3 Faktoren für einen gelungenen Abend

Spielleiter zu sein, insbesondere in einer längeren Kampagne, bringt es mit sich, dass man mal besser, mal schlechter vorbereitet ist. Wir Spielleiter sind ja schließlich auch nur Menschen. Weder können wir von unserer Leidenschaft leben, noch wärmt sie unsere Betten desnachts, und je nach zeitlicher Auslastung gehen wir unterschiedlich gerüstet an unsere Aufgabe. Doch hängt es wirklich alleine vom SL ab, ob ein Rollenspielabend gelingt?

Früher dachte ich immer, dass alles mit der Vorbereitung des SL steht und fällt (wobei mir über die Jahre bewusst wurde, dass auch zu viel Vorbereitung schädlich ist). Aber diese Überlegung greift zu kurz, denn die Gleichung ist komplexer. Es braucht, denke ich, (mindestens) dreierlei:

  • eine gewisse Abenteuerqualität. Nicht Plots mit der Tiefe eines Tolstoi-Romans oder der Komplexität eines Agatha Christie Krimis sind gefragt, aber die Schwelle des Banalen, Vorhersehbaren, Durchschaubaren sollte überschritten sein.
  • eine gewisse Aufmerksamkeit und Spontanität des Spielleiters. Er muss kein Wunderwuzzi-Storyteller sein, aber grundsätzlich wachsam und vor allem in der Lage, Charaktere, Story und Spieltechnik wie Bälle beim Jonglieren in der Luft zu halten. Fällt nämlich einer zu Boden, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die anderen auch nicht mehr lange in der Luft bleiben.
  • Aktivität der Spieler. Wohl ist es gar nicht notwendig, dass die Spieler erstklassiges, proaktives, Sandbox-oides Gameplay hinlegen, aber auch hier gibt es eine 0-Linie, unterhalb derer passive Konsumhaltung dominiert, also „mehr empfangen als gegeben“ wird, wohingegen der Idealzustand jener ist, dass die Spieler das, was der SL ihnen bietet, aufgreifen, bereichern und zurückspielen.

Ich bitte auf den dritten Punkt zu achten: Der spricht nämlich etwas ganz Obskures an: die Mitverantwortung der Spieler für das Gelingen des Spielabends. Nicht des Abenteuerziels, des Spielabends. Wie oft  heißt es im Nachgang: „was für’n bescheuertes Abenteuer…“ Oder: „Der SL war aber heute echt mies drauf…“, aber selbstkritische Töne? Die sind deutlich seltener.

Aber angebracht. Rollenspiel ist ein Gruppenspiel und keine Ein-Mann-Show. Wenn Spieler ihren Part unterdurchschnittlich erfüllen, kann der SL das nur durch überdurchschnittlichen Einsatz ausgleichen. Den aber kann man nicht voraussetzen. Auf der anderen Seite sollte sich der SL nicht für alles verantwortlich fühlen, auch wenn das im einen oder anderen Fall durchaus dem Ego schmeicheln mag. (Ich nehme mich da beileibe nicht aus – Verantwortung abgeben ist wahrlich nicht einfach.)

Wie ist das bei euch? Könnt ihr der „Erfolgsformel“

Abenteuererfolg = Abenteuer-Qualität x SL-Kompetenz x Spieler-Aktivität

etwas abgewinnen? Und sind eure Spieler bzw. seid ihr als Spieler ausreichend selbstkritisch? Und (wie) kamt ihr zu einer „Kultur der gemeinsamen Verantwortung“?

Eine Lanze für die schwülstige Anrede

„Seid Ihr wirr im Kopf, mein Herr?“ So oder ähnlich klingt es in meinen Fantasy-Runden, wenn NSCs und SCs mit einander sprechen. Das geschwollene „Ihr“, „Euch“, „Euer“ ist mir nach fast 30 Jahren Rollenspielen zur zweiten Natur geworden. Aber es fällt nicht allen leicht.

Gerade in meinen jüngeren Runden tendieren einige zum weltlichen „Sie“ und „Ihnen“. Von der stilistischen Diskrepanz ganz abgesehen, finde ich letzteres – subjektiv – geradezu abscheulich. Damit klingt jeder Besuch am Markplatz wie ein Gespräch mit meinem Bankberater („Nehmen Sie sich ruhig Zeit. Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“) Und jedes investigative Abenteuer fühlt sich wie ein weitere Spinoff von CSI an: „Wo sind Sie letzte Nacht gewesen? Haben Sie einen Zeugen? Ist das Ihr Dolch?“ Brrr.

