DSA 1 – die 27 Jahre verspätete Rezension

Während auf der RPC vergeblich auf DSA5 gewartet und Lizenzgeschichten gewälzt wurden, beging ich gestern einen Seitensprung mit meiner ersten Liebe: Ich trommelte meine Sonntagsrunde zusammen für ein One-Shot mit DSA 1. Einige hatten schon angemerkt, das mal wieder spielen zu wollen, also schnappte ich mir das Buch der Regeln, zeichnete ein Dungeon á la Silvanas Befreiung, dichtete einen Plot und los ging’s.

Ich muss sagen, DSA 1 fühlt sich nachwievor wie ein gutes Produkt an. Ich mag immer noch das Artwork, vor allem außen, aber auch innen, nur das Layout ist für heutige Maßstäbe eher kläglich. Der Schreibstil spricht mich ebenfalls an, auch wenn ich heute verstehe, warum ich als 11-jähriger Mühe hatte, das Ding zu begreifen. Das Buch der Regeln enthält Schnellstart-Regeln, normale Regeln, Detailregeln und optionale Regeln, und nicht alle sind deutlich von einander abgesetzt. Aber viel interessanter war es, das Buch der Regeln nicht nur zu lesen, sondern zu spielen, und zwar hardcore, ohne Ergänzungen oder Weglassungen. Dabei kamen interessante Erkenntnisse:

Das Erwürfeln der Helden zwingt einen zum Verkörpern von Konzepten, die man sonst vielleicht nie spielen würde. Für One-Shots okay, aber für längere Campaigns wollen die Spieler doch eher einen Wunschcharakter spielen und keinen Abenteurer. Ebenfalls bemerkt: Einen Elf, Krieger, Elf oder Zwerg „zusammen zu bringen“ ist gar nicht so einfach, fühlt sich dafür aber sehr besonders an. Wir hatten gestern 2 Abenteurer und einen Elfen, und der war glaub‘ ich durchaus glücklich, einen Elfen „geschafft“ zu haben. Das vermittelt einem irgendwie auch das Gefühl der Welt, dass Magier und Elfen nicht an jeder Straßenecke stehen, und auch ein Krieger ist in DSA ja durchaus etwas Ritter-ähnliches, Besonderes. So gesehen spiegelt das Erwürfeln die Welt wider.

Positiv überrascht war ich von der Länge der Kämpfe. Ich hatte DSA-Kämpfe als lang in Erinnerung, aber die Orks, Goblins und besessenen Abenteurer, die ich den Spielern in den Weg stellte, waren recht flott Geschichte. Was hier zweifellos dazu beiträgt, ist die Regel des mörderischen Schlags, die auch heute noch eine gute Regel ist, weil sie das Spiel beschleunigt und nicht verkompliziert. Gar nicht schlecht fand ich auch die Bruchfaktor-Regel, die bei jeder Parade (!) gewürfelt wird und den BF eigentlich zum wichtigeren Wert macht. Schade nur, dass die Balance der Waffen so schlecht ist: Das Schwert macht am meisten Schaden von den Einhandwaffen, hat den besten Bruchfaktor und noch dazu keinen AT/PA-Malus. Da ist jeder blöd, der sich einen Kriegshammer nimmt.

Was ich auch nicht mehr wusste: Zaubersprüche gelingen teilweise ohne Würfelwurf. Balsamsalabunde und Armatrutz etwa funktionieren automatisch, nur bei den Save-or-Die-Zaubern werden Würfel gerollt und alle möglichen Stats vermanscht, aber dazu kam’s bei uns gestern nicht. (Unser Elf zog sich auf Fulminictus zurück, um mit 12 ASP einen Ork zu vernichten, der nur noch 2 LP übrig hatte, aber das ist eine andere Geschichte…)

Dieser Punkt ist übrigens im Zusammenhang mit dem Regenerations-Konzept von DSA 1 zu sehen. Dieses lautet nämlich: zipp. Genau. Es gibt keins. Ist das nicht kurios? Keine Regeneration!? Voll krass, aber es hat gepasst: Der Dungeon war plötzlich echt gefährlich, da es keine Möglichkeit gab, sich aufs Ohr zu legen und auf neue LP oder ASP zu hoffen. Was mir als SL sehr gut gefiel, denn solche Aktionen („Ich hab‘ nur 2 ASP, können wir nicht irgendwo mal ein paar Stunden schlafen?“) stören das Pacing.

