Folge 33: Tabuthemen

Im Rollenspiel geht es erstaunlich oft um heikle Themen: Sex, Gewalt, Tod, Rassismus oder Sexismus. Wir diskutieren in Folge 33, wie man mit solchen Tabus umgehen und sie positiv fürs Spiel nutzen kann.

Polyeder Podcast, Folge 33: Tabuthemen (Downloadlink)

Shownotes
Fiasco in deutscher Sprache

8 Gedanken zu “Folge 33: Tabuthemen

  1. Ein wirklich schwieriges Thema, dass in der kurzen Zeit sehr gut von euch behandelt wurde – wobei der wichtigste Satz, Tabuthemen in der Gruppe auch anzusprechen, zum Schluss hervorgehoben wurde.

    Meine eigene Erfahrung mit Tabus ist, dass man teilweise wirklich aufpassen muss, was man anspielt. Rassismus kann, meiner Meinung nach, in Fantasysettings relativ gut abgegrenzt werden, ohne ihn zu sehr in die Realität zu tragen (und auch wenn die Goblins arm sind und die Orks wohlmöglich missverstanden, gehört das zum Weltbild eines Menschen in diesen Welten oft dazu). Bei menschlichen Rassenunterschieden haben meine Gruppen manchmal sogar übersehen, dass es sich um ihr Gegenüber eigentlich auch um einen Exoten handelt – er wurde als Mensch fast selbstverständlich als gleichwertig behandelt (auch wenn es nicht unbedingt zum eigenen Charakter passte). Auch Gewalt lässt sich in den fremden Welten besser begründen und aushalten. Teilweise spielen wir durchaus mit intensiven “Splattereinschlag”, wenn die kämpferische Gruppe sich durch ihre Feinde metzelt – niemand käme hierbei auf die Idee, diese Dinge in die Realität zu zerren.

    Anders ist das meiner Erfahrung nach in einem realistischem Setting, wodurch wir wieder bei Cthulhu landen. Einer meiner Spieler empfand es zum Beispiel als fast zu hart, als ich zwei junge Nationalsozialisten gegen Ende der 20er Jahre spielte – wobei ich durchaus auch wollte, dass sie zeigen, warum sie sich Anderen überlegen fühlen aber gleichzeitig ihre Arroganz auch hassenswert darstellte. Die Aussagen dieser zwei Personen stießen dem erwähnten Mitspieler ziemlich sauer auf, da sie durchaus auch historisch belegt sind. Der Satz “soetwas kannst du in einer Wohnung doch nicht laut sagen” hängt mir noch im Kopf. Bzgl. Gewalt und deren Darstellung ging ich für meine Gruppe auch beim Setting im 1. Weltkrieg eine kleine Spur zu weit, da es zu realistisch und das Auftreten von übernatürlichem Horror eher entspannend war, da man dadurch vor dem historisch belegten Wahnsinn fliehen konnte (die abschließende Diskussion über das Szenario ergab, dass das Setting eine Erfahrung wert war, aber niemand mehr zurück in diese Szenen möchte).

    Ich glaube, dass das auch der Grund für die Probleme mit der Sexualität ist – man kann solche Situationen zu leicht in die Realität bringen. Während ein kleiner Flirt zwischen Charakteren meiner Meinung nach harmlos ist – selbst wenn es dabei auch im Spiel zu mehr kommt. Meine Toleranzgrenze wird aber überschritten, wenn dabei Gewalt in die Handlungen einfließt. Ich las einmal in einem Forum von einer Gruppe, wo der Charakter einer Spielerin von den anderen vergewaltigt wurde – wenn das in meiner Gruppe passieren würde, wäre der Abend und auch die Existenz dieser Spielrunde für mich gelaufen.

