MR#11 Abenteuertypen: Das ortsgebundene Abenteuer

Letztes Mal habe ich versucht, das erzählerische Abenteuer als Abenteuer-Typ herauszuarbeiten. Heute widme ich mich seinem Gegenstück:

Typ 2: Das ortsgebundene Abenteuer

Dem ortsgebundenen Abenteuer liegt kein Handlungsverlauf zu Grunde, sondern eine Zahl ausgearbeiteter Örtlichkeiten. Wähle ich so ein Abenteuer, dann geht es mir um Entscheidungs- und Handlungsfreiraum für die Spieler. Die SCs sollen (im Rahmen des Abenteuers) gehen können, wohin sie wollen, wann sie wollen, warum sie wollen. In seiner reinsten Ausprägung – bei Kampagnen spricht man von “Sandbox” – gibt es auch keinerlei vordefinierte Ereignisse oder Ereignisketten.

“Undrama”. Die größte Gefahr, die ich sehe, ist, dass sich diese Art Abenteuer sehr undramatisch entwickeln kann. Meine Möglichkeiten als SL, dramatische Elemente wie Plotwendungen und dichte Spannungsbögen einzubauen, aber auch das Pacing zu steuern, sind minimal. Das System verhält sich eher reaktiv, und der Verlauf folgt ausschließlich den Bewegungen und Handlungen der SCs.

Natürlich kann man auch das ortsgebundene Abenteuer so stricken, dass die SCs die Örtlichkeiten erst recht wieder in einer bestimmten Reihenfolge abklappern müssen (Adventure-Prinzip: Finde den silbernen Schlüssel und sperre damit die silberne Tür auf). Dadurch kann man ein Drama fingieren, aber man entfernt sich gleichzeitig von dem, was ein ortsgebundenes Abenteuer eigentlich an Reiz ausmacht und halst sich dafür auch noch die Probleme des erzählerischen Abenteuers auf…

Vorbereitungsaufwand. Da ich als SL nicht wissen kann, wohin die SCs wandern und welche Aufhänger sie aufgreifen, ist die Chance hoch, dass ich viel mehr Inhalt vorbereite, als die Spieler letztlich im Abenteuer ausreizen. Durch diesen Mehraufwand ist das Schreiben eines ortsgebundenen Abenteuers für die eigene Runde oftmals unökonomisch.

Spielerverantwortung. Ich halte das ortsgebundene Abenteuer in seiner reinen Form für das (aus Sicht der Spieler) Schwierigste und auch Lohnendste. Denn hier werden Örtlichkeiten und Mechanismen definiert, ohne auf den bisherigen Verlauf Bezug zu nehmen. Das hat irgendwie etwas Faires, Unparteiisches, Herausforderndes. Wenn hinter der schweren Steintür der grausame Schattendämon wartet, dann ist das eben so, auch wenn es die erste Tür sein sollte, die die SCs öffnen. Insgesamt verschiebt sich die Verantwortung stark in Richtung Spieler – wohl ein Nebeneffekt des Freiraums, den der SL übrigens hinlänglich gewähren muss, wenn diese Sorte Abenteuer funktionieren soll.

Das ortsgebundene Abenteuer ist nicht umsonst typisch “Old-School”. Früher waren viele Abenteuer nach diesem Schema aufgebaut, sogar einige der ersten DSA-Abenteuer. Auf mich üben diese Abenteuer immer noch einen starken Reiz aus, und als Spieler mag ich sie hin und wieder sehr gerne. Als SL und Autor bevorzuge ich aber Mischformen (außer in Destiny Dungeon, wo altmodisch-Sein ja irgendwie die Vorgabe war).

