Folge 38: Charakterhintergründe

Manche schreiben einen Satz, manche einen ganzen Roman, anderen ist er ganz egal: Der Charakterhintergrund. Woher kommt der Spielercharakter? Wo will er hin? Und was hat das ganze mit seinen Werten zu tun? Wir stellen fest, dass neuere Rollenspiel stark dazu tendieren, den Charakterhintergrund zu einem Teil der Charaktererstellung zu machen.

Polyeder Podcast, Folge 38: Charakterhintergründe (Downloadlink, 18:50 min)

Shownotes
Fate Core mit “Pay What You Want”

7 Gedanken zu “Folge 38: Charakterhintergründe

  1. Hi Alexander und Markus!
    Da habt ihr wieder eine sehr gute Folge hingestellt!

    Das größte Problem bei genauer Charaktergenerierung in modernen Rollenspielen ist, dass die Charakterblätter immer mehr definieren, was der Charakter kann. Es kann dann für ein unmittelbares und spontanes Spiel sehr schädlich sein und Inspirationen abwürgen. “Oh kann ich das überhaupt? (blätterblätter) oh schade, da bin ich nicht so gut drin, na dann lass ich das mal…”. Es gab ja letztens im Goblinbau mal den Beitrag dazu, wie man ein guter Spieler wird. Die Ideen anderer nicht abzuwürgen, sondern sie eher weiterzuspinnen und z.B. zu verkomplizieren o.ä. war da ein Tipp. Das kommt aus dem Improvisationsspiel und ist als “Ja, aber”-Regel bekannt. Ich finde es problematisch, wenn Charakterblätter selbst diese Wirkung des Abwürgens ausüben können. Das ist ein hoher Preis dafür, dass ein Charakterblatt auch (mal) inspirierend wirken kann.

    Ich bin übrigens auch ein Fan der traditionellen Zufallsgenerierung. Da gibts aber auch mehrere Methoden. Ich setze im Moment auf: einen Wert erwürfeln (3W), Wert einem Attribut zuweisen, wiederholen bis alle Attributswerte belegt sind. Optional kann man anstatt zu würfeln auch den Wert 11 nehmen. Das macht das noch zu einem kleinen Minigame und ist nicht ganz zufällig.

  2. Craulabash meint sicher mit modernen Rollenspielen diese, welche ihr als traditionelle Rollenspiele bezeichnet, aber er kommt ja auch klar aus der Oldschool-Ecke, da verstehe ich diese Perspektive (diese Umdeklarierung ist ja auch ein interessantes und sinnvolles Statement). Ich kann ihm insofern zustimmen, dass bei “typischen Rollenspielen (?)” spontanes Spiel und Improvisation abgewürgt werden, was mMn bei Oldschool oder Indie selten der Fall ist. Viele Spieler wollen aber ihr geliebtes Barbiespiel-Kopfkino, wahrscheinlich ein sehr großer Teil der Rollenspieler.

    In meiner Heimat habe ich eine Gruppe von Beer&Pretzel-Rollenspielern, die leider fast komplett Charakterhintergründe und tiefer gehendes Rollenspiel verweigern. Wir spielen miteinander, weil wir seit Jahren befreundet sind und unser Treffen vor allem sozialen Wert hat. Leider hat das einen Spieler/Spielleiter vergrault. Also soll’s mir Recht sein, wenn meine Mitspieler sich überhaupt für Charakterhintergründe interessieren. Wie ist dann weniger wichtig als ob.

  3. Ein traditionelles System zum Hintergrund, was gefehlt hat / nur angekratzt wurde, ist der Lifepath, wie er z.B. bei Traveller genutzt wird. Kann tolle, interessante und vor allem stimmige Ergebnisse liefern.