    Das Kennen der eigenen Gruppe kann dabei, wie ihr sowieso betont habt, helfen, Grenzen nicht zu überschreiten. Wenn man aber neuen Leuten ein System zeigt, so sollte man, meiner Meinung nach, nicht zu sehr an den Extremen kratzen – man weiß nicht, ob man dabei einen persönlichen Nerv eines Mitspielers trifft. Gerade bei Cthulhu möchte ich aber auch allgemein keine minderjährigen Mitspieler dabei haben, wenn ich diese nicht sehr gut kenne, da Erwachsene zumindest im üblichen Ausmaß selbst wissen müssen, worauf sie sich einlassen.

    Erstmals seit längerem wieder und gleich viel zu viel geschrieben ;) – Grüße,
    Erkandor

  2. Ich glaube, Pegasus hat mit gutem Grund bisher die Finger von der Nazizeit als Setting für Cthulhu gelassen, auch wenn in den Zwanzigern natürlich schon sehr vieles vorhanden ist. Es gibt einfach Dinge, die man mit zu viel Ernst, Vorsicht und Rücksichtnahme behandeln muss, als dass sie sich fürs RPG gut eignen würden. Ich habe deswegen auch “Achtung Cthulhu” nicht unterstützt. Auf der anderen Seite kann es eben auch eine nicht unbedingt angenehme, aber lehrreiche Erfahrung sein, in spielerischem Rahmen Extremsituationen zu erfahren – von der Täter- oder Opferseite. Genau das war für mich der Ausgangspunkt für das Thema.

  3. Ich finde das Thema auch super! Im Rahmen meiner Runden spielen Tabu-Themen immer wieder eine Rolle. Grundsätzlich finde ich sehr reizvoll und wichtig, sie im Rollenspielen zu thematisieren. Darin besteht auch eine Chance des Spiels für mehr Tiefe. Ich finde auch, dass man seine Mitspieler gut kennen sollte bzw. sensibel zu klären, was geht und was nicht geht.
    Einmal habe ich als Spielleiter in einem unheimlichen Wald verschiedenste Eingeweide, inklusive menschlicher von einem Baum hängen lassen und gemerkt, dass ich da eine Ekel-Grenze bei einer Mitspielerin unbewusst überschritten hatte. Ansonsten gelingt es aber ganz gut, die Grenzen einzuhalten bzw. ich habe das Glück, recht offene Spieler zu haben, bei denen viel geht.

    Rassismus: Fand ich sehr spannend. Zur Tiefe jedes Settings, dass der Realität unserer Welt (während der Großteils der Geschichte) ähnelt, sollte sowas irgendwie dazugehören. Hiermit meine ich Rassismus, wie er real vorkommt. Was ich ganz schlimm finde, ist, wenn ein Hintergrund Völker rassistisch beschreibt (wenn die Autoren schreiben: “Gnome sind diebisch.”, nicht, dass sie in dem Ruf stünden, diebisch zu sein), ohne das zu reflektieren. Damit gibt man spielern eine sehr problematische Botschaft mit.
    Dem gegenüber löst das DSA meiner Ansicht nach heutzutage insgesamt ziemlich gut. Ansonsten in klassischen Fantasy-Settings als böse beschriebene Völker wie Orks und Goblins werden als vernunftbegabte Kulturen aus eigenem Recht, mit eigener Agenda usw. beschrieben. Rassismen gegen diese kommen in der Welt vor und machen diese Vorbehalte für den Betrachter umso bitterer, wenn man die Behandlung von Goblins durch Menschen von außen betrachtet. Das finde ich gut! Aber man muss das deshalb nicht immer im Fokus haben. Aber ich finde es gut, diese sozialen Rassismen der Welt mal zur Skizzierung zu Thematisierung und dann den Chars eventuell die Gelegenheit geben, z.B. Goblins anders zu erleben und so das Vorurteil zu durchbrechen.

    Es gebe noch viel zu dem Thema zu sagen, aber da mein Post auch schon länger und länger wird, danke ich lieber nochmals für den guten Beitrag und gehe schlafen!

