[DSP#10] Back to Square One

Gestern bei unserer Redaktionssitzung für den Polyeder Podcast ging es u.a. um das Thema Science Fiction und was es eigentlich ausmacht. Dank meines Co-Moderators Markus hatte ich plötzlich so eine Art Epiphanie. Die ganze Zeit über war da das Gefühl gewesen, dass mir beim neuen Destiny-Space-Setting etwas fehlt, und jetzt weiß ich, was es ist:

Es geht in Science Fiction nicht um “Gadgeteering”, um Sternenraumkämpfe, um abge-space-te Alienrassen. (Zumindest nicht ausschließlich). Es geht vielmehr um Gegensätze, innere wie äußere. Um Licht und Schatten, oben und unten, Makrokosmos vs. Mikrokosmos. Es geht um auf den Kopf gestellte Prämissen, um Grauzonen und Abgründe, um gewagte Annahmen und Thesen, um das “Was wäre wenn?”, um das Sicht-zurecht-finden-in-einer-ganz-anderen-Welt.

Ich habe bisher bei der Konzeption des Schwarms viel zu viel Zeit darauf verwandt, mir die Frage zu stellen: Wie kriege ich es hin, dass dieser oder jene (abenteuertaugliche) Zustand gegeben ist. Das Gegenteil hätte ich mich fragen müssen: Wie kriege ich es hin, dass das Setting möglichst unberechenbar, anders und fremdartig ist? Ich kann wirklich nur jedem Spiel-Designer raten, sich regelmäßig im kreativen Prozess die Frage zu stellen, was das Setting eigentlich bei den Spielern bewirken soll. Nicht die Spielercharaktere, sondern die Spieler spielen das Spiel, d.h. das Setting hat nicht nur Kulissenfunktion, sondern die Aufgabe, das Spielerlebnis des Spielers zu bereichern. Sich kritische Fragen zu stellen, die unter die Oberfläche dringen, ist absolut unerlässlich!

Mehr dazu in zwei Wochen im Polyeder Podcast. Für mich heißt es jetzt einmal: Back to Square One. Naja, nicht ganz. Die Kernzutaten – Schwarm, Völkerkonzeption, Sektorenfeld – passen ja wunderbar, ich muss sie nur so zubereiten, dass sie nicht an Geschmack verlieren und Einheitsbrei daraus wird.

Erste Überlegungen zu Destiny Space

Da sich beim Destiny Regelwerk gerade nicht viel blog-Fähiges tut (ich entwerfe bis auf weiteres täglich meine 3 Plothooks), möchte ich euch heute kurz mein anderes Projekt vorstellen, wobei “Projekt” schon fast zu viel gesagt ist, denn Destiny Space ist momentan nicht mehr als ein sich lose entwickelndes Ideenkonzept. Noch.

Die Absicht, ein SF-Rollenspiel zu gestalten, hatte ich ja schon lange, hauptsächlich aus dem Gefühl geboren, dass erzählerische Science Fiction Mangelware ist. Nun habe ich mittlerweile mit Destiny eine Engine erfunden, die sich im Praxistest mehr als bewährt hat, sogar einigermaßen bekannt ist, und – ich habe einen Verbündeten gefunden: Einer meiner Mitspieler ist SF-Fan und arbeitet sogar an einem eigenen SF-Roman. Damit ist eigentlich alles da: Genre-Knowhow, Enthusiasmus und ein System, auf dem man aufsetzen kann.

Was mir da vorschwebt, ist eine kompakte Inkarnation des Destiny Beginner Regelwerks (mit oder ohne Große Gabe, das ist noch nicht raus) und einem konfliktreichen, überschaubaren, offenen Setting – quasi “Lys Marrah im Weltall”. Die konkreten Ideen für letzteres liegen schon auf dem Tisch, sind schlichtweg genial, aber da sie überwiegend nicht von mir sind, halte ich sie vorläufig noch unter Verschluss.

Durchaus nicht geheim sind hingegen die Schrauben, an denen ich verstärkt drehen muss, wenn Destiny Space – ganz nach dem Grundsatz “System matters” – ein in sich stimmiges Produkt werden soll. Als da sind:

  • Attributeprofil
  • Initiative
  • Fernkampf
  • Navigation
  • archetypische besondere Fähigkeiten
  • spieltechnisches Abbilden verschiedener Rassen/Völker

Durchaus also weit mehr als nur “Destiny Beginner im Weltraum”. Persönlich habe ich bei dem Gedanken an dieses Projekt ein ganz starkes Kribbeln im Bauch und freue mich total darauf!

DD#52 Die Szenarien sind schuld. Aber warum eigentlich?

Der Hauptgrund für die Verspätung des Destiny Dungeon Releases sind die Szenarien, die deutlich größer und umfangreicher ausfallen als erwartet. Ich wurde schon öfters gefragt, warum ich darauf solchen Wert lege, wo doch das eigentliche Produkt “nur ein Regelwerk” sei und ein solches auch mit 1-2 Beispielabenteuern auskäme. Ich möchte darauf antworten, indem ich erläutere, welche Bedeutung die Szenarien für meine Vision haben.