    Als Hintergrundkonzept steh ich auf das 50-Wort-Konzept, weil man durch diese Beschränkung genötigt wird, in 50 Wörter die Essenz seines Hintergrundes zu packen und keine endlosen Monologe zur Lieblingssockenfarbe seiner 3. Geliebten hält … (Ja, ich bekam schon 30-seitige Hintergrundgeschichten …)

    Tolle Beispiele hierfür die 50 Family Units bei Goodman Games, knapp 40 sieht man im Preview: http://www.goodman-games.com/downloads/4372-PDF-Preview.pdf (die letzten beiden Seiten, generell ist PC Pearls extrem empfehlenswert!)

  4. Es ist ganz lustig, dass sich die Storygamer und die OSR-Leute auf unterschiedlichen Wegen zu ähnlichen Konzepten kommen: Weg vom Regelballast, weg von “darf ich das”, hin zu mehr Improvisation, mehr “emergent storytelling”, mehr Interaktion, weg vom Detail, hin zum Rahmen. Ich glaube, dahinter steckt letztlich der Gedanke, dass der Weg des Simulationismus fast zwingend vom Hundertsten ins Tausendste führt. Je mehr Fragen man beantwortet (wie würde das jetzt wirklich funktionieren), desto mehr Fragen und Inkonsistenzen tun sich auf. Und so ist bei vielen halt der Wunsch entstanden, wieder spontaner drauflos zu spielen. Bei den einen “so wie früher” im Dungeon Monster kloppen und nebenbei Geschichten entstehen lassen, bei den anderen mehr als gemeinsames Geschichtenerzählen.

  5. Ja stimmt :) Interessante Feststellung!
    Also die OSR steht für viele schon für regelleichte Rollenspiele, wenn man die Ursprünge der OSR ernst nimmt: OD&D ’74.

    Ehrlich gesagt ist das Thema Regeln ein schwieriges Thema, finde ich. Ich hab dazu noch keine abschließende Meinung.

    Es gibt da den Satz von Settembrini, dass Stimmung für ihn aufkommt, wenn er genug Regeln im Spiel hat. Da ist auch was dran. Vielleicht ist es am Ende so, dass es gute und schlechte Regeln gibt.

    Im besten Fall sind Regeln wunderbar mit der Hintergrund verwoben, stimmungsvoll und inspirierend. Sie schränken so wenig wie möglich ein, wo dies nicht nötig ist (wie oben für die Charakterblätter beschrieben). Zugleich ermöglichen sie den Spieler Sicherheiten um für das Spiel Entscheidungen zu treffen und Pläne zu schmieden. Im besten Fall sind sie darüber hinaus intuitiv verständlich, in ihrer Gesamtheit überblickbar und schnell und breit anwendbar.
    Im besten Fall bieten sie den Spieler Möglichkeiten, sie für ein abenteuerliches Spiel auszunutzen und sie erzeugen eher Spannung, als dass sie Dinge akkurat aber langweilig simulieren (am besten aber beides oder wenn langweilig dann schnell).

    Ich finde im Moment stimmungsvolle Tabellen toll. Gute Tabellen sind automatisch spannend, besonders, wenn die Spieler sie kennen. Das Schöne an Tabellen ist, dass man auch kreativ mit ihnen umgehen kann.

    “Emergent storytelling” ist ja auch eine Funktion, die Regeln leisten können. Ich denke bei dem Begriff übrigens auch an Sandbox. (Emergenz aus den vorher festgelegten Fakten. Vermeidung von Widersprüchen durch Emergenz und dadurch die Ermöglichung von mehr Freiheit für die Spieler, weil der Spielleiter seinen inneren Zensor abschalten kann. Die Sandbox ist dazu da, von den Spieler völlig zerstört zu werden.)

  6. Sehr schön auf den Punkt gebracht! “Intuitiv und in ihrer Gesamtheit überblickbar” sind für mich zwei sehr wichtige Punkte. Neue Regelmechanismen können auch mal gegen die Intuition gehen, aber ich muss schon beim Lesen der Regeln ein Gefühl dafür kriegen, wie die Zahnräder ineinander greifen, und was die wesentlichen Hebel sind. Dann habe ich eine elegante Regelmaschine, die ich entweder laufen lassen, oder an der ich herumschrauben kann.

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