Wie tabu ist der SC für den SL

Für mich war immer eine ungeschriebene Regel im Rollenspiel, dass das Gebaren eines Spielercharakters für den SL tabu ist, sprich: Ein SL sollte nicht diktieren, wie sich ein SC fühlt, was er tut, schon gar nicht, was er sagt. Typisches Beispiel für ein solches Eingreifen ist der misslungene Moralwurf, bei dem der SL wohl versucht ist, aber nicht bestimmen sollte, ob ein SC schreiend das Weite sucht oder sich ängstlich zusammen kauert.

Unlängst ist mir bewusst geworden, dass diese allgemein recht hoch gehaltene Integrität ohnehin schon ziemlich ausgehöhlt ist. Mir z.B. passiert es ständig, dass der SL in meine „Spielersphäre“ eingreift. So würfle ich z.B. nach einem durchaus vielversprechend rollengespielten Gespräch auf Charisma, verhaue die Probe, und der SL erfindet, dass ich irgendwie nicht den rechten Ton treffe. Arrg. Oder ich weiß als Spieler genau, dass sich hinter dem Vorhang jemand versteckt, aber ich darf nicht danach handeln, weil mein SC seine Wahrnehmungsprobe versemmelt hat. Arrg. Oder ich springe auf ein Pferd, um einem Gegner nachzujagen, und mein SC bringt sich halb um bei dem Versuch, in den Sattel zu steigen, weil ich die Reiten-Probe nicht schaffe. Arrg.

All diese Dinge sind für mich „charakter-verfremdend“ oder „-entfremdend“. Sie hindern mich daran, mich mit meinem Charakter zu identifizieren, zumindest ein Stück weit. Ich habe mir daher fest vorgenommen, als SL in Zukunft bewusster auf diese Kleinigkeiten zu achten und auch in eher simulationistischen Systemen möglichst wenig in die Spielersphäre einzugreifen. In obigen Beispielen z.B. würde ich vielleicht auf die Probe verzichten oder, im Falle des Reitens, eher das Pferd bocken lassen als dem SC abzusprechen, behende in den Sattel zu springen. Nach dem Motto: Das Pferd gehört dem SL, der SC aber dem Spieler.

16 Gedanken zu “Wie tabu ist der SC für den SL

  1. Richtig. Deswegen haben Mutproben und Patzerregeln in heldenhaften Rollenspielen auch nichts verloren. Bei AD&D gibt es zwar Moralwürfe, aber eben nur für NSCs und Monster!
    In atmosphärischen Spielen, z.B. Horror, spricht aber nichts dagegen, dass der SC situationsbedingt unter die Kontrolle des SL gerät (Panikattacke, Wahnsinn, demonische Besessenheit…).

  2. Beschreibungen durch den SL: Ich habe mir vorgenommen, besonders bei düsteren Beschreibungen darauf zu achten, nicht mehr Dinge zu sagen wie „Die verwirrenden Muster lösen ein ungutes Gefühl in Euch aus“, sondern „…wirken zutiefst beunruhigend“.
    Das ist zwar nur eine Feinheit, lässt aber dem einzelnen Spieler mehr Freiheit bei der Auslegung der Reaktion seines Charakters.

  3. Des Pudels Kern scheint mir eher darin zu liegen, dass Du den Erfolg einer Handlung mit einer zum SC passenden Handlung gleichsetzt. Natürlich muss ein Spielleiter in der Lage sein, negative Aspekte Deinem Charakter aufzudrücken, wenn es das Regelwerk – zum Beispiel bei einem Verpatzten Moralwurf – vorsieht. Auch ein »Held« kann einmal etwas verpatzen. Das liegt in der Natur der Dinge und sorgt u. a. für eine gewisse Spannung in einer Geschichte und eben auch beim Rollenspiel.
    Dies nun als Verletzung der Handlungsfreiheit des Spielers zu werten, halte ich für zu weit gegriffen. Deine Souverenität als Spieler ist m. E. erst dann gefährdet, wenn der SL eine Handlung ausführt, die gar nicht zum Charakter passen würde. Alles andere ist einfach nur Pech.

  4. Ich seh’s wie MSch. Es verträgt sich schlecht erst Fakten im Spiel etablieren und dann deren Wirksamkeit zu beproben. Besser ist es erst zu gucken, wie es ausgeht, und dann die Interpretation nachzuschieben.

    • Ist vermutlich eine Frage der Rollenspiel-Sozialisation, bei uns wird nämlich tendenziell zuerst beschrieben, was der SC macht, und dann „übersetzt“ der SL das in Regeln bzw. Proben. Wahrscheinlich ist da auch der Hintergedanke, sich durch den Modus der Handlung vielleicht doch die Probe ersparen oder erleichtern zu können.

  5. Ich seh da überhaupt keine Probleme. Vermutlich weil ich gerne Spiele, wo viel weiter und massiver von dritten in die Protagonisten eingegriffen wird.

    Die Frage ist eben nicht, was sollte, sondern was in den Regeln steht. Da kann man nun aber alles reinschreiben, inklusive Sachen über anzuzündende Kerzen.

    • Schön, dich auch hier zu sehen, 1of3! Welche Spiele sind das denn, in denen dir das passiert? Ich könnte mir vorstellen, dass der SL-Eingriff bei z.B. Cthulhu wesentlich stärker ist als bei Fantasy. Hätte also vermutet, dass es eine Genre-Sache ist (so wie ghoul es oben angedeutet hat) und weniger eine „Steht in den Regeln“-Sache.