Über Geschmack lässt sich ja angeblich nicht streiten, aber ich sehe trotzdem einige Vorteile des schwülstigen „Ihr“, „Euch“, „Euer“:

  1. Es erzeugt einen stärkeren Respekt vor dem Gegenüber. Den erfordert natürlich nicht jede Situation, aber so generell beobachte ich im Rollenspiel immer wieder, dass die SCs dazu tendieren, die NSCs ohnehin nicht als gleichwertig zu betrachten. Eine etwas „steifere“ Anrede kann da zumindest ein wenig ausgleichend wirken.
  2. Im Dialogfluss ergibt sich eine blumigere Sprache. Es kommt zur Verwendung von Begriffen und Metaphern, die in unserer Alltagssprache selten geworden sind. Nun muss Fantasy-Rollenspiel wahrlich nicht zum schwülstigen Shakespeare-Drama werden, aber die mit einer etwas anderen Sprechart verbundene „Otherwordliness“ hilft doch ziemlich beim Eintauchen in die Spielwelt.
  3. Die Unterscheidung zwischen dem, was die Spieler sagen, und dem, was die Charaktere von sich geben, fällt deutlich leichter. (Obgleich ich ohnedies ein Fan davon bin, die Äußerungen der Spieler 1:1 auf die Charaktere zu übertragen, aber das ist eine andere Geschichte).

Letztlich frage ich mich, woher meine starke, fast schon emotionale Bindung an das „Ihr“ und „Euch“ eigentlich herrührt. Zweifellos gibt es Literatur, in der das anders gehandhabt wird, aber in den großen Repräsentanten des Genres – Nibelungensage, Ivanhoe, Excalibur, Die Braut des Prinzen, Der Hofnarr… – herrscht (iirc) konsequent das „Ihr“ und „Euch“ vor. Möglicherweise liegt es daran.

Solltet IHR also noch nicht das IHR verwenden, dann probiert es mal aus und lasst mich wissen, wie es sich für EUCH anfühlt. 🙂

Meta ist nicht Meta (am Beispiel FATE)

Wer von euch unsere Diskussion im Polyeder Podcast gehört hat, weiß, dass ich nach meinem Entrer in FATE etwas skeptisch war, zumal mir aus Spielersicht die Meta-Ebene in diesem Spiel – vorsichtig gesagt – dominant vorkam.

Als Spieler habe ich starke Züge eines Method Actor. Ich mag es, mich auf meine Rolle zu beschränken, aus ihr heraus zu handeln und unabhängig vom System zu agieren. Ich möchte mir keine Gedanken darüber machen, welche Boni ich hier und welche Mali ich dort erhalte. Ich möchte die Spielwelt durch die Augen meines Charakters betrachten, ganz mit ihm verschmelzen und auch so entscheiden, wie er es tun würde. Klarerweise verträgt sich ein Spiel mit starker Meta-Ebene nicht mit diesem Anspruch.

Jetzt hat Markus natürlich Recht, wenn er im Podcast zur Ehrenrettung von FATE argumentiert, dass auch andere Spiele eine Meta-Ebene haben, und das nicht zu knapp: Man denke nur an taktische Erwägungen im D&D-Kampf, an Magie in Ars Magica oder an die ständig präsente Sanity in Cthulhu. Das Seltsame ist, dass mich derartige Meta-Elemente offenbar weniger aus der Bahn werfen.

Warum ist das so? Nach vielem Nachdenken habe ich dazu eine – eigentlich recht simple – Theorie: Meta-Ebene ist nicht Meta-Ebene. Jedes Spiel hat eine Meta-Ebene (sonst wäre es kein Rollenspiel, sondern eine Psychose). Insofern kann das noch nicht das Problem sein. Gehen wir also ins Detail und unterscheiden wir aufs Geratewohl Meta-Ebenen, z.B.:

