Goldfall – Kapitel 02: Aufbruch

Morgengrauen. Leartos Schrei weckte auch diejenigen, die bis dahin tief und fest geschlafen hatten. Wie ein tobendes Mammut durchwühlte er seine Sachen und auch gleich die der Leute, die neben ihm lagen, doch das Gold – sein Gold! – war und blieb verschwunden.

„Verdammtes Gesindel!“, fluchte er, wischte sich die blonden Strähnen aus dem Gesicht und keuchte vor Aufregung, bis ihm auffiel, dass auch sein Reisegefährte fehlte. „Struggel!“, rief er. „Struggel! Wo seid Ihr?“

Ihn würde doch gewiss keiner gestohlen haben.

Learto riss seine Sachen an sich und schritt zorngeladen aus der Wegestation. Von der Türe aus sah er seinen kleinen Begleiter am Gatter eines Schweinegeheges, wo er munter mit den Tieren redete. Als er seinen Namen rief, wandte sich Struggel um. Wie immer, war seinem Gesicht nicht zu entnehmen, was er gerade dachte oder fühlte.

„Könnt Ihr Euch das vorstellen,“ rief Learto schon von weitem, „ich bin bestohlen worden! Sagte ich Euch nicht, dass uns in dieser Wegestation nichts Gutes erwarten würde? Es ist zum aus der Haut fahren! Wie kann nur jemand das heilige Gastrecht so mit Füßen treten! Wenn ich denjenigen erwische, dann, dann….“

Struggel, der Trosh, stand nur da und blinzelte unbeteiligt mit seinen Glubschaugen. Dann umfasste er die Riemen einer kleinen ledernen Plane, in der er sein Zeug herumzuschleppen pflegte. „Auch Euch einen schönen guten Morgen, Meister Schmied! Ich sehe, Ihr könnt es gar nicht erwarten, weiterzuziehen!“

„Das könnt Ihr laut sagen.“ Er drehte sich zur Wegestation und rief: „Miese Spelunke!“

Dann erst kam ihm zu Bewusstsein, dass er ohne Geld wohl nicht weiterreisen können würde. „Oh nein!“, rief er, förderte drei, vier Kupfermünzen aus seinen Beinlingen hervor und stampfte ärgerlich mit den Füßen auf. „Das darf doch wohl nicht wahr sein! Mit den paar Cupath komme ich nicht mal bis zur nächsten Zollstation, geschweige denn, auch nur einen Schritt weiter! So ein Mist!“

„Heißt das, wir ziehen nicht in die Königsstadt?“

Learto blickte verkrampft auf den kleinen Weiler.

„Sieht fast so aus. Ich werde mir hier wohl eine Esse suchen und etwas Geld verdienen müssen. In einigen Wochen sollte ich dann genug beisammen haben, um Euch nachzureisen.“

„Aber nicht doch! Ich werde für Euch aufkommen!“, bot Struggel freundlich lächelnd an, doch Learto lehnte ebenso freundlich lächelnd ab: „Habt Dank, aber Ihr solltet mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich kein unverdientes Geld annehme. Der Herr Payaon gibt’s, der Herr Payaon nimmt’s. Wenn ich hier für den nächsten Mond festsitze, dann soll es wohl so sein.“

Learto blickte resigniert auf die Leute, die aus der Wegestation strömten und sich – anders als er – auf den Weg machten. Es waren Alte, Junge, Frauen, Männer, Arme und Reiche…

„Moment mal…“

Struggel hatte offenbar gerade dasselbe gedacht. Zeitgleich fragten sie sich, wie sich diese Leute die Weiterreise leisten konnten. Dann erkannte Learto, dass sie alle die Farbe Orange am Körper trugen – manche mit Tüchern, andere in ihren Kleidern, in Bändern oder auf bemalten Anhängern.

„Das ist es!“, rief Learto. „Es sind Pilger!“

„Ja, und?“

„Nach altem Brauch brauchen Pilger keine Zölle zu zahlen!“

Leartos schlechte Laune war wie weggeblasen. Er schulterte seinen Sack.

„Auf geht’s, Struggel!“

Dies war eines der 20 Kapitel der Fantasy-Geschichte Goldfall, die im Rahmen dieses Blogs veröffentlicht wird. Lies morgen im nächsten Blogpost, wie die Geschichte weitergeht!

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