Soft Skills aus Designer-Perspektive

Eine der letzten Feinschliffe, die mich noch von der Veröffentlichung von PORTAL trennen, sind die Rassen-„Feats“ der generischen Rassen (Elf, Zwerg, Gnom, Ork und Minotaur). Dabei begegnet mir ein Phänomen wieder, das ich immer schon interessant fand: Wie schwer es doch ist, Fähigkeiten zu definieren, die sich nicht in Punkten messen lassen.

Mein wertgeschätzter Advisor und Analytiker, nennen wir ihn hier aus Gründen der Anonymität Thalvin, mag diese Art von „Soft Skills“ gar nicht so gerne, eben weil es schwer ist, sie einzuschätzen und auszubalancieren. Fähigkeiten wie „Du bekommst deine Stufe als Schadensbonus im Fernkampf“ sind da geradezu einfach zu messen, gut zu vergleichen und geben keinen Anlass zu Diskrepanzen. Aber jetzt brüten Thalvin und ich schon seit geraumer Zeit über dem Gnom, der in meinen Spielen ein Meister des Verhandelns, Durchschauens und Netzwerk-Bildens sein soll, und jedesmal, wenn ich mit einem Entwurf komme, sagt Thalvin: „Damit kann ich nichts anfangen“. Ob der Ansatz nun lautet: „Dich verbindet mit [Stufe] NSCs eine gemeinsame Vorgeschichte, die du zu deinem Vorteil nutzen kannst“ oder „Du durchschaust die Bedürfnisse eines NSCs, wobei deine Stufe als Gradmesser für die Exaktheit deiner Ahnung gilt“, Thalvin ist nie wirklich begeistert.

Und der Grund liegt auf der Hand: Wer für Player Empowerment eintritt, mag keine Fähigkeiten, deren Ausgestaltung vom SL abhängt. Umgekehrt, wer an den Spielleiter denkt, möchte diesem auch nicht unnötig Aufwand aufbürden. Das obige Beispiel mit der gemeinsamen Vorgeschichte etwa liest sich oberflächlich betrachtet ganz nett, aber man muss auch daran denken, dass es bedeutet, dass die Spieler weiterfragen und wissen wollen, was das für eine Vorgeschichte ist und wie sich die Pfade des SC und des NSC gekreuzt haben. Mit der Konsequenz, dass der Spielleiter plötzlich den Hintergrund eines Händlers improvisieren muss, der eigentlich nur Statist sein sollte.

Wie man es also dreht und wendet: „Soft Skills“ sind deutlich problematischer als „hard-and-fast-rules“. Aber auch lohnender, weil – wenn sie gut gemacht sind – das Rollenspiel ungleich inspirierter definieren als es eine Fähigkeit á la „x Bonus-Punkte im Fernkampf“ jemals könnte.

5 Gedanken zu “Soft Skills aus Designer-Perspektive

  1. Wie wäre es, wenn der Spieler sich diese Geschichte grob überlegt, so dass man die unterschiedlichsten NSCs dann später in diese Vorgeschichte einbauen kann, wodurch das Improvisieren für den SL leichter wird?
    Der Spieler könnte dann auch zumindest sagen, was ungefähr seine Bekannten von Früher jetzt machen (z.B. eine Stadtwache, zwei Karawanenführer und ein Händler). Da die NSCs ja sowieso erst mit Rücksprache mit dem SL zu besonderen NSCs werden, sollte auch die Hintergrundgeschichte in Rücksprache mit dem SL erschaffen werden (nicht, dass dann der König aller Könige der beste Freund des SCs aus Kindheitstagen ist) und somit hat der Spieler seine Freiheit und der SL kann ihn – wenn nötig – ein wenig lenken oder diesen Hintergrund zusätzlich in seine Kampagne einbauen.

  2. Ein Problem bei den Soft Skills ist der Praxis „ausspielen, dann würfeln“. Wenn du natürlich die tolle Rede schwingst und nachher die Würfel sagen, dass du versagst, ist das nur frustrierend. Indie-Systeme wählen da einen anderen Weg: Sie lassen dich vor dem ausspielen würfeln. Die Würfel sagen dir also, wie diese Szene ausgeht und du spielst sie dann dementsprechend aus. Das widerspricht natürlich dem klassischen Rollenspielansatz, gibt aber dem Spieler die Macht, den Würfelwurf mit seinem Spiel zu interpretieren.

  3. Viele Soft-Skills lassen sich aber gut als harte Werte umsetzen. Beim Gnom z.B. könnte man ihm einfach einen festen Bonus auf soziale Würfe geben. Meister des Verhandelns, Durchschauens und Netzwerkbildens? Dann bekommt er einfach +1 auf Int/Ges und Cha/Ges.

    • Könnte man natürlich machen, aber das finde ich nicht sehr inspiriert und hat mMn die Bezeichnung „Rassenfähigkeit“ nicht verdient. Für so etwas gibt es Rassenboni oder Attributboni. Fähigkeiten so wie ich sie Archetypen und Rassen gebe, gehen mehr in die Tiefe. Sie geben dem Charakter etwas, das sonst keiner kann und lassen ihn in der richtigen Situation ordentlich hervorstechen.
      (btw: hier geht es um „Portal“, nicht um „Destiny“; was aber auf die Frage keinen Einfluss hat).

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