  • Meta-Ebene festgeschriebene Entwicklungen (auch „Meta-Plot“ genannt)
  • Meta-Ebene Spielerwissen – Heldenwissen (über andere SCs, Welt, Bildung…)
  • Meta-Ebene taktische Erwägungen (Attack of Opportunity, Flanken, Deckung…)
  • Meta-Ebene Individualpsychologie (Spotlight, Spielervorlieben…)
  • Meta-Ebene Gruppenstrategie (gemeinsames Ziel, Storyfortgang, Gruppenressourcen…)

Diese demonstrative Liste lässt den Schluss zu, dass es mehrere – sehr unterschiedliche – Meta-Ebenen gibt, auf die wir vermutlich (ich jedenfalls) unterschiedlich reagieren. Ich habe z.B. kein Problem, mein Spielerwissen zu unterdrücken. Ich kenne aber Spieler, die das einfach nicht schaffen. Umgekehrt kann ich wieder nicht aufhören, in dramatischen Dimensionen zu denken und die Story in Gedanken fortzuschreiben, auch wenn ich nicht SL bin.

Kurz und gut: Jede Meta-Ebene wirkt anders, und das auch noch bei jedem Spielertyp. Ich reagiere auf die letzte der oben genannten offenbar besonders sensibel. Und FATE schlägt genau dort hinein, mit seiner starken Verzahnung der Charaktere, mit seinem ausgeprägten Unterstützungssystem, mit seinem auf ein Gruppenziel ausgerichteten Ressourcensystem (Fate-Punkte) und den durchaus naheliegenden Erwägungen á la „Wenn ich jetzt diesen Fate-Punkt nehme, was könnte dann mit meinem Charakter passieren?!?“.

Ähnliches ist mir übrigens auch bei Fiasco widerfahren: Auch dort habe ich es nicht geschafft, in meinem Charakter zu bleiben, weil mir eine ähnlich gelagerte Meta-Ebene hineingefunkt hat. Jetzt ist aber Fiasco wenigstens eindeutig ein Story-Spiel, bei dem die Identifikation gar nicht auf Charakter-Ebene, sondern auf Story-Ebene erfolgen soll. Doch wie verhält es sich mit FATE? Ich erwartete ein Rollenspiel, das mich darin unterstützt, eine Rolle zu spielen. Das ist es aber nicht ganz. FATE ist mehr als das, es ist etwas Anderes. Ein Hybrid aus Story- und Rollenspiel vieleicht. Und ein verdammt gut gemachter noch dazu. Aber er funktioniert halt nicht bei jedem in derselben Weise.

Nicht missverstehen, ich habe eine äußerst hohe Meinung von FATE und sehe das oben beschriebene eher als „mein“ Problem und damit nur indirekt als solches von FATE. Es zeigt aber, dass man sich, wenn man ein Rollenspiel entwirft, sehr viele, durchaus wertvolle Gedanken über die Spielerpsychologie machen kann und die Prämisse „Meta ist Meta ist schlecht“ viel zu kurz greift.

Ich weiß, das war jetzt alles ziemlich meta. Ich verspreche, mein nächster Blogpost wird bodenständiger.

Neue Runde, erster Abend, schwere Geburt?

Was bin ich stolz, etwas für den Rollenspiel-Nachwuchs getan zu haben! Einer der Anfänger aus meiner Destiny Beginner-Runde hat sich nun verselbständigt und als SL eine eigene Anfänger-Runde gegründet. Juhuu! Zwar nicht mit Destiny Beginner, sondern mit Warhammer Fantasy Roleplaying, aber immerhin. 🙂

Nun fragte er mich, wie er denn den ersten Abend gestalten solle, um für alle ein möglichst schönes Spielerlebnis zu bewerkstelligen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, und herausgekommen ist ein Maßnahmen-Paket, das ich hier gerne mit euch teilen würde.