MR#10 Abenteuertypen: Das erzählerische Abenteuer

Eine meiner Runden hat mich unlängst gebeten, einen Spielleiter-Workshop abzuhalten und ihnen u.a. zu erklären, wie ich denn ein Abenteuer aufbaue. Gute Frage. Ich nehme diese Serie als Gelegenheit, über diverse Abenteuertypen zu reflektieren, beginnend mit

Typ 1: Das erzählerische Abenteuer

Hier stehen Ereignisse und dramatische Entwicklungen im Vordergrund. Dieses Abenteuer erzählt vor allem eine Geschichte, in der die SCs idealerweise die Hauptpersonen darstellen (wenn nicht, ist das Konzept des Abenteuers zu hinterfragen), aber nicht selten gibt es auch 1-2 wichtige NSCs, die beschützt, erlöst, zum Sieg geführt werden müssen oder aber Antagonisten sind.

Handlungsfaden vs. Handlungsfreiraum. Das erzählerische Abenteuer ist, finde ich, schwierig zu designen, denn es gibt einen Handlungsfaden, der nicht verloren gehen darf, auch wenn die SCs unerwartet etwas völlig anderes tun als vom Erfinder erwartet. Natürlich kann man das Abenteuer so anlegen, dass die SCs gar nicht anders können als dem Handlungsfaden zu folgen, aber dann beraubt man die Spieler ihres Handlungsfreiraums. Man spricht dann vom sogenannten Railroading. Es fördert nicht gerade eine proaktive Dynamik und verschiebt die Verantwortung für das Gelingen des Abends sehr stark in Richtung SL.
Wenn also Handlungsfaden, dann plane ich ausreichend Möglichkeiten für die Spieler ein und definiere das Drumherum zumindest soweit aus, dass ich notfalls auch “outside the box” reagieren kann.

Szenenverknüpfung. Das erzählerische Abenteuer lässt sich aus naheliegenden Gründen sehr gut szenisch gliedern, d.h. ich strukturiere es in Abschnitte, die zeitlich und/oder örtlich zusammenhängen. Die Kunst besteht darin, diese Szenen möglichst unterschiedlich zu gestalten, ohne den Gesamttenor des Abenteuers zu verwässern, und das Pacing zu variieren (d.h. manche Szenen geben einfach mehr “Gas” als andere).
Das Wichtigste aber an der Szenengestaltung ist: In jeder Szene sollten die Spieler eine Aufgabe zu erfüllen haben. Szenen, in denen die Spieler nichts zu tun haben, hinterfrage ich, wenn ich sie nicht sogar ersetze oder streiche.

Dramatischer Aufbau. Das erzählerische Abenteuer ist wie ein Drama konstruiert, d.h. beginnend mit einem Prolog, irgendwann überrasche ich die Spieler mit zumindest einem Wendepunkt und führe sie mit einem möglichst straffen Spannungsbogen ins Finale, in dem sie all ihre Ressourcen einsetzen müssen, um das Abenteuer positiv zu beenden (Endgegner-Prinzip). Danach kommt der Epilog, den ich – ebenso wie den Prolog – tendenziell kurz und kompakt halte.
Dieses Prinzip ist bewährt und durchaus empfehlenswert. Es birgt aber die Gefahr der Berechenbarkeit. Es lohnt sich daher (nicht nur in diesem Punkt, sondern ganz allgemein), hin und wieder Strukturen zu brechen und die Spieler mit Unerwartetem zu überraschen.

MR#09 Das erste Abenteuer

Ich weiß nicht, ob es das von manchen als esoterisch angesehene “Gesetz des Anfangs” wirklich gibt, aber vom Gefühl her würde ich meinen, ja. Es besagt sinngemäß und stark vereinfacht, dass sich eine Sache so entwickelt wie sie beginnt. Sollte dem so sein, dann bedeutet das im Bereich des Rollenspiels, dass man vor allem in das erste Abenteuer (einer neuen Runde, einer neuen Kampagne etc.) viel Energie investieren sollte. In ihm verdichten sich Grundhaltung, Motivation, Tenor und Thema der Kampagne und der erste Eindruck, den die Charaktere auf sich selbst und andere machen.

