Initiative von Spielern – zu viel verlangt?

Ich habe mich schon mal, im Tanelorn, laut gefragt, wieviel die Spieler im Vergleich zum Spielleiter aktiv ins Spiel einbringen müssen/können/sollen, um Sinn und Zweck des Rollenspiels gerecht zu werden. Heute werfe ich diese Frage erneut auf, weil sie sich für mich im Zusammenhang mit meiner Stammrunde ein weiteres (letztes) Mal gestellt und beantwortet hat. Zur Vorgeschichte: Ich habe 12 wunderbare Jahre lang geleitet, musste aber feststellen, dass gewisse Abenteuer in meiner Runde nicht funktionierten. Ich stellte z.B. fest, dass (etwas pauschaliert):

  • die SCs vergleichsweise wenig an einander interessiert waren,
  • NSCs notorisch vernachlässigt/ignoriert wurden,
  • taktische Situationen in endlose Debatten und Hypothesen mündeten,
  • die Handlungen der SCs zu 90% reaktiv und nicht proaktiv waren,
  • gerailroadete Abenteuer wesentlich besser ankamen als solche, in denen die SCs die „volle“ Handlungsfreiheit hatten (Detektiv-Abenteuer hassten sie überhaupt),
  • ich keine Downtime-Handlungen seitens der SCs erwarten konnte, zumindest nicht im Vorhinein, allenfalls als Nachtrag im Rahmen des Prologs.

Ich sah das jahrelang als Wermutstropfen und meinte, irgend jemand müsse die „Schuld“ daran tragen. Wir hatten immer wieder „Krisentreffen“, in denen ich beklagte, dass ich mir als Spielleiter mehr Initiative und Interaktion zwischen Charakteren erwarten würde, aber es nutzte vergleichsweise wenig; gute Vorsätze hielten meistens nicht lange. Selbstkritisch kam ich zum vermeintlichen Fazit, dass alles meine Schuld sei, da ich

  • die Spieler einfach zu sehr mit erzählerischen Dramen „verwöhnt“ hatte,
  • zu viel geleitet und die Spieler dadurch zu gewohnheitsmäßigen Konsumenten gemacht hatte,
  • die Interaktion mit NSCs dadurch erschwert hatte, dass ich ihnen in der Vergangenheit zu viele suspekte und intrigante NSCs geschickt hatte,
  • zu sehr auf Story und einen inhaltlich erfüllten Abend Wert gelegt und damit einer Art Effizienzdenken Vorschub geleistet hatte.

Heute beurteile ich die Sache etwas differenzierter und stelle auch die Frage anders. Es geht nicht darum, wieviel sich Spieler einbringen sollten, sondern wieviel sie sich einbringen können. Ich glaube, dass es eine Frage der Mentalität, Spontanität und Kreativität der Spieler ist, ob sie überhaupt in der Lage sind, Initiative zu zeigen. Zumindest für meine Runde bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass niemand Schuld trägt, sondern einfach die persönlichen Stile nicht zusammen gepasst haben. Meine Spieler waren hochgradig analytisch und perfektionistisch, aber sie hätten nie aus der Rolle ihres SC heraus einen Plot aufgerissen, von dem sie nicht wussten oder glaubten, dass er zum Abenteuer gehörte.

Ich glaube, Spieler sollten so viel oder wenig an Initiative einbringen, wie notwendig ist, um die Erwartungen aller Beteiligten zu erfüllen oder zumindest nicht zu enttäuschen. Wenn sie das nicht wollen oder, was wahrscheinlicher ist, nicht können, dann muss man eher an einer anderen Schraube drehen und die konkrete Konstellation von Spielern hinterfragen.

Mein Fazit zum 27.07.2011: Jede Gruppe, die länger mit einander glücklich werden will, scheint gut beraten, entweder aus Gleichgesinnten zu bestehen oder aus einer gesunden Mischung, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden. Ein genauer Blick auf die Spielerpersönlichkeiten ist dabei wesentlich hilfreicher als die titelgebende Frage dieses Artikels. Diese ist ja letztendlich doch nur mit einem „Ja“ zu beantworten, da die meisten Spieler ohnedies das geben, was sie geben können und geben wollen. Und mehr kann man nicht verlangen. Macht das irgendwie Sinn?

DD#22 NSCs in Istarea

Pfingsten hat sich ohne Frage positiv auf meine Schaffenskraft ausgewirkt. Ich habe einige Anregungen aus den Kommentaren in meine Materialien eingearbeitet, vor allem aber  habe ich Istarea um einige NSCs erweitert, die bisher nur Namen waren:

König Maras ist nun im hohen Alter zu einem philosophischen, introspektiven Regenten geworden, der sein Lebenswerk kritisch hinterfragt und von vielen als zu nachgiebig gesehen wird. Seine Frau, Königin Averna, hat da schon mehr Power und engagiert sich intensiv in der Weißen Kirche, um das Königreich mit den Mitteln einer Frau zu gestalten. Der gemeinsame Sohn Mylius ist ein Träumer, ein Ritter Romantique, den es in die Ferne zieht, der aber von seiner Mutter nicht losgelassen wird und immer wieder von ihr gegen seinen Bruder Marcor aufgehetzt wird. Marcor, der dunkel-charismatische Thronfolger, dessen biologische Vaterschaft nie geklärt wurde, ist hingegen ein harter Taktiker und ein furchterregender Bogenschütze, dessen schwarze Pfeile im ganzen Land legendär sind. Er trägt das Mal des Hôr und opfert vor jeder Schlacht Blut, um siegreich zu bleiben – was aber niemand weiß, denn sonst wäre es wohl aus mit der Thronfolge. Und dann ist da natürlich Mavith, König Maras‘ stolzer, hochmütiger Bruder und Todfeind, der dank elfischer Magie schon seit Jahren nicht mehr altert und eifrig konspiriert. Mavith war der Schlaue von den beiden Brüdern. Das Königreich Istarea, wie es jetzt existiert, war eigentlich sein Traum. Er wird alles tun, um ihn sich zurückzuholen oder notfalls zu zerstören.

Soweit die erste Riege der NSCs. Die zweite bilden die Grafen und Stellvertreter der Völker/Rassen. Da gibt es bereits einige, z.B. die korrupte, fette Gräfin von Usthir, die in ihre eigene Tasche wirtschaftet, oder den schwachen Grafen von Equiun, der aus Angst vor einem Konflikt mit den Vampiren koaliert. Mein Liebling: Graf Terus Schlangenblender, der die Riesenschlange unter Lovorn mit dem Schwert in der Hand konfrontierte und dabei sein Bein verlor, allerdings nicht, ohne der Schlange sein Schwert ins Auge zu rammen, wo es heute noch steckt. Dann wird es noch die Gräfin von Iphanir geben, die an ihres Mannes Statt über die Kornkammer regiert, seit dieser bei einer Expedition ins Elfenmoor verschwand. Die Ärmste erhält allerdings vom König den Titel nicht, da sich die Grafenwürde nicht/nicht auf Ehegatten vererbt.

Zumindest in meiner Vorstellung ist Istarea bereits ein sehr lebendiges Setting geworden. Jetzt sind raffiniert ausgearbeitete NSCs zwar nicht unbedingt die conditio sine qua non für ein gutes Sandbox-Setting, aber ich denke, es hilft, wenn man als SL eine Anzahl an Personen zur Verfügung hat, die das Geschehen vorantreiben, wenn die SCs das gerade nicht tun, oder ihnen in die Hände spielen oder aber gegen sie agieren.

Worauf man, glaube ich, aufpassen muss, ist, dass die NSCs nicht interessanter werden als die SCs und sich zwischen ihnen ein „inzestuöses Drama“ bildet. Wenn sich plötzlich alles seifenopern-artig um die Königsfamilie dreht, kann es leicht geschehen, dass man als Spieler zum Statisten wird, und das wäre natürlich nicht im Sinne des old-school/Sandbox/World-in-Motion-Gedankens. So gesehen möchte ich zum Thema NSCs in Istarea gar nicht viel mehr als das eben Skizzierte einbringen, um den SL nicht in Versuchung zu führen, sein eigenes Drama zu spinnen. Das sollte nachwievor von den SCs ausgehen.