Struktur und Anrede im Regelwerk

Man glaubt ja gar nicht, was man alles falsch bzw. richtig machen kann, wenn man ein Regelwerk schreibt. Zum Beispiel die Frage, wie man den Leser ansprechen möchte. Das ist nämlich in keinster Weise trivial oder Geschmackssache, sondern hängt ganz stark mit Zielgruppe und geplanter Struktur zusammen.

Bei Destiny Beginner habe ich das unverfängliche Du-Wort verwendet und den Spieler (im Spielerteil) bzw. SL (im SL-Teil) direkt angesprochen: „Wähle anschließend aus nebenstehender Tabelle einen primären Aspekt. Dieser sollte die eine große Stärke deines SC auf den Punkt bringen.“

Bei Destiny Dungeon habe ich mich neutraler Formulierungen und Passivformen bedient: „Damit die Probe gelingt, muss mit dem W66 kleiner oder gleich dem Attributwert gewürfelt werden.“, allerdings muss ich rückblickend sagen, dass es dadurch sehr kühl und nüchtern klingt. Es eröffnet auch Probleme beim Formulieren von Regeln, die mehrere Charaktere involvieren, weil man dann immer klarstellen muss, wer „er“ (der SC) und „er“ (NSC, Gegner, anderer SC) ist.

Andere Varianten, die es noch gibt, sind das Verwenden von „man“, was mir aber persönlich nicht gefällt, oder die Anrede „Sie“ wie im guten alten DSA, allerdings ist mein Gefühl, dass die Zeiten, in denen man im Regelwerk mit „Sie, verehrter Leser“ angesprochen werden möchte, vorbei sind. Ein weiterer Grund, warum ich im Destiny-Regelwerk gerne versuchen würde, über die Anrede die Distanz zum Leser zu überbrücken und zum „Du“-Wort tendiere.

Das eröffnet allerdings eine weitere Front von Fragen, denn wer ist denn „du“? Ist „du“ der Spieler oder der Spielleiter? Da kann man sich theoretisch behelfen, indem man in „du“ grs. den Spieler adressiert und, wenn nötig, „du als Spielleiter“ einfügt, aber spätestens bei Regeln, in denen beide vorkommen, wird das unnötig kompliziert: „Wenn du als Spielleiter eine Probe verlangst, dann nennst du das in Frage kommende Attribut. Als Spieler würfelst du dann mit dem W66 und versuchst…“. Nix gut.

Im Zusammenhang mit meiner Zielgruppenüberlegung habe ich mich daher dazu entschlossen, das Regelwerk zweizuteilen in einen (allgemeinen) Spielerteil und einen (spezielleren) Spielleiter-Teil. Das hat natürlich Vorteile und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass ich den Spielerteil entkoppeln kann und damit automatisch eine Art „Spielerhandbuch“ habe. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich sehr spezifisch auf den notwendigen Wissensstand des Lesers eingehen kann und z.B. nicht dem Spieler ausufernd erkläre, wie er NSCs erschaffen kann. Der Nachteil liegt natürlich auf der Hand und besteht in einer gewissen Zersplitterung des Materials. Was jetzt nicht furchtbar tragisch ist bei einem Regelwerk dieser Größe, aber es wird nicht allen gefallen. Die Alternative wäre Redundanz, d.h. das vollständige Wiederholen aller Regeln (zumindest in verknappter Form) im SL-Teil, aber das halte ich persönlich für Platz- und Geldverschwendung, da könnte ich gleich zwei separate Veröffentlichungen machen.

Fazit: Ich gedenke das Destiny-Regelwerk in einen Spielerteil und einen Spielleiter-Teil zu gliedern und in beiden den Leser mit „Du“ anzusprechen. Im Prinzip das, was ich schon bei Destiny Beginner getan habe, aber mit etwas mehr Bewusstheit. Der Spielerteil wird die zum Spielen erforderlichen Regeln abdecken, der SL-Teil wird Details, optionale Regeln und SL-Hintergrundwissen beinhalten.

8 Gedanken zu “Struktur und Anrede im Regelwerk

  1. Ich mochte die kühle Sachlichkeit von DD sehr!
    Zum einen mag ich eine persönliche Anrede in einem Buch nicht, weder „Du“ noch „Sie“. Für mich ist das Buch etwas Neutrales. Es soll etwas präsentieren, anbieten. Und nicht sich anbiedert.
    Beim Nachschlagen finde ich neutrale Formulierungen auch besser als „Du musst / sollst / kannst“. Da wäre mir sogar ein „man kann“ lieber.

  2. Ich finde es auch immer sehr schwierig ohne direkte Anrede Blogartikel zu schreiben, von daher finde die Entscheidung für das „Du“ gut. Auch die Trennung von SL- und Spielerteil erscheint mir sehr sinnvoll. Es zeigt dem Spieler auch, wo er aufhören kann zu lesen ohne etwas zu verpassen.

  3. Danke fürs Duzen!
    Ich finde das Siezen in Rollenspielbüchern doof. Ich glaube aber gar nicht mal, dass Du mit Deiner Einschätzung „dass die Zeiten, in denen man im Regelwerk mit “Sie, verehrter Leser” angesprochen werden möchte, vorbei“ seien, richtig liegst.

    • Kann sein, ist nur ein subjektives Gefühl, das vielleicht davon kommt, dass ich viel Material im englischen Original lese. Jedenfalls reißt es mich regelmäßig, wenn ich in einem Rollenspiel dem distanzierten „Sie“ begegne.

  4. Ich verwende am liebsten die „Ihr“-Anrede, stelle also die gesamte Spielrunde in den Fokus der Aufmerksamkeit. „Wenn euch diese Regel nicht zusagt, dann lasst sie einfach weg.“

    Das „Du“ kann natürlich trotzdem manchmal nicht ausbleiben, wenn der einzelne Spieler & -charakter angesprochen wird. Wenn Teile jedoch einen Gruppenkonsens erfordern, bin ich klar für den Plural.

  5. Ich habe nie wirklich darauf geachtet.
    Aber wenn ich so zurückdenke, muss ich zugeben, dass ich beim Lesen von Destiny Beginner eher so ein Gefühl von „Komm, ich nehm dich an die Hand und wir machen das jetzt Schritt für Schritt.“
    Da hat mir der Stil bei DD schon besser gefallen, weil er sachlicher war – vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass ich Rollenspielen mit D&D 3.5 angefangen habe (neutral und im Notfall Beispielcharaktere wie Krusk den Halb-Ork Barbaren zum Erklären von Regeln verwendet).

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