Motivation im ersten Abenteuer. Ein Punkt, den ich schon öfter beobachtet habe, ist, dass die Spieler – zumindest bei dramatischen Kampagnen – bei ihrem Charakter abgeholt werden wollen. SL sollten nicht davon ausgehen, dass die Spieler von sich aus mitziehen. Sogar dann, wenn sie voll dabei sein wollen, könnte es passieren, dass sie von ihrem Charakter ausgebremst werden, wenn der sich nicht richtig motiviert sieht. Da helfen alle XP dieser Welt nicht und auch nicht die Aussicht, irgend einen Schwarzmagier zu erledigen, der irgendein Dorf terrorisiert. Wenn die Kampagne ordentlich ziehen soll, dann müssen die Charaktere durch persönliche Involvierung bewegt werden, z.B. dadurch, dass der Schwarzmagier ein Familiengeheimnis eines der SCs kennt, dadurch, dass einer der SCs Inquisitor ist oder ähnliches. Solche Motivationen sollten vor allem im ersten Abenteuer, am besten bereits im ersten Drittel, eingebaut werden.

Spuren auslegen. Vor allem in Sandbox- und anderen eher offenen Kampagnenspielen sollte das erste Abenteuer ausreichend Aufhänger beinhalten, damit die SCs für den weiteren Kampagnenverlauf aus mehreren Verlaufsvarianten wählen können. Wenn sie immer nur einer Karotte hinterherhecheln, sind wir bald beim Railroading, das zwar auch seine Stärken hat, aber nicht jedermanns Sache ist. Biete ich ihnen aber mehrere Karotten an, dann können sie frei entscheiden, welchen Handlungsfaden sie aufgreifen. Das ist natürlich mehr Arbeit für den SL, da er diese Fäden zumindest im Ansatz bereits durchdacht haben muss. Aber gerade im ersten Abenteuer lohnt sich das, weil es ein nachhaltiges Gefühl von Entscheidungsfreiheit und Dynamik schafft.

Erster Eindruck. Auch Spielercharaktere werden sehr schnell in einer bestimmten Weise wahrgenommen und schubladisiert. Wer also in die richtige Schublade gesteckt werden will, sollte sich die Mühe machen, seinen SC im ersten Abenteuer so überzeugend, plausibel und einzigartig wie möglich zu verkörpern. Design-in-play-Spieler können zu Beginn natürlich noch nicht mit derselben “Persönlichkeitsdichte” aufwarten wie Design-at-start-Spieler und haben es darob eventuell etwas schwerer. Wer aber leichtfertig im ersten Abenteuer ein graues Abziehbild oder eine Persiflage seiner selbst spielt, wird sich davon in den seltensten Fällen erholen.
Nicht unerwähnt muss in diesem Zusammenhang die Aufgabe des SL bleiben, den Charakteren das passende Forum für ihre erste Darstellung einzuräumen. Gerade im ersten Abenteuer brauchen die Spieler Zeit, Raum und Anhaltspunkte, um ihre Charaktere für sich selbst zu finden und einprägsam darzustellen. So ein Forum zu schaffen, ist nicht einfach und mindestens Stoff für einen weiteren Artikel.

MR#08 Charakterkonzept (Teil 2)

Das Thema Charakterkonzept ist so vielschichtig, dass ich mir zwei Aspekte für einen zweiten Teil aufgehoben habe. Und zwar:

