noch nicht erfunden sind, und jeder weiß, von welchem Tech-Level auszugehen ist. In Science-Fiction gibt es diesen “gemeinsamen Nenner” nicht; nichts, aber absolut gar nichts, ist selbstverständlich, da es keine definierte geschichtliche Periode gibt, auf die man sich implizit oder explizit beziehen kann.

Das macht das Beschreiben eines SciFi-Settings einigermaßen schwierig, da es a) mehr Raum fordert und b) mehr Geduld vom Leser verlangt. Wenn man, so wie ich, den Anspruch hat, sich möglichst kurz zu fassen und den Leser nicht mit unnötigem Ballast zu beschweren, dann ist Science Fiction tatsächlich eine Herausforderung der eigenen Art, denn plötzlich wollen ganz “langweilige” Fakten geklärt werden:

  • Wie funktionieren Raumschiffe?
  • Wie werden Daten übertragen?
  • Wie verhält es sich mit Gravitation und Atmosphäre?
  • Woraus wird Energie gewonnen?
  • Was für Geräte/Computer verwenden Charaktere denn so?
  • Was sind denn kritische Komponenten in Schiffen und Anlagen?
  • etc.

Mein Problem gerade ist, ich möchte bzw. muss diese Fragen klären, möchte aber den Leser nicht langweilen, immerhin sind das zwar definierende Punkte, aber nicht die Hauptplots. Unter Umständen verlangt dieses Phänomen eine andere Form als den Fließtext, der z.B. bei Lys Marrah gut funktioniert hat. Aber welche? Mehr graue Kästen? Informationen in Fußnoten? Alltags-Technologien im Anschluss der Waren- und Preisliste? Ganz anders?

Wenn ihr bewusst gute/schlechte Erfahrungen mit Beschreibungen derartiger “Basics” gemacht habt, würde mich das sehr interessieren und mich vielleicht auf den richtigen Weg führen – falls es ihn überhaupt gibt.

Didaktik vs. Verwendbarkeit von Regelwerken

Abgesehen davon, dass man es ja sowieso nie allen Recht machen kann, birgt der Aufbau von Regelwerken eine ganz große Schwierigkeit: Regelwerke, die sich gut lesen und didaktisch perfekt aufbereitet sind, taugen meistens als Nachschlagewerk nicht, und solche, die gut zur Verwendung im Spiel strukturiert sind, haben oft einen sehr dünnen bis nicht vorhandenen didaktischen Überbau.

Ausnahmen bestätigen die Regel, und es gibt auch Tricks, wie man das umgehen kann, z.B. mit dedizierten Spielleiter-Büchern und Spieler-Büchern oder Einführungsbooklets etc., aber diese Aufteilung und die damit verbundene Redundanz kann sich nicht jeder Hersteller leisten. Ich z.B. muss höllisch aufpassen, denn eine Seite zu viel kann bereits bedeuten, dass ich 4 Seiten mehr produzieren muss (Seitenzahl muss bei meinem Verlag immer durch 4 teilbar sein), und das geht wiederum an die Stückkosten. Das aber nur nebenbei erwähnt.

Trotzdem ist dieser Gegensatz nur ein Symptom. Das Grundproblem ist, zumindest vermute ich das, dass die meisten Rollenspiel-Produzenten ihre Zielgruppe nicht kennen. Ja, klar, Rollenspieler, har har. Aber: Welches Alter? Sammler? Leser? Spieler? Spielleiter? Neuling oder alte Hasen?

Ich glaube, die Mehrheit der Schaffenden in unserem Sektor produziert Rollenspiele aus Idealismus und Kreativität heraus. Ich glaube, dass wenige Spiele – im engsten Sinne des Wortes Marketing – so gemacht werden, dass sie in eine spezielle Marktkerbe schlagen. Wäre das der Fall, wüsste man eher, wem man es mit dem Aufbau Recht machen muss.

Und jetzt sind wir an dem Punkt, wo man es nur noch falsch machen kann. Lässt man das von vielen mittlerweile gehasste Kapitel “Was ist ein Rollenspiel?” weg, schließt man die blutigen Anfänger aus. Wählt man einen sanften didaktischen Zugang, dann werden viele alte Hasen nörgeln, dass die Regeln nicht strukturiert genug dargestellt sind. Macht man ein Telefonbuch draus, finden die zwar alles, aber der unerfahrene Rollenspieler legt das Ding entnervt nach 2 Kapiteln zur Seite. Gibt man viel Fluff hinein, freut sich der Leser, aber der Spielleiter findet das unnötigen Ballast, und lässt man den Fluff weg, überfordert man den Gelegenheitsspieler.

Wenn man also nicht von vornherein “Käuferschichten” ausschließen will, ist diese Diskrepanz entweder wirklich nicht aufzulösen, oder ich muss demütig zu dem Schluss kommen, dass ich zumindest es bisher nicht geschafft habe. Damit werde ich wohl auch weiterhin die Quadratur des Kreises in meinen Regelwerken anstreben und mit der damit verbundenen Imperfektion leben müssen. Tragisch? Wohl kaum. Die Qualität der Rollenspiele heutzutage ist wirklich sehr gut, und all das ist Jammern auf hohem Niveau. Aber als Österreicher darf man ja immer jammern. ;)

Dieser Blogpost ist Teil des aktuellen Rollenspielkarnevals.