Destiny Dungeon entstand nicht, weil Old-school gerade “in” ist, sondern weil ich mir damit einen Traum erfüllen wollte. Ich wollte eine Campaign schaffen, in der die Spieler die absolute Handlungsfreiheit haben und die Handlung ebenso stark von den Spielern wie vom SL ausgeht. Das Um und Auf einer solchen proaktiven Kampagne ist, dass Spieler und SL Informationen haben. Sollen die Spieler das Gefühl der völligen Freiheit bekommen, dann muss der SL auch bereit sein, sie “überall” hinzulassen. Und das geht nur, wenn er über “überall” Informationen besitzt. Andernfalls entsteht zwangsläufig die Tendenz, die Charaktere zu vertrauten oder beschriebenen “hot spots” zu schieben. Dieser “Magnetismus des Vorgefertigten” ist natürlich immer gegeben, denn man kann nicht für jeden Weiher und jeden Hügel ein Abenteuer ausarbeiten, aber das Spielgefühl entsteht nur dann, wenn eine kritische Masse an Örtlichkeiten in der Welt ausgearbeitet ist.

Soweit zur Quantität. Es gibt aber auch qualitative Kriterien, die mir wichtig waren:

  • Unmittelbare Verwendbarkeit. Die Szenarien sind keine Aufhänger oder inspirierten Beschreibungen, die letztendlich wieder dem SL den Task umhängen, sich Abenteuerliches auszudenken, sondern so detailliert ausgearbeitet, dass man damit unmittelbar ins Abenteuer gehen kann. Teilweise sogar bis auf die Ebene der Spieltechnik hinunter, damit der SL gleich eine Idee bekommt, wie Destiny Dungeon funktioniert (wieviel Schaden, welche Proben usw.).
  • Kompaktheit. Alle Szenarien sind kompakt dargestellt (2-3 Seiten), damit sich der SL schnell (ca. 5 Minuten) einen Überblick verschaffen kann. Alles andere wäre in einer Sandbox ziemlich witzlos.
  • Viele Missionen pro Szenario. Möglicherweise dringen die SCs in Morkanthors Labyrinth ein, um seinen schwarzen Stein zu finden, vielleicht geht es ihnen darum, einen der Hor-Gläubigen aus seiner Sekte zu befreien, vielleicht durchqueren sie das Labyrinth, um zum Tempel des Goldenen Lichts zu gelangen, oder einfach nur um Monster zu schnetzeln und Schätze zu heben. Jedem Szenario kann man sich aus unterschiedlichsten Motivationen heraus nähern.
  • Keine getriggerten Ereignisse. Bis auf 1 oder 2 Ausnahmen sind die Szenarien handlungsneutral, d.h. es sind Beschreibungen von Orten und NSCs und deren Motivation, aber keine Ereignisse, die zufällig stattfinden, weil die SCs in der Gegend sind. Einen “dramatischen Überbau” (Prolog, Wendepunkte, definiertes Finale, Epilog) gibt es daher auch nicht, eben weil die Szenarien aus vielerlei Motivationen heraus spielbar sein sollen.
  • Unabhängige Szenarien. Die Szenarien können völlig unabhängig von einander gespielt werden, es gibt keine logische Reihenfolge – zumindest keine zwingende. Viel öfter ist es so, dass ein Artefakt oder eine Information aus Szenario A das Lösen von Szenario B erheblich erleichtert. So können die SCs z.B. im Wall der 1000 Höhlen Haguls Zauberkompass finden und tun sich damit in der magischen Matrix der Seufzenden Ebene wesentlich leichter.
  • Lebende Welt-Konzept. Berührungen mit der Welt sind so eingewoben, dass sie keinen Metaplot bilden, aber gravierende Auswirkungen haben können. Wenn die SCs den alten Elfenkönig Tasyuncar aus seinem Säulenkreis befreien, schwächt dies die Limisjünger und stärkt die Elfen des Neuen Weges. Sind die Limisjünger geschwächt, so fehlt es ihnen vielleicht an Mitteln und Wegen, Mavith mit ihrer Magie jung zu halten, was sich wiederum auf dessen Handlungen auswirkt und ihn womöglich aus seinem sicheren Versteck zwingt. Die Spieler können also einen Unterschied machen, wenn sie es drauf anlegen.

Destiny Dungeon wird 21 Szenarien (eines davon dankenswerterweise von Moritz Mehlem) enthalten (möglicherweise 22, denn ich arbeite gerade noch an einem Einführungsabenteuer), und es sollte wirklich für jeden etwas dabei sein. Wer mag, kann mit Hilfe der verbindenden Elemente einen Metaplot stricken, wer gerne schnetzelt, kann auch das tun. Es gibt Dungeons, Rätsel, Hex-Felder zu erkunden, es gibt soziales Rollenspiel, es gibt einen spürbaren Konnex zum Setting, der eine relativ starke Immersion ermöglichen sollte, und das alles in einem (mittlerweile 156-seitigen) Buch. Ich gestehe, ich bin selbst überrascht und überwältigt, welche Dimensionen Destiny Dungeon angenommen hat. Aber mit weniger hätte ich diesen Traum nicht verwirklichen können.