  1. Charaktererschaffung kurz halten. Meiner Meinung nach sind die Zeiten vorbei, in denen eine ganze Session darauf verwendet wurde, Charaktere zu erschaffen. Um Neulingen von Beginn an klar zu machen, dass Rollenspiel nicht langwierig sein muss, sollte die Charaktererschaffung kurz und schmerzlos erfolgen und genug Zeit für das erste Abenteuer lassen. Wie man das erreicht? Man wählt ein System, das eine schnelle Charakter-Generierung zulässt oder bereitet zumindest so viel wie möglich im Vorhinein vor. Keinesfalls sollten die Spieler erst seitenweise Rollenkonzepte lesen müssen, bevor sie sich entscheiden.
  2. Erstes Abenteuer in der ersten Session. Ein kleines, aber knackiges Abenteuer sollte die Spieler schon am ersten Abend in die Spielwelt ziehen. Etwas wie „Ihr habt jetzt eure Charaktere erschaffen (*schweiß von der Stirn wisch*) und nächstes Mal spielen wir dann.“ ist zum Abgewöhnen. Also besser ein kleines Szenario entwerfen und auf die Spieler los lassen, damit sie gleich in Aktion treten können.
  3. Einfache Abenteuergestaltung. Ja, generell plädiere ich für Komplexität, Spielerfreiräume etc., aber im ersten Abenteuer sollte vor allem die Post abgehen. Und wenn dafür nur noch 2,5 Stunden Zeit bleiben und nicht mal alle die Regeln kennen, dann ruft das eben nach einem stringenten Plot. Keine Detektivabenteuer, keine ausufernden Intrigen, sondern klare Zielvorgabe, 2-3 größere Hindernisse und ein spannender Finalkampf. Mehr braucht es nicht, um neue Spieler in den Bann zu ziehen.
  4. Flexibilität. Außerdem: Um so simpler der Plot, desto leichter ist es für den SL, auf Spieleraktionen einzugehen, und das ist bei einer Anfänger-Runde enorm wichtig. Kein Railroading und niemals die Intuition von Anfängern unterschätzen! Die haben sicher schon Bücher gelesen und Drakensang gespielt. Eines haben sie aber in der Regel noch nicht erlebt: Dass eine Geschichte sich tatsächlich durch ihre Aktionen maßgeblich ändert. Ergo ist es im ersten Abenteuer ein besonderes Gebot, auf die Spieleraktionen einzugehen und flexibel mit dem Abenteuer umzugehen. Das ist ein, wenn nicht der USP des Pen&Paper-Rollenspiels!
  5. Entgegenkommen. Beim Lösen konkreter Situationen wecken Sätze wie „Das geht nicht“ oder „Das kannst du nicht“ aus dem Mund des SL unangenehme Erinnerungen an die Schulzeit und sollten außen vor bleiben. Vielmehr sollte er die Vorschläge der Spieler so aufgreifen und wenden, dass sie das Geschehen voranbringen oder zumindest interessante Situationen aufwerfen.

Das waren auch schon meine persönlichen Top Five zu diesem Thema. Es gibt natürlich noch 38 weitere Punkte, aber mal ehrlich: Der durchschnittliche Spielleiter – und dazu zähle ich mich auch – ist schon mit diesen wenigen Leitlinien ausreichend gefordert.

Wie steht es mit euch? Was wäre für euch das höchste Gebot für den ersten Abend einer Erstlings-Runde?

Abstrakt ist langweilig

Der Hochsommer bzw. das Sommerhoch hat mich fest in seinem Griff, aber nicht so fest, dass ich nicht zwischenzeitlich schon wieder Ideen für neue Projekte entwickelt hätte. Eine davon hat mich dazu inspiriert, über abstrakte Ansätze im Kampf nachzudenken, mit der Absicht, das Erzählerische zu fördern und mehr Abwechslung in das übliche Attacke-Parade-Schaden-Schema zu bringen.

Kurioserweise habe ich beim Durchdenken einiger solcher Ansätze festgestellt, dass mit zunehmendem Abstraktionsgrad der Anreiz für inspirierende Aktionen sinkt. Dazu ein Beispiel: Nehmen wir an, 3 SCs kämpfen gegen 1 Oger und 3 um diesen herumschawenzelnde Goblins. Da wäre es doch ziemlich cool, wenn ein SC sagen würde und könnte: „Nachdem ich Goblin 1 mit meiner Axt die Hand abgeschlagen habe, reiße ich seinen stinkenden Leib an mich, nehme ihn in den Würgegriff und verwende ihn gegenüber den Attacken des Ogers als Schutzschild.“

Das sind so Aktionen, die ich üblicherweise im Rollenspiel vermisse, weil sie meistens so kompliziert oder so schwierig sind, dass man lieber gleich drauf verzichtet und den Goblin einfach abmaxelt („ja, also das ist ein Manöver zweiten Grades ,gefolgt von einer waffenlosen Attacke, da hat der Goblin aber noch einen Rettungswurf xy“…). Stark simulationistische Systeme fördern diese Art von kreativem Erzählfluss im Kampf also üblicherweise nicht.