Ich war natürlich auch als Meister voll retro und habe das Abenteuerkonzept so angelegt, dass auch Fackeln Mangelware sind, in der Hoffnung, dadurch die Charaktere zu einem gewissen „Zug“ zu verhalten, und ich muss sagen, es hat auch gewirkt: Sie sind nicht blöd mal da lang, mal hier lang gelaufen, sondern haben sich genau überlegt, wie und in welcher Reihenfolge sie die Kammern abgehen, wie sie Fackeln sparen usw. Gefiel mir sehr gut, aber ich könnte mir vorstellen, dass es nur einmal funktioniert und die Helden ab dem nächsten Abenteuer jeweils 10 Fackeln im Rucksack tragen.

Das führt mich zur Tragkraft. Wir haben auch die Gewichte zusammenaddiert und protokolliert. Der Aufwand war nicht so sehr das Problem (auch wenn keiner der Spieler explizit Spaß dran hatte), aber vor allem die Relevanz: Die Tragkraft in DSA ist so bemessen, dass man sich (zumindest als durchschnittlich berüsteter Held) keine Gedanken über Seile, Fackeln, Proviant etc. machen muss. Das geht sich locker aus, und da wird das Addieren der Unzen bald eine unnötige Geschichte, die nur lästig fällt. Definitiv ein Punkt, den ich bei Destiny Dungeon anders lösen werde.

Gespielt hat sich das Ganze übrigens sehr locker und flüssig. Ich hatte als Meister jede Freiheit und nicht das Gefühl, mir Dinge aus dem Finger saugen zu müssen, die gegen das Regelwerk sind oder sein könnten. Die zwei Schienen – AT/PA versus Eigenschaften – waren kurz mal ein Thema („Warum kann ich mit Geschick nicht ausweichen?“), aber ansonsten gab’s keine Missverständnisse oder regeltechnische Unwegbarkeiten.

Der gestrige Abend hat mir eines wieder deutlich vor Augen geführt, nämlich dass man ein System keinesfalls nach seinen einzelnen Bestandteilen beurteilen sollte. Mehr als sonst ist bei einem Rollenspiel das Ganze mehr als die Summe der Teile. Erst wenn alle Rädchen ineinander greifen, zeigt sich, ob es gut ist oder schlecht. Und DSA 1 ist definitiv ein gutes System gewesen. Ich sage „gewesen“, weil einfach die Ansprüche – zumindest meine – im Laufe der Zeit gestiegen sind. Ich mag keine unbalancierten Waffen, ich mag keine „höchstens RS:2“-Beschränkungen, ich mag keine Abenteurer spielen, wenn Magier mein Lieblings-Heldentypus sind, keine Dump-Stats wie MUT, und ich möchte mehr Entwicklung sehen als nur hier ein Punkt und da ein Punkt. Das sind Dinge, die für mich nicht (mehr) funktionieren. Aber das Grundsystem ist rund und stimmig und ermöglicht mit wenigen Elementen große Vielfalt. Jetzt weiß ich wieder, warum ich über 15 Jahre DSA gespielt – und geliebt – habe.

8 Gedanken zu “DSA 1 – die 27 Jahre verspätete Rezension

  1. War echt ein tolles Abenteuer gestern! 8D

    Es hat auch schön gezeigt das man viel Spaß mit alten Systemen haben kann!

    Highlights für mich waren:
    -) Das sehr kewle Abenteuer (plötzlich eingesperrt, haben limitierte Ressourcen und dann sind auch noch große Böse Monster unterwegs…) 😉
    -) Sehr viel in sehr kurzer Zeit untergebracht, vor allem dank der extrem schnellen Kämpfe
    -) Keine LP und AP Regeneration (abgesehen von Heiltränken und übernatürlichen Situationen).
    -) Die Bruchfaktor und Krit-Regel waren sehr stimmig und schnell.
    -) Charaktererschaffung innerhalb weniger Minuten
    -) Zufallsgenerierung für One-Shots ist sehr witzig

    Dinge die ich verbesserungswürdig halte
    -) Balance der Klassen (vor allem Abenteurer) und Ausrüstung
    -) Traggewicht mit Unzen (ich würde es ganz weg lassen oder ein simples Slotsystem einführen)
    -) Zufallsgenerierung für Campaigns problematisch

  2. Das finde ich interessant. Ich hab nämlich letztens mal wieder in meine DSA 1 Regeln reingelesen und fand gerade den Kampf ganz schrecklich. Wenn schon das Beispiel aus dem Regelheft einen LP Abzug auf 13 Würfe erzeugt(!), dann, dachte ich zumindestens, Arten Kämpfe in regelrechte Würfelorgien aus. Die 5% Chance auf mörderischen Schlag schienen mir dabei vernachlässigbar (zumal das ja eine optionale Regel ist). Vielleicht sollte ich doch nochmal versuchen mit den ganzen Regeln einen One-Shot zu machen. Aber ich bin auch recht schnell auf D&D umgestiegen. Vielleicht verzerrt da die Wahrnehmung in die jeweilige Richtung… 😉

    • Nur eine kleine Korrektur … der Mörderische Schlag hat eine 10% Chance (1-2 auf W20) und ist bei der Anzahl der Würfel sehr häufig.

      Da die Monster auf niedriger Stufe sehr wenig Lebenspunkte haben, die Parade-Chance sehr gering ist und man nichts Rechnen muss ging das ganze ziemlich flott.

  3. Ich denke, dass DSA1 inkl. der Ausbauregeln – also mit dem ersten Talent-System, die bisher beste Regelversion von DSA gewesen ist. Danach ging es leider bergab.

  4. Schöner Bericht mit ein paar kleinen Fehlern 😉

    In meinem DSA1 heißt es nicht „mörderischer Schlag“, sondern „gute Attacke“ (gAT), und ihre Wahrscheinlichkeit ist nicht fix, sondern richtet sich nach … hm, hab das Buch nicht vor mir, aber ich glaube, es war der AT-Wert (oder KL?).

    Es gibt eine Regenerationsregel in DSA1, und die besagt, daß die Helden LP *zwischen zwei Abenteuern* ihre LP wieder aufladen…

    • Nop es ist „Der mörderische Schlag“ und fix bei 1-2 auf den Angriffswurf (Buch der Helden S21).

      Bei letzterem hast du vollkommen recht, aber diese Regeneration ist wärend des Abenteuers unerheblich, das besondere daran ist das es wirlich eine Abenteuer-Ressource statt einer Tages-Ressource ist (keine Heilung bei Ruhe).

  5. Mut als Dump-Stat? Das hatte ich anders in Erinnerung. Wenn sich ein ausgeruhter, frischer Held und ein zähes Monstrum schlagen, so mag die Initiative vielleicht nicht so wichtig sein, in vielen anderen Situationen eben schon. Von den allgegenwärtigen Mut-Proben einmal abgesehen, wenn übles Gezücht da war (von den eher düsteren Einflüssen der DSA-Illus in pre-Schnurrbart-Zeiten beeinflusst gab es das damals bei mir eher häufig ).

    Generell würde ich sagen dass DSA 1 im Vergleich zu anderen „Old School“ Systemen recht wenig am Dump Stat Syndrom litt, da eben Attributsproben das Handeln bestimmten. Wenn ich mich recht erinnere gab es bei D&D da nie eine einheitliche Regel (manchmal W6, manchmal Probe mit dem lächerlichen Attributsbonus, später auch mal ein Skill-System mit drunterrollen).

    Auch ich empfinde DSA 1 immer noch als eins meiner Lieblingssysteme, eben wegen besagten Proben und dem Anstieg der Attribute. Das DSA 2 Talentsystem verkomplizierte das nur unnötig…

    Wo wir gerade bei Attributen sind: Schon damals empfanden wir kleine Pimpfe es etwas seltsam dass keine gute Wahrnehmungs-Regel bzw. ein Attribut dafür da war. Wir behalfen uns mit Klugheit für Details und Mut für Überraschungen etc.

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