  6. Ich finde das ist ein schmaler Grat. Ich hatte schon sehr gute (und oft erheiternde) Erlebnisse damit, dass der SL bei einer verpatzten Probe kurz die Kontrolle übernimmt. Andererseits kenne ich das frustrierende Gefühl, wenn man bei irgendwas worin der Charakter gut ist gerade zu wenig würfelt und er (zum Spott der Mitspieler) nichts hinbekommt.

    Prinzipiell bin ich allerdings auch der Meinung dass der SL die Finger von den Handlungen der SCs lassen sollte. Sonst komm ich mir doch arg in eine Zuschauerrolle gedrängt vor.

    Und zum „erst würfeln“: Ich finde es wesentlich stimmungsvoller wenn erst beschrieben wird, was der Charakter versucht, und dann im Zweifelsfall entsprechend gewürfelt. Einfach „ich teste Persuasion“ ist halt nicht so atmosphärisch …

  7. Ich bin ja der Ansicht, dass die Spieler ihren Misserfolg selbst erzählen sollen. Bei mir geht das also so: Ziel ansagen, würfeln, erzählen (des Spielers) ob und wie es gelingt. Dann kann er eben deshalb versagen, weil das Pferd scheut, nicht weil er nicht springen kann – insgesamt bleibt der PC mehr „seiner“.

    Man darf aber nicht vergessen, dass Patzerregeln auch eine gewisse Häme enthalten, die vielen Leuten Spaß macht.

    • Das haben wir mal bei einem Oneshot mit Superingelskaelen (oder so ähnlich) gehabt, da hat es sehr gut funktioniert. Bin allerdings nicht überzeugt ob das für alle Systeme gilt, es nimmt dem Meister evtl. schon einiges aus der Hand.

  8. Ich bevorzuge es wenn der Spieler selbst beschreibt, das sein Wurf daneben ging, sieht er ja und kann seine Aktion auch entsprechend beschreiben und so seinem Charakter auch nur das widerfahren lassen was er für angemessen hält. Wenn ein Spieler aber permanent darauf wartet das ich als SL diese Aufgabe übernehme, nun dann bin ich halt Kreativ und sicherlich passiert es, gelegentlich, auch mal das ich dann ne Aktion oder Reaktion vorweg nehme.

  9. Pingback: Wer steuert den Spielercharakter? « Rollenspiel-Blog

  10. Servus…

    Zum 1. Autorenbeispiel:

    was soll der SL denn machen, wenn der Char den Test nicht schafft? Er könnte auch so tun als wäre nichts gewesen. Aber würde das nicht dämlich rüberkommen? Ich meine zu sagen, dass der Char den Ton nicht trifft, ist doch völlig ok. Wenn man jetzt sagt, aber das Rollenspielerische sollte über dem Würfeln stehen, dann muss entweder die Regeln ändern oder z.B. ein Spiel spielen wo das per se so ist.

    Zum 2. Autorenbeispiel:

    Spielerwissen ist nicht Char-Wissen! Das ist nun mal so in einem Rollenspiel Da gibt’s nix zu meckern und zu meinen Spielern bin ich da auch hart in dem Punkt…

    Zum 3. Autorenbeispiel:

    Wieder das Gleiche… Entweder man hat sich darauf geeinigt, dass Würfel in einem festgelegten Handlungsrahmen die Konsequenzen diktieren, oder man hat es nicht! Wenn man sich darauf geeinigt hat, dann muss man damit leben, dass die Konsequenzen erzählerisch vom SL beschrieben werden. Was soll der SL denn sagen? „Das Pferd ist heute unruhig, deswegen reitest Du nicht so gut“? Das Pferd hat die Probe ja nicht verhauen, oder? „Hm die Wiedersacher sind heute aber besonders schnell und entkommen Dir“? Wäre ja nett, nur entspräche das dann nicht den Tatsachen, dass Du den Test verpatzt hast und die Gegner nicht…

    Tut mir leid, aber das sind Dinge die ich so nicht nachvollziehen kann… es gilt doch eigentlich in solchen Fällen die unausgesprochene Regel des Abenteuerrollenspiels: sobald die Spielfigur mit ihrer Umwelt interagiert (und der Ausgang dieser Interaktion von direkter (und vor Allem wichtiger) Konsequenz für den Plot und/oder das Überleben der Spielfigur ist, etc.) entscheidet ein von allen am Spieltisch akzeptierter Mechanismus zur Konfliktlösung (ausgeführt durch den Spieler der Spielfigur), dessen Ausgang an von allen am Spieltisch akzeptierten Regeln gemessen wird und dessen erzählerische Interpretation dem Spielleiter obliegt.
    Oder weniger verklausuliert: wenn Dein Held etwas wichtiges machen will musst Du darauf würfeln! Und wenn Du es verpatzt, sagt Dir der SL was Sache ist.
    Im Erzählrollenspiel ist das dann wieder ein bisschen was anderes…

    Aber,… natürlich sollte der SL es den Spielern überlassen die Gefühlswelt und das seelische Innenleben ihrer Charaktere selbst zu bestimmen, darauf kann aber auch nicht gewürfelt werden… 😉 bzw. sollte nicht.
    Versteht mich bitte nicht falsch, es muss nicht ständig auf alles gewürfelt werden, aber eben dann wenn’s wichtig ist. Bzw. so wie eben die Regeln und Gepflogenheiten der jeweiligen Gruppe sind.

    Auf bald!

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