Meine Annahme war, dass ein abstrakter Ansatz nun den gegenteiligen Effekt haben würde, also habe ich mir kurz ein System überlegt, nach dem Gruppen von Kämpfern gegen einander würfeln und so Art „Überlegenheitspunkte“ aufbauen, die sie dann erzählerisch nutzen können, z.B. um Schaden zu verursachen oder eben den Goblin als Schutzschild zu verwenden. Und nun die große Überraschung: Das ließe sich zwar spieltechnisch umsetzen, aber warum sollte der Spieler sich die Mühe machen, das so kreativ in Szene zu setzen?

Worauf ich hinaus möchte ist: Taktik macht erfinderisch. Hohe Abstraktion macht Taktik entbehrlich. Wenn es keinen Rüstschutz gibt und keine Verteidigung, sondern nur einen Vergleichswurf, warum sollte ich dann auf die Idee kommen, einen Goblin als Schutzschild zu verwenden?

Ich vermute daher, dass die Kreativität im Kampf bei ganz geringer Abstraktion = starkem Simulationismus ebenfalls gering ist (weil das Spiel sie einfach nicht zulässt), danach ansteigt und ab einem gewissen Punkt wieder abnimmt. Bei sehr hoher Abstraktion ist sie nämlich wiederum gering, einfach weil der Anreiz fehlt.

Abstrakt ist also nicht gleich erzählerisch. Abstrakt ist sogar, im schlimmsten Fall, langweilig.

Disclaimer: Alle Kreaturenbezeichnungen (insbesondere Goblins) sind rein zufällig und nicht gedacht, irgendeine Spezies zu diskriminieren. Sie sind außerdem geschlechtsneutral zu lesen („Ogrin“, „Goblinin“).

MR#19 Der W20 als Wurfgeschoß…

Den letzten Artikel meiner Meta-Rollenspiel-Serie möchte ich dem Thema Konflikte im Rollenspiel widmen. Ich hatte das Thema ja bereits im Themenspeicher, und ein aktueller Thread im Tanelorn hat mich nun noch zusätzlich inspiriert, meine Gedanken dazu zu ordnen und in 3 Thesen zum Besten zu geben.

1. Gemeinsames Rollenspiel ist ein Reibungspunkt. Es beginnt damit, dass es für die meisten Gruppen/Kampagnen wichtig ist, dass alle anwesend sind. Die Folge: lästiges Terminkoordinieren zwischen 5-6 Spielern ist keine seltene Herausforderung. Dann auch noch der ungleiche Vorbereitungsaufwand zwischen Spielern und Spielleiter: Wenn einer leiten will, der andere nicht, der eine sich das aber erwartet usw. Und da bin ich noch gar nicht beim eigentlichen Rollenspiel, wo man dann „in character“ auch noch Meinungsverschiedenheiten ausspielen und lösen muss (Elfen vs. Zwerge, Diebe vs. Priester…) oder seine liebe Not mit dem Spielstil des SL hat, der ja doch prägend für das Gesamterlebnis ist und wo man weniger bereit ist, Kompromisse zu schließen als wenn einem nur das Nasenbohren des linken Nachbarn auf den Wecker fällt.

2. Gemeinsames Rollenspiel ist ein Katalysator. Vielleicht ist das nur eine Konsequenz aus 1., aber ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass Rollenspiel gute wie schlechte Beziehungen im Positiven bzw. im Negativen verstärkt. Ein Grund dafür könnte sein, dass es leicht fällt, sich im Rollenspiel „hinter dem Charakter zu verstecken“ und da z.B. Konflikte vom Zaun zu brechen, für die es auf normaler Ebene keine konkrete Zündung, sehr wohl aber einiges an Sprengstoff gäbe. Ein anderer Grund könnte sein, dass die meisten Rollenspieler dieses Hobby überaus hoch wertschätzen und da besonders sensibel auf Diskrepanzen reagieren.

3. Rollenspiel ist oft gar nicht der Punkt. Aber das Spiel bietet selbst auch Vorwand für Kritik – und die hat oft nur vordergründig mit dem Rollenspiel zu tun. So kann ich den SL wegen seines Spielleitungs-Stils kritisieren, obwohl mich in Wahrheit seine rechthaberische Art immer schon gestört hat. Oder ich ärgere mich über das „schlechte, unmotivierte Rollenspiel“ eines anderen Spielers, beziehe mich damit aber in Wahrheit auf seine Art, Dinge einfach nicht ernst genug zu nehmen. Oder ich streite über das XP-Vergabesystem, ärgere mich in Wahrheit aber darüber, dass der Spielleiter mit dem Mitspieler rechts von mir besser befreundet ist und ihn bevorzugt. Kurz gesagt: Ich könnte mir vorstellen, dass oft über das Rollenspiel geredet und gestritten wird, in Wahrheit aber tiefer liegende Belange gemeint sind.

Spezifische Lösungsansätze gibt es ohnehin keine. Es gibt nur dieselben Regeln, die auch abseits des Rollenspiels für Konfliktbewältigung gelten: Missstände offen ansprechen, Kritik wertschätzend äußern, Ich-Botschaften, Grenzen setzen etc. Ich beende die Aufzählung, immerhin wollen die Autorenkollegen aus dem Bereich Ratgeber-Bücher ja auch noch ihr Geld verdienen.

Ist das nun alles ein Grund, sich zu überlegen, ob man sich so ein menschelndes Hobby überhaupt antun sollte? Ich sehe gerade darin den Mehrwert! Wer die Gelegenheit nutzt, kann beim Rollenspiel vieles über Menschen lernen, auch und vor allem über sich selbst. Was für ein großartiges Bonusmaterial!

Gemeinsames Rollenspiel ist ein Reibungspunkt

MR#18 Per aspera ad astra oder: Bitte, hau mich in die Pfanne!

Ich möchte heute über Härte oder sagen wir: Schwierigkeit schreiben und dazu anregen nachzudenken, ob und wie wichtig es im Rollenspiel ist, mit echten Herausforderungen zu arbeiten.

Ich selbst habe bei einem relativ harten Spielleiter „gelernt“, dessen NSCs immer alles wussten und alles konnten und dessen Abenteuer keine strategischen Fehlentscheidungen verziehen. Bei ihm trampelten die 1000 Oger beinhart Wehrheim nieder, und Gefangenschaft war kein seltener Epilog. Kurz gesagt, ich bin’s gewohnt, im Rollenspiel gefordert zu sein. Es gefiel mir damals, und es gefällt mir auch heute noch (sofern es fair abläuft). Ich möchte mir meine XP immer noch sauer verdienen und mit der Befriedigung nach Hause gehen, einmal mehr etwas vollbracht zu haben.

So dahin zu spielen und den SL dabei zu beobachten, wie ihm der Schweiß auf der Stirn steht und er allmählich beginnt, hinter dem Paravent zu würfeln, damit die Spieler auch ja den Encounter überleben – ein Albtraum. Spielleiter, die jeden Mist, den ich als Spieler von mir gebe, mit „Hm, könnte funktionieren…“ quittieren – ein Albtraum. Verdammt, ein Spielleiter muss doch auch mal nein sagen können! Ich glaube, ich fände es belebend, mal wieder ordentlich einzufahren, um mich nachher aus der **** ziehen zu müssen.

Leider war mir das lange Zeit nicht vergönnt, weil in meiner Runde lauter nette Menschen spielten, die keiner Fliege was zuleide taten. In meiner Beginner-Runde allerdings, da spürte ich letztens wieder diesen Nimbus der Bestimmtheit und des gefordert-Seins. Obwohl der SL zum ersten Mal leitete, wusste er genau, was vor sich geht und wo er uns Spieler haben wollte. Und als wir den abgerichteten Säbelzahntiger neben dem bösen Magier erspähten, da fielen mir beinahe die Chips aus dem Mund, denn ich wusste, wenn wir jetzt einen Blödsinn machen, bricht uns das Vieh das Genick…

So wünsche ich mir das. Bin ich damit eigentlich in der Minderheit?

MR#17 Keine Lust auf Gummi

Beim Thema Instrumente und Methoden der Spielleitung muss ich zwangsläufig an einen Mechanismus denken, der momentan relativ „modern“ ist, obwohl es ihn ja eigentlich schon seit den Force Points (oder sogar länger) gibt. Die Rede ist von Gummipunkten a.k.a. Bennies, Style-Points, Dramapunkte o.ä. Gummipunkte kommen in vielen Arten und Formen, aber die Grundform ist aus Gummi weil:

  1. ihre Vergabekriterien höchst subjektiv sind. Sie werden für „coole Aktionen“, für „heroisches Rollenspiel“ und ähnliche weiche Begriffe vergeben und
  2. ihre Einsatzmöglichkeiten sehr offen gestaltet sind. So können sie – je nach System – mehr oder minder jederzeit eingesetzt werden, z.B. um eine Probe auszubessern, sich eine solche zu ersparen oder einen Patzer abzuwenden oder das Geschehen sonstwie in Richtung der SCs positiv ausschlagen lassen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Gummipunkte nur ein erzählerisches oder auch ein spielerisches Instrument sind. Sie fördern den Erzählfluss, das Drama und die Risikobereitschaft der Spieler, auf der anderen Seite sind sie ein klassischer Joker, der Launen des Würfels (das Scheitern des SC beim final blow o.ä.) abfedert oder abfängt.

Ich persönlich bin kein großer Fan von Gummipunkten. Sie verursachen mir zwar keine körperlichen Schmerzen, aber ich bin im Grunde meiner Seele ein Old-School-Spieler, der den Spieltechnik-induzierten Nervenkitzel braucht. Genau der wird aber durch Gummipunkte aufgeweicht, wenn man sich mit genügend solchen vor keiner verhauten Probe, vor keinem Patzer mehr fürchten muss.

Was mich aber besonders misstrauisch macht, ist, wenn Gummipunkte als Belohnungssystem verwendet werden. Für coole Aktionen, für gutes Rollenspiel, für Proviantbeschaffung u.v.a. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das so cool finde. Die Zeiten, in denen Spielerleistungen mit XP belohnt wurden, sind mittlerweile vorbei; es hat sich – meiner Beobachtung nach – durchgesetzt, dass weniger die Spieler, sondern eher die Charaktere mit XP belohnt werden. Und trotzdem scheint diese überkommene Art der Spieler-Bewertung in neuem Gewand – in Form von Bennies & Co – wieder über uns zu kommen. Übertriebene Befürchtung oder gerechtfertigtes Misstrauen?

MR#16 Was macht dich zu einem guten Spielleiter?

Oh weh, wieder einer von diesen Artikeln über das bessere Spielleiten? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Anstatt alle möglichen Aspekte des Spielleitens durchzuwalzen und am Ende zum Ergebnis zu kommen, dass fast alles eine Frage des persönlichen Stils ist, nehme ich gleich die Abkürzung zum Subjektiven und stelle die Frage: Welche 3 Eigenschaften/Methoden machen dich zu einem guten Spielleiter?

Ich schreite gerne voran und teile mit euch jene drei Punkte, von denen ich meine, dass sie meine Stärken als Spielleiter wiedergeben. Anschließend würde ich mich freuen, wenn auch ihr eure 3 bedeutendsten Vorzüge im Kommentar posten würdet.