  4. Sehr coole Folge. Ihr habt Thema schon abgegrenzt, ohne in die üblichen Klischees oder Standardaussagen zu verfallen.

    Lustig fand ich, dass mir bei Rassismus die bösen Rassen wie Dunkelelfen gar nicht eingefallen sind. Ich dachte da eher an den Rassismus, den man dem Setting hinzufügt, statt an den der eingebaut ist. Ob das “Schwarze” aber eine Sache der Hautfarbe ist, weiß nicht. Vielleicht ganz früher einmal, auch wenn ich mir da auch unsicher bin. Mittlerweile ist es wohl eine Frage des “Standards” in Film, Literatur und Fernsehen, s. “der schwarze Ritter”.

    Was mich angeht, so kommt Rassismus öfter vor, aber Vergewaltigungen sind tabu. Tod hingegen ist ziemlich normal und wird nur selten besonders beachtet. An den Tod hat man auch im Spiel durch kampflastige Systeme und Filme einfach gewöhnt. Rassismus und Ausgrenzung kennt man auch, oft aus dem Alltag. Daher begreift man es und kann es meist ohne allzu viele Probleme darstellen.

    Ganz anders bei Vergewaltigungen. Die kennen viele und das Trauma ist so heftig, dass man sich nicht einfach davon erholen kann. Zudem ist es noch oft ein wirkliches Tabu. Liebe und Sex ist da dann vielleicht zu nahe an der Realität. Vom Ausspielen zum echten Kuss sind es ja quasi nur ein paar Zentimeter. Vielleicht ist darum letzteres bei mir an Tisch selten, bzw. selten ausgespielt.

  5. Ich finde es echt toll, dass mal ein Podcast dieses Thema so bewusst angeht, echt mutig!

    Wie man alleine an meinen Vorschreibern sieht kann man das Thema ja echt gut diskutieren und ich bin mir sicher ihr hättet viele Folge dazu machen können und es wär immer noch was unbehandelt geblieben.

    Ich möchte hier nur auf drei RPGs hinweisen, die, wie ich meine, teilweise sehr in Richtung Tabu gehen:
    - Engel (man spielt nämlich im Endeffekt religiöse Fanatiker)
    - Deathwatch (Space Marines als Übermenschen….)
    - Kleine Ängste (Kinderängste als Thema…)

    Die ersten beiden hab ich gespielt und gerade bei Engel war es teilweise etwas an der Grenze, kam aber auch durch das Charakterspiel. Bei Deathwatch hingegen konzentriert es sich derzeit eher auf die Kämpfe.

  6. Ein schöne Folge.
    Ich habe mit meiner Freundin immer ein anderes Streitthema, was man im rollenspiel machen darf oder nicht.
    In meiner Lieblingskampagne “Smaskrifter” wer es kennt. Kommt märchenhaft verpackt das Thema Abtreibung vor.
    Märchen sind immer grausam. Es gab auch Albträume, bei denen man die Abtreibung in angedeudeter Weise nacherleben konnte. Ich habe die Szene auch schon zweimal gespielt, auch mit Frauen, und sie kam jedesmal als Schockszene gut an, hat aber keinen Spieler dazu bewegt die Kampagne nicht weiter gebannt zu verfolgen.
    Meine Freundin meint, das man solche Szene nicht einbaut. Es könnten ja Frauen mitspielen, die so was schon erlebt habe. Sie selber hat so was nicht erlebt, würde aber auch nicht mitspielen.
    Alles nachvollziehbar. Meine Freundin schaut aber leidenschaftlich Horrorfilme. Auch so Kategorien a la Saw, bei denen mir persönlich meine Schmerzgrenze erreicht ist. Oder Waisenhausfilme in denen die Insassen missbraucht werden.
    Ihr Argument ist, dass Rollenspiel sie viel näher an die Szene ranbringt, als ein Film.

    So viel zu meine Gedanken dazu

    • Es gibt dieses eine Cthulhu-Abenteuer, das ich im Podcast schon oft erwähnt habe (ich vermeide jetzt mal Spoiler). Das würde ich eher nicht mit einer Frau spielen, die schon einmal schwanger war. Aus Gründen.

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