Meine ganz spezielle Relativitätstheorie

Wenn ich mich so in Sachen Rollenspiel durch Foren und Blogs lese, stoße ich immer wieder auf Beiträge, wie Abenteuer auszusehen haben, wie man richtig spielleitet, was ein Rollenspiel alles tun darf und was es nicht tun darf, was einen guten Rollenspieler ausmacht usw. usf. Besonders in Foren werden Werte, Techniken und Philosophien enthusiastisch hochgejubelt oder gnadenlos niedergemacht. Brandgefährlich sind:

  • Railroading. Gaaanz schlecht, hört man da. Pfui. Spielleiter, die ihre Spieler gängeln, nur um ihren Plot an den Mann zu bringen. Geht ja gar nicht. Angeblich.
  • Goldene Regel. Für die, die die Goldene Regel nicht kennen: Es geht so ca. darum, dass viele Rollenspiele dem Spielleiter explizit zugestehen, die Regeln außer Kraft zu setzen, wenn es dem allgemeinen Spiel (wie auch immer man das definiert) zuträglich ist. Weil ich im Entwurf von Destiny-Beginner diesen Satz noch drinnen stehen hatte, wurde ich gar vor Mord und Totschlag gewarnt. (Ich bin übrigens froh darüber, denn es hat bei mir einen Denkprozess ausgelöst, der andernfalls vermutlich nicht stattgefunden hätte. Trotzdem ganz schön heftig!)
  • Spielerverantwortung. Die Diskussion, wieviel Mitverantwortung Spieler für das Gelingen einer Session tragen, ist auch nicht immer frei von persönlichen Befindlichkeiten. Cooles aktuelles Beispiel in Jörg und Karstens Richtig Spielleiten.

Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte, ist, dass Rollenspiel von der Vielfalt der Spieler und ihrer Geschmäcker lebt. Gäbe es nur Storyteller oder nur Butt Kicker, wäre das Genre nicht dort, wo es heute ist. Insofern möchte ich hier eine Lanze für Relativität brechen. Railroading funktioniert für einige Spieler besser als alles andere, die Goldene Regel hilft so manchem SL, unvergessliche Plots zu erzeugen, und Spielerverantwortung ist was Feines, aber manche Runden würden gnadenlos zerbrechen, wenn der SL sie einfordert.

Ich jedenfalls bemühe mich, all diese Dinge in Relation und Kontext zu betrachten. Würde ich in jedem Blogger einen selbst ernannten Propheten und in jedem Beitrag ein absolut gültiges Postulat sehen, hätte ich vermutlich schon Bluthochdruck. So sage ich mir einfach: Alles ist relativ, und unterstelle dem Verfasser wohlwollend, dass er das auch wusste und nur auf Fußnoten und Disclaimer verzichten wollte.