Einfluss des Systems und der Erschaffung. Ich habe mehrmals erlebt, dass Spieler mit fixen Vorstellungen ihres Charakters ins Spiel gegangen sind und enttäuschte Gesichter machten, wenn das System und/oder die Erschaffungsroutine das Konzept nicht abbilden konnte. Ich behaupte mal, es ist irgendwo eine Obliegenheit des Spielers, seinen Charakter so zu gestalten, dass das System ihn widerspiegeln kann. Was auf Setting-Seite völlig klar ist, nämlich dass ich z.B. in Aventurien keine Hobbits spielen kann, gilt für mich auch auf System-Seite. Als Spieler muss ich mir also vorher anschauen, wie Charaktere erschaffen werden, welche Typen es gibt und wie spezielle Anforderungen, z.B. an das Alter, umgesetzt werden. Möchte ich z.B. ein Kind spielen, dann werde ich mich vielleicht davon verabschieden müssen, dass ich genauso viel aushalte wie die anderen Charaktere in der Runde, und darf mich nicht darüber beklagen. Kurz gesagt, das System (welches auch immer) hat einfach Parameter, die mich beim Charakterkonzept beschränken. Da es sein kann, dass diese meine Sichtweise mehr jene des verständnisvollen Regeldesigners ist als die des Rollenspielers, würde mich interessieren, ob ihr das auch in Ordnung findet oder ob das ein Thema ist, das euch immer wieder aufstößt.

Kompetenzverteilung. Früher hat man sich bei der Zusammensetzung einer neuen Gruppe entweder keine oder nur rudimentäre Gedanken gemacht, so in der Art “sollten schon 2 Magiebegabte dabei sein” oder “naja, ein Dieb und ein Krieger oder Artverwandtes wär’ nicht schlecht”. D&D4 hat diese Überlegungen weitergesponnen und mit seinen funktionalen Rollen (Controller, Defender, Leader, Striker) ziemlich perfektioniert, was natürlich in einem Taktik-getriebenen System durchaus Sinn macht. Ich meine aber, dass dieses Extrem in einem gleichermaßen auf Story- und Charakterspiel fokussierten Rollenspiel fehl am Platz ist. Zumindest meine Runden sind dann am besten gelaufen, wenn die Spieler in ihrer Rolle aufgegangen sind und nicht dann, wenn Stärken und Schwächen am optimalsten verteilt waren. Vielleicht weil inspirierte Spieler besser, authentischer und umsichtiger agieren?? Was auch immer der Grund sein mag – ich bin mittlerweile völlig davon abgekommen, meinen Spielern funktionale Rollen anzuhängen. Ich werfe zwar schon am Anfang in den Raum, dass z.B. zwei Magiebegabte vorteilhaft wären, falls einer ausfällt und dergleichen, aber wenn die Spieler sich anders entscheiden, dann ist das auch zu akzeptieren. Oder nicht?

MR#07 Charakterkonzept (Teil 1)

Die diversen Gedanken zum Thema “Indie-Spiele” waren so interessant, dass ich dem Artikel etwas Zeit gelassen habe. Nun aber wieder ein neues Thema: Charakterkonzept.

Charakter- vs. Kampagnenkonzept. In einer idealen Welt sind Charakter- und Kampagnenkonzept mit einander verzahnt, d.h. das Skillset der SCs passt zu den Herausforderungen, und der Plot bezieht ihre Backstory mit ein. Doch was kommt zuerst? Dieses Henne-Ei-Problem lässt sich eigentlich nur durch iterativen Abgleich entschärfen, d.h. der SL legt mal das Thema aus (“wir spielen Karawane in der Wüste”), die Spieler suchen dann passende Völker und Klassen (“Berukhani-Barbar” und “Ahatralun-Händler”). In der nächsten Runde gibt der SL mehr Details bekannt (“der Großteil wird Exploration sein, ca. jedes 3. Abenteuer wird in einer Oase spielen”) und die Spieler feilen dementsprechend am Charakterkonzept und -profil. In der letzten Iteration liegen dann Details wie “Der alte Auftraggeber namens Harid al Quaras ist todkrank”, worauf ein Spieler reagieren könnte, indem er dessen Sohn, Neffen oder Bruder verkörpert etc. Problematisch ist in dieser Hinsicht also nur die Überraschungskampagne, bei der die Spieler nicht wissen sollen, was sie erwartet, und ihre Charaktere auf etwas Unbekanntes hin bauen, oder aber die Kampagne des genial-improvisierenden SL, der zu diesem Zeitpunkt selbst noch keine Ahnung hat. Solche soll’s ja geben.

Design-at-start vs. Design-in-play. In meiner letzten Kampagne wollte der SL, dass wir vorab Hintergrundmaterial zu unseren SCs erfinden, und ich muss gestehen, ich habe mir sehr schwer getan. Nicht, weil es Arbeit bedeutete (das bin ich als SL gewohnt), sondern weil ich ein Design-in-Play-Spieler bin, d.h. ich entwickle meine Charaktere gerne nach und nach im Abenteuer.
Schwierig ist natürlich: Wie unterscheidet man als SL einen Design-in-Play-Spieler von einem Design-at-start-Spieler, der einfach nur zu faul ist, sich vorher Gedanken zu machen und ein bisschen, sagen wir mal, Motivation braucht? Und hat man überhaupt das Recht, ein Charakterkonzept einzufordern, oder ist das letztendlich ohnehin der Schaden des Spielers, wenn er nicht weiß, was er eigentlich darstellt?

Jetzt seid ihr dran. Welcher Spielertyp seid ihr? Und was steht bei euch zuerst, Charakter- oder Kampagnenkonzept? Was findet ihr besser?

Freude über das erste Destiny Dungeon Review

… und wir unterbrechen unsere Meta-Rollenspiel-Artikel-Serie für einen verbalen Freudensprung: Destiny Dungeon hat soeben seine 1. Impression erhalten, und sie ist… äußerst erfreulich!

Zu lesen auf Tagschatten.

Auch wenn TheShadow in seinem Blog den Begriff der Destiny-Punkte “scheiße” findet (ich muss ja zugeben, dass ich sie zuerst auch anders nennen wollte), spricht der Artikel, der keine Rezension, sondern nur ein “Ersteindruck” sein will, doch eine überwiegend positive Sprache. Ich möchte aber nichts vorwegnehmen, lest am besten selbst rein.

Dass Destiny Dungeon punktuell sogar über Dungeonslayers und Savage Worlds gestellt wird, ist schon besonderes Lob und Balsam auf meine gestresste Autorenseele. Damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Aber das Web 2.0 überrascht einen eben immer wieder. Und manchmal sogar extrem positiv!

Wer mit mir virtuell anstoßen möchte, ist übrigens herzlich eingeladen. *klönk*

MR#06 “Was spielen?”

Wenn es zur Frage kommt, welches Spiel überhaupt gespielt werden soll, gibt es prinzipiell mal zwei Möglichkeiten: entweder etwas Bekanntes, Verbreitetes oder ein Klein-/Nischen-/Independent-Produkt. Kann man beides überhaupt vergleichen? Ich habe gerade einen schwarzen Raben auf meiner linken Schulter entdeckt, der zu diesem Thema etwas sagen möchte. Ich muss aber warnen, er ist sehr zynisch und ziemlich scharfschnäblig.

“Diese Indie-Spiele. Mal ehrlich… die kennt doch keiner, also mit wem sollte man sich darüber unterhalten? Außerdem sind die Konzepte oft verwirrend. Man stelle sich nur vor, mit zwei Sechsseitern einen Wert im Bereich 11 bis 66 zu erwürfeln – wem fällt so etwas Krankes ein? Wo doch bereits der W20 erfunden wurde! Warum eigentlich von Bewährtem abweichen? Und außerdem: Indies können sowieso nie mit den Großen mithalten. Dieses ganze selbstgebastelte Zeug mit den zweitklassigen Illustrationen und dem mickrigen Portfolio – wo bleibt denn da der langfristige Spielspaß?!

Auf der anderen Seite die guten, alten Marktbeherrscher. Einem Rollenspieler kann doch nichts Besseres passieren als ein Spiel zu spielen, das tausende andere auch spielen! Von wegen, man sei dort eingeschränkt und hätte keinen kreativen Freiraum. Viel wichtiger ist, dass sich haufenweise Material dafür auf dem Markt findet. Wer will sich schon selbst Gedanