PORTAL ab heute erhältlich!

Es ist soweit: Das PORTAL ist fertig und ab sofort erhältlich! Für diejenigen, die nicht im Blog oder im Tanelorn mitgelesen haben: PORTAL ist ein Rollenspielsystem, das mit jedweder Fantasy-Welt kombiniert werden kann und von mir durchaus bewusst als Reverenz an DSA 3, BRP und andere Rollenspiele der späten 1980er-Jahre gedacht ist.

Zum Download!

Und ja, PORTAL ist zwar ein Heartbreaker, aber es tut durchaus einiges anders als andere Rollenspiele, zum Beispiel:

  • 8 Attribute sind mit fixen Werten in 84 Fertigkeiten integriert, was ein sehr differenziertes Charakterprofil ergibt,
  • Würfelproben erfolgen mit dem W30 (es wird übrigens nur 1x gewürfelt pro Probe)
  • Parade ist aktiv, allerdings mit halbierter Wahrscheinlichkeit, um Pattsituationen zu vermeiden,
  • alle 97 Zaubersprüche sind frei skalierbar, von 1 bis 30 Zauberpunkte,
  • Rüstschutz wird im Anlassfall gewürfelt, d.h. man kann auch mal eine Schwachstelle treffen,
  • Zaubersprüche können „erzwungen“ werden: Indem man doppelte Zauberpunkte investiert, kann man das Würfelergebnis bei der Probe halbieren,
  • Archetypen-Fähigkeiten steigen automatisch mit jedem Stufenanstieg, weil sie von der Stufe abhängig sind,
  • und, ach ja, bei den Archetypen habe ich nicht gespart: Es gibt derer 20!

Was ich mit PORTAL erreichen wollte, ist ein balanciertes, konsistentes und nicht von Ausnahmen durchsetztes Spiel mit vielen Möglichkeiten, Charaktere zu bauen, zu entwickeln und auszustatten. Es enthält viel Regelcrunch für Langzeitkampagnen, z.B. Zauberstäbe, magische Metalle, Vertrautentiere, alchemistische Erfindungen oder sammelbare Traktate. Einen Überblick über den Inhalt bietet das PORTAL Unwrapping Video:

Ich hoffe, ihr schaut euch das an und empfiehlt es bei Gefallen weiter – vielleicht auch an den einen oder anderen DSA/Aventurien-Spieler. Über Feedback freue ich mich natürlich immer! Viel Spaß!

Weiterführende Links: PORTAL im Polyeder Podcast, PORTAL Produktseite

Happy Birthday, Portal!

Es war im Sommer vor 15 Jahren, dass ich zum ersten Mal Lust verspürte, ein eigenes Rollenspiel auf die Beine zu stellen, obwohl (oder gerade weil) ich damals noch tief in DSA verhaftet war. Unter den ersten Entwürfen war ein W%-System mit dem augenzwinkernden und recht zutreffenden Arbeitstitel Maths & Magic, mit dem man schlichtweg alles spielen hätte können sollen, oder ein charmantes System, das alle Würfel in einem nach oben offenen System verwendete (W4, W6, W8…), die man z.B. kampfrundenweise auf Angriff, Verteidigung, Initiative und Schaden verteilen konnte, was supertaktisch, aber für den SL leider nicht administrabel war. Daher verkaufte ich die Idee an Pinnacle, die daraus Savage Worlds machten. Scherz beiseite.

Und dann war da Das Portal. Es kam weit über seinen Arbeitstitel hinaus, war allerdings  eine frühe Rückkehr zu DSA-geprägten Konzepten, eine Art graues Auge, mit einigen sehr charmanten Ideen und Optimierungen, die ich selbst heute noch – wo ich doch deutlich anspruchsvoller geworden bin – verlockend finde. Die Entstehung von Das Portal vollzog sich in zwei Stadien, zwischen denen ich ein Zwischendurch-System entwarf, das später den Namen Destiny bekam. Das Portal wurde allerdings viel früher fertig und konnte einen nicht weniger intensiven Playtest für sich verbuchen. Es funktionierte so gut, dass das Ende der Testphase fast ein bisschen traurig war.

Nicht minder traurig war die Tatsache, dass Das Portal nie veröffentlicht werden würde, denn es war ein klassischer Heartbreaker, ein Labour of Love, ein idealistisches Projekt, das nie für den Markt bestimmt war. Heute, 15 Jahre nach den ersten Portal-Spermien, blicke ich etwas wehmütig auf die Anfänge dieses glänzenden Rollenspiels zurück, das den Grundstein für alle meine späteren Entwicklungen legte, mich vieles lehrte und uns viele interessante Spielstunden bescherte.

Happy Birthday, liebes Portal!
Ich glaube, ich werde dir zum 15. Geburtstag etwas ganz Besonderes schenken.

Bau einer Sandbox (Teil 4)

Wie ich schonmal erwähnt habe, liegt für mich einer der wichtigsten Aspekte einer Sandbox darin, dass die Spieler Optionen haben müssen. Im Hintergrund einer Sandbox liegen immer zahlreiche Verzweigungen. Wichtig ist es also, diese Verzweigungen und Verbindungen einzurichten.

Ich habe mir daher eine Tabelle gemacht, in der ich alle 22 Örtlichkeiten Istareas einander gegenüber gestellt habe, und danach mir die Aufgabe gestellt, für jedes Szenario mindestens 1 Element zu erfinden, das in dem jeweiligen Szenario wichtig oder zumindest hilfreich ist, und dieses in einem anderen Szenario zu platzieren. Wichtig dabei war, dass dieses Element kein must-have ist, sondern etwas, ohne das man im Zweifel trotzdem das Abenteuer bewältigen kann, aber eben schwieriger.

Deshalb musste ich auch iterativ an den Szenarien arbeiten, denn woher sollte ich denn von vornherein wissen, dass ich im Grabmal des Brara Carith das Auge des Zyklis verstecken würde, wo ich doch noch nicht einmal die Zyklopenfelsen designt hatte? Deshalb kam ich später nochmal zum Grabmal des Brara Carith zurück, erfand dort eine Geheimkammer hinzu und platzierte darin das Auge des Zyklis.
Umgekehrt erfand ich für das Szenario Gasthaus zur alten Mine die Goblins, die Geld „sparten“, um sich Anschluss im Lager der Goblinoiden zu kaufen und daher wussten, wo sich im Wald von Brara Carith selbiges befand bzw. eine Karte dazu besaßen.
Es gibt also immer mindestens einen „Input-“ und einen „Output-Konnex“ zu jedem Szenario, optimalerweise sogar mehrere solche.

Wer einen Blick auf die Kampagnentabelle #6.1 im Anhang von Destiny Dungeon geworfen hat, kann daraus erkennen, dass ich außerdem jedem Szenario ein Thema bzw. ein wichtiges Artefakt gegeben habe. Per Design ist also in jedem Szenario mindestens ein größeres „Nutzending“ (Artefakt, Information, besonderer Ort o.ä.) enthalten, das sich als Aufhänger eignet, wenn das gewollt ist.

Vergleichsweise handwerklich war schließlich die Aufgabe, die Szenarien um Kämpfe und Schätze anzureichern. Da die Charaktere in einem Sandbox-Spiel von der Sandbox selbst belohnt werden müssen und nicht von irgendwelchen NSCs abhängig sein sollen, musste ich noch Arbeit darauf verwenden, mir zu überlegen, wie und wo ich die Schätze positionierte und welche Gegner den SCs dabei im Weg stehen sollten. Das war deshalb überaus wichtig, weil in Destiny Dungeon Charaktere Gold in Erfahrungspunkte umwandeln können, d.h. durch Schätze hoch-leveln, es ist also quasi im System gelegen, dass die Sandbox voller Schätze sein muss. Hier war v.a. die Balance kritisch, denn ich musste die Gefährlichkeit der Szenarien einschätzen und darauf basierend die Schätze dimensionieren. Große Schätze durften natürlich nicht einfach so herumliegen (sonst hätte sie ja schon jemand eingesackt), und umgekehrt musste ich oft recht lange nachdenken, um einen Schatz doch noch einigermaßen pausibel zu deponieren, wo er primär lediglich spieltechnisch gefordert war.

Fortsetzung folgt, allerdings bin ich bald am Ende meiner kleinen Sandbox-Bau-Reihe. Wenn ihr bestimmte Fragen habt, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diese loszuwerden.

Bau einer Sandbox (Teil 2)

Was rote Fäden betrifft, scheiden sich die Geister. Die Hardcore-Sandbox-Spieler verweigern ja so ziemlich jedes vorbestimmte Drama, weil die Ereignisse von den Spielern ausgehen mögen und nicht einem Plot, wie lose er auch immer definiert sei, folgen sollen. Trotzdem hatte ich mich bei Destiny Dungeon entschieden, Elemente einzufügen, die es dem SL ermöglichen sollten, eine dramatische Kampagne auf die Beine zu stellen.

Schritt 2: Rote Fäden

Im Zuge des Nachdenkens über die roten Fäden – die Diskussionen hier im Blog waren übrigens sehr hilfreich! – kam ich zu zwei wesentlichen Kriterien:

  • Das Wichtigste schien mir, dass die roten Fäden optional bleiben. Ob Spieler und SL dem roten Faden folgen oder nicht, durfte sich in keiner Weise auf die Verwendbarkeit oder Spielbarkeit anderer Elemente auswirken.
  • Das zweite war, dass die roten Fäden keine Metaplot-Qualität bekommen durften. Das Setting musste sein Kolorit und seinen Reiz bewahren, auch wenn man sich die roten Fäden wegdenkt.

Diese beiden Kriterien haben mich einige Pläne, die ich für Istarea hatte, gleich wieder verwerfen lassen. Ideen dazu, wie Mavith mit seinen Intrigen das Königreich lahm legt, ein Jahresplan mit Schlachten gegen die Horden bis hin zu einem Coup der Limisjünger – all das war schon fast fertig, aber ich habe es letztlich verworfen und mich damit begnügt, nur Andeutungen in die Aufhänger und Szenarien einfließen zu lassen (z.B. das Attentat am Grafentag). Klar ist es als Autor verlockend, den Lesern die coolen Ideen, die man mit dem Setting hat, und all die genialen NSC-Pläne unter die Nase zu reiben. Aber den Fehler, die Fantasie und den Erfindungsreichtum der Spieler und Spielleiter zu unterschätzen, den haben schon andere gemacht, den muss man ja nicht unbedingt wiederholen. Was aber habe ich nun getan, um rote Fäden auszulegen:

Ich habe die Sieben Schwerter erfunden und damit den Sammlertrieb beiden Spielern adressiert. Man denke sich eine Handvoll Gegenstände aus, bei denen „das Ganze mehr ist als die Summe der Teile“ und streue sie über die Sandbox. In meinem Fall waren es 7 Schwerter, weil es thematisch zum Setting (Menschen vs. Horden) passte und ein Schwert für alle Charaktere irgendwie greifbar ist. Wären es irgendwelche magischen Mumpfdiwumpf-Kugeln, dann wüsste wieder keiner außer vielleicht dem Magier, was die können und ob man sie überhaupt verwenden kann, daher blieb ich hier klassisch old-schoolig und bodenständig. Die Schwerter halfen mir auch, einige Parteien zu charakterisieren (z.B. Graf Terus von Lovorn, den Schlangenblender) und diverse Elemente auf epischeres Niveau zu bringen (z.B. der erschlagene Riese in den Wandernden Hügeln). Was wichtig ist: Die Schwerter wurden später in den Szenarien so platziert, dass man sie nur schwer zufällig finden kann, sondern auf Hinweise angewiesen ist (z.B. das Schwert der im Netz von Chnis-Niri verendeten Kriegerin oder jenes am Grunde des Loch Nor). Das erhöht quasi ihren Wert und trägt auch zur Plausibilität bei, immerhin liegen die dort seit Jahrhunderten.

Aus der Geschichte mit den 7 Schwertern ist dann schließlich auch noch ein weiterer roter Faden entstanden, der zuerst so gar nicht geplant war. Mir kam die Idee, dass es cool wäre, wenn es auch noch sieben Hordenführer gäbe, die eine Schlüsselstellung innerhalb der Horden einnähmen und als Etappenziele herhalten könnten. Also habe ich mich hingesetzt und nachgedacht, welche von den bereits bestehenden „Bossmonstern“ sich als Hordenführer eignen würden. Da bot sich z.B. die Schlange von Lovorn an, und auch die Riesenspinne in Szenario 11 erfuhr ein Upgrade zum Spinnengott Chnis-Niri. Dann erfand ich noch ein paar zusätzliche, damit ich auf die zahlenmäßige Parallelität zu den sieben Schwertern kam. Jedes Schwert gezielt auf einen Hordenführer zu eichen, so weit ging ich dann aber doch nicht, weil ein Mechanismus á la „du brauchst Schwert X um Hordenführer Y zu besiegen“ der Kampagne wieder einen bestimmten Verlauf aufgeprägt hätte, und gerade solche Festlegungen wollte ich ja vermeiden.

Die dritte Geschichte, die sich als roter Faden durch die Sandbox zieht, sind die Machenschaften Maviths und Situyarâns. Der alte Elfenmagier ist ziemlich gewissenlos und nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Seine Allianz mit Mavith macht die beiden zu Schlüsselfiguren im Machtgefüge, deshalb habe ich an möglichst vielen Stellen Verbindungen zu diesen beiden NSCs installiert. In X liegt die Leiche des Bruders von Situyarân, in Y kauert ein Elfenmädchen, das über seine Grabräubereien bescheid weiß, in Z gilt es, Magiersöldner davon abzuhalten, sich Mavith anzuschließen usw. Sollten die SCs also jemals in diese Verschwörungsgeschichte hineingezogen werden, gibt es viele Möglichkeiten für den SL, daraus eine Kampagne zu machen. Und wenn nicht, tragen die roten Fäden zu Plausibilität und innerer Kohärenz bei – auch gut.

Wie wichtig rote Fäden bei näherer Betrachtung gerade in einer Sandbox sind, ergibt sich aus etwas, das ich in Teil 1 geschrieben habe: Hier geht die Initiative von den Spielern aus. Sie müssen die Chance haben, Querverbindungen zu erkennen und diesen zu folgen. Sie können sie ja nicht erfinden. Bestünde die Kampagne nur aus losen, für sich abgeschlossenen Szenarien, fiele es ihnen wohl schwerer, von sich aus ein großes, Kampagnen-umspannendes Drama aufzubauen und sie wären erst wieder auf den SL angewiesen.

Soweit meine paar Überlegungen zum Thema rote Fäden. Schritt 3 wird darin bestehen, die einzelnen Szenarien/Örtlichkeiten zu definieren. Das Rezept dafür – in Kürze.

MR#11 Abenteuertypen: Das ortsgebundene Abenteuer

Letztes Mal habe ich versucht, das erzählerische Abenteuer als Abenteuer-Typ herauszuarbeiten. Heute widme ich mich seinem Gegenstück:

Typ 2: Das ortsgebundene Abenteuer

Dem ortsgebundenen Abenteuer liegt kein Handlungsverlauf zu Grunde, sondern eine Zahl ausgearbeiteter Örtlichkeiten. Wähle ich so ein Abenteuer, dann geht es mir um Entscheidungs- und Handlungsfreiraum für die Spieler. Die SCs sollen (im Rahmen des Abenteuers) gehen können, wohin sie wollen, wann sie wollen, warum sie wollen. In seiner reinsten Ausprägung – bei Kampagnen spricht man von „Sandbox“ – gibt es auch keinerlei vordefinierte Ereignisse oder Ereignisketten.

„Undrama“. Die größte Gefahr, die ich sehe, ist, dass sich diese Art Abenteuer sehr undramatisch entwickeln kann. Meine Möglichkeiten als SL, dramatische Elemente wie Plotwendungen und dichte Spannungsbögen einzubauen, aber auch das Pacing zu steuern, sind minimal. Das System verhält sich eher reaktiv, und der Verlauf folgt ausschließlich den Bewegungen und Handlungen der SCs.

Natürlich kann man auch das ortsgebundene Abenteuer so stricken, dass die SCs die Örtlichkeiten erst recht wieder in einer bestimmten Reihenfolge abklappern müssen (Adventure-Prinzip: Finde den silbernen Schlüssel und sperre damit die silberne Tür auf). Dadurch kann man ein Drama fingieren, aber man entfernt sich gleichzeitig von dem, was ein ortsgebundenes Abenteuer eigentlich an Reiz ausmacht und halst sich dafür auch noch die Probleme des erzählerischen Abenteuers auf…

Vorbereitungsaufwand. Da ich als SL nicht wissen kann, wohin die SCs wandern und welche Aufhänger sie aufgreifen, ist die Chance hoch, dass ich viel mehr Inhalt vorbereite, als die Spieler letztlich im Abenteuer ausreizen. Durch diesen Mehraufwand ist das Schreiben eines ortsgebundenen Abenteuers für die eigene Runde oftmals unökonomisch.

Spielerverantwortung. Ich halte das ortsgebundene Abenteuer in seiner reinen Form für das (aus Sicht der Spieler) Schwierigste und auch Lohnendste. Denn hier werden Örtlichkeiten und Mechanismen definiert, ohne auf den bisherigen Verlauf Bezug zu nehmen. Das hat irgendwie etwas Faires, Unparteiisches, Herausforderndes. Wenn hinter der schweren Steintür der grausame Schattendämon wartet, dann ist das eben so, auch wenn es die erste Tür sein sollte, die die SCs öffnen. Insgesamt verschiebt sich die Verantwortung stark in Richtung Spieler – wohl ein Nebeneffekt des Freiraums, den der SL übrigens hinlänglich gewähren muss, wenn diese Sorte Abenteuer funktionieren soll.

Das ortsgebundene Abenteuer ist nicht umsonst typisch „Old-School“. Früher waren viele Abenteuer nach diesem Schema aufgebaut, sogar einige der ersten DSA-Abenteuer. Auf mich üben diese Abenteuer immer noch einen starken Reiz aus, und als Spieler mag ich sie hin und wieder sehr gerne. Als SL und Autor bevorzuge ich aber Mischformen (außer in Destiny Dungeon, wo altmodisch-Sein ja irgendwie die Vorgabe war).

DD#52 Die Szenarien sind schuld. Aber warum eigentlich?

Der Hauptgrund für die Verspätung des Destiny Dungeon Releases sind die Szenarien, die deutlich größer und umfangreicher ausfallen als erwartet. Ich wurde schon öfters gefragt, warum ich darauf solchen Wert lege, wo doch das eigentliche Produkt „nur ein Regelwerk“ sei und ein solches auch mit 1-2 Beispielabenteuern auskäme. Ich möchte darauf antworten, indem ich erläutere, welche Bedeutung die Szenarien für meine Vision haben.

Destiny Dungeon entstand nicht, weil Old-school gerade „in“ ist, sondern weil ich mir damit einen Traum erfüllen wollte. Ich wollte eine Campaign schaffen, in der die Spieler die absolute Handlungsfreiheit haben und die Handlung ebenso stark von den Spielern wie vom SL ausgeht. Das Um und Auf einer solchen proaktiven Kampagne ist, dass Spieler und SL Informationen haben. Sollen die Spieler das Gefühl der völligen Freiheit bekommen, dann muss der SL auch bereit sein, sie „überall“ hinzulassen. Und das geht nur, wenn er über „überall“ Informationen besitzt. Andernfalls entsteht zwangsläufig die Tendenz, die Charaktere zu vertrauten oder beschriebenen „hot spots“ zu schieben. Dieser „Magnetismus des Vorgefertigten“ ist natürlich immer gegeben, denn man kann nicht für jeden Weiher und jeden Hügel ein Abenteuer ausarbeiten, aber das Spielgefühl entsteht nur dann, wenn eine kritische Masse an Örtlichkeiten in der Welt ausgearbeitet ist.

Soweit zur Quantität. Es gibt aber auch qualitative Kriterien, die mir wichtig waren:

  • Unmittelbare Verwendbarkeit. Die Szenarien sind keine Aufhänger oder inspirierten Beschreibungen, die letztendlich wieder dem SL den Task umhängen, sich Abenteuerliches auszudenken, sondern so detailliert ausgearbeitet, dass man damit unmittelbar ins Abenteuer gehen kann. Teilweise sogar bis auf die Ebene der Spieltechnik hinunter, damit der SL gleich eine Idee bekommt, wie Destiny Dungeon funktioniert (wieviel Schaden, welche Proben usw.).
  • Kompaktheit. Alle Szenarien sind kompakt dargestellt (2-3 Seiten), damit sich der SL schnell (ca. 5 Minuten) einen Überblick verschaffen kann. Alles andere wäre in einer Sandbox ziemlich witzlos.
  • Viele Missionen pro Szenario. Möglicherweise dringen die SCs in Morkanthors Labyrinth ein, um seinen schwarzen Stein zu finden, vielleicht geht es ihnen darum, einen der Hor-Gläubigen aus seiner Sekte zu befreien, vielleicht durchqueren sie das Labyrinth, um zum Tempel des Goldenen Lichts zu gelangen, oder einfach nur um Monster zu schnetzeln und Schätze zu heben. Jedem Szenario kann man sich aus unterschiedlichsten Motivationen heraus nähern.
  • Keine getriggerten Ereignisse. Bis auf 1 oder 2 Ausnahmen sind die Szenarien handlungsneutral, d.h. es sind Beschreibungen von Orten und NSCs und deren Motivation, aber keine Ereignisse, die zufällig stattfinden, weil die SCs in der Gegend sind. Einen „dramatischen Überbau“ (Prolog, Wendepunkte, definiertes Finale, Epilog) gibt es daher auch nicht, eben weil die Szenarien aus vielerlei Motivationen heraus spielbar sein sollen.
  • Unabhängige Szenarien. Die Szenarien können völlig unabhängig von einander gespielt werden, es gibt keine logische Reihenfolge – zumindest keine zwingende. Viel öfter ist es so, dass ein Artefakt oder eine Information aus Szenario A das Lösen von Szenario B erheblich erleichtert. So können die SCs z.B. im Wall der 1000 Höhlen Haguls Zauberkompass finden und tun sich damit in der magischen Matrix der Seufzenden Ebene wesentlich leichter.
  • Lebende Welt-Konzept. Berührungen mit der Welt sind so eingewoben, dass sie keinen Metaplot bilden, aber gravierende Auswirkungen haben können. Wenn die SCs den alten Elfenkönig Tasyuncar aus seinem Säulenkreis befreien, schwächt dies die Limisjünger und stärkt die Elfen des Neuen Weges. Sind die Limisjünger geschwächt, so fehlt es ihnen vielleicht an Mitteln und Wegen, Mavith mit ihrer Magie jung zu halten, was sich wiederum auf dessen Handlungen auswirkt und ihn womöglich aus seinem sicheren Versteck zwingt. Die Spieler können also einen Unterschied machen, wenn sie es drauf anlegen.

Destiny Dungeon wird 21 Szenarien (eines davon dankenswerterweise von Moritz Mehlem) enthalten (möglicherweise 22, denn ich arbeite gerade noch an einem Einführungsabenteuer), und es sollte wirklich für jeden etwas dabei sein. Wer mag, kann mit Hilfe der verbindenden Elemente einen Metaplot stricken, wer gerne schnetzelt, kann auch das tun. Es gibt Dungeons, Rätsel, Hex-Felder zu erkunden, es gibt soziales Rollenspiel, es gibt einen spürbaren Konnex zum Setting, der eine relativ starke Immersion ermöglichen sollte, und das alles in einem (mittlerweile 156-seitigen) Buch. Ich gestehe, ich bin selbst überrascht und überwältigt, welche Dimensionen Destiny Dungeon angenommen hat. Aber mit weniger hätte ich diesen Traum nicht verwirklichen können.