  • Ich plane und bereite mich vor. Ich bin nicht besonders gut darin, mir einen Plot während des Spiels auszudenken. Details? Ja. Komplikationen? Ja. Einen ganzen Plot samt NSCs? Nein. Ich nehme mir daher im Vorfeld die Zeit, zumindest einen A4-Zettel mit NSCs, Szenen, Örtlichkeiten und einem groben Verlauf zu befüllen. Ich sehe es irgendwie als meine Pflicht, mit der Spielzeit verantwortungsvoll umzugehen, und dazu gehört in meinem Fall, gut vorbereitet zu sein, auch wenn es Arbeit ist.
  • Zuckerbrot und Peitsche. Das optimale Mischungsverhältnis zwischen „hart“ und „zart“ ist bei jeder Runde ein anderes, aber die Fähigkeit zu dosieren ist hilfreich. Was meine ich: Einerseits komme ich als „Zuckerbäcker“ den Spielern entgegen, greife ihre Ideen auf, gebe ihnen Gestaltungsspielraum. Auf der anderen Seite trete ich als „Peitschenschwinger“ für den Abenteuerplan ein, bewahre den Schwierigkeitsgrad, verteidige meine genialen NSCs. Als Zuckerbäcker agiere ich mit den Spielern und ignoriere auch die eine oder andere Lücke in der Spielerlogik. Der Peitschenschwinger wiederum verzeiht keine Fehler, sondern nutzt sie auch noch zur Steigerung des Dramas aus. Er steigt aufs Gas, erhöht den Schwierigkeitsgrad und bringt die Spieler ins Schwitzen – damit sie sich am Ende rühmen können, ihren Erfolg verdient zu haben.
  • Ich lebe mit. Manchmal fast schon zu viel, denn ich bin der Typ, der bei „E.T.“ ein Taschentuch braucht. Auch wenn Sentimentalitäten im Rollenspiel eher selten durchbrechen, so gibt es bei mir immer einen emotionalen Funken, den ich versuche überspringen zu lassen. Wenn man selbst begeistert ist – vom Setting, vom Abenteuer, von den NSCs – dann fällt es leichter, auch andere zu begeistern. Man beginnt wie von selbst, „Magie“ zu vermitteln. Wäre ich ein SL, der keine Begeisterung über den Tisch brächte, könnte ich wohl bestenfalls „solide“ leiten.

Nach dieser Selbstkundgabe hoffe ich, von euch zu erfahren, was euch zu guten Spielleitern macht. Wer von euch selbst nicht leitet, sondern spielt, kann gerne 3 Wünsche posten, wie der ideale Spielleiter für ihn/sie auszusehen hat.

MR#15 Herausfordernde Elemente

Unlängst äußerte ein Freund, der auch schon sehr lange spielt, dass er im Rollenspiel schon alles gesehen habe und nur noch Abwandlungen des bereits Erlebten erwarten dürfe. Diese Äußerung möchte ich hiermit aufgreifen, um gemeinsam mit euch darüber zu reflektieren, ob da was dran ist, ob es etwa gewisse typische Elemente gibt, die tatsächlich – wenn auch in abgewandelter Form – immer wiederkehren.

Da ich Szenen-bezogen denke, habe ich beim Schreiben von Abenteuern ja auch die Angewohnheit, mir für jede Szene einen Schwerpunkt zu überlegen. Wenn ich nun in mich gehe (nicht zu tief, sonst tut’s weh), dann finde ich heraus, dass es tatsächlich so etwas wie einen „Numerus Clausus an Herausforderungen“ gibt, aus denen sich Abenteuer zusammensetzen – zumindest, wenn man bei den Spielern ansetzt:

  • Kampf: Hier gilt es, mit einer Mischung aus Taktik und Würfelglück, einen oder mehrere Gegner zu besiegen.
  • Interaktion: dient dazu, NSCs zu einem Handeln oder Unterlassen zu bewegen. Mittel der Wahl ist geschicktes Rollenspiel, Verwenden von Argumenten und Einsatz von Charakterwissen.
  • Rollenspiel ieS: Diese Szenen dienen dazu, den Spielern Gelegenheit, Zeit und Kulisse für die Darstellung ihrer Charaktere zu geben. Gemeint ist bitteschön nicht die berühmte Taverne, sondern interessante, „reibungsvolle“ Situationen.
  • Rätsel: Die Spieler lösen quasi für ihre Charaktere eine logische, assoziative oder sonstwie gestaltete Denkaufgabe.
  • Taktik: Die Spieler tüfteln den besten, schnellsten oder sonstwie effizientesten Weg zur Erreichung eines konkreten Zieles aus. Das kann von einer harmlosen Routenplanung bis hin zum Infiltrieren einer gegnerischen Anlage gehen.
  • Erkunden: Die Spieler ersinnen und beschreiben ein Procedere, wie ihre Charaktere Informationen über bestimmte Örtlichkeiten/Personen erlangen. Gefordert sind taktisches Vorgehen und Improvisieren, oftmals gepaart mit Proben (Spurensuche, Scouten, Beschatten…).
  • Dilemma: Die Spieler müssen für ihre Charaktere eine schwierige, u.U. moralisch verzwickte Entscheidung treffen.

Habe ich etwas vergessen, oder war’s das tatsächlich schon? Lassen sich wirklich alle möglichen Herausforderungen im Rollenspiel auf diese wenigen Typen von Herausforderungen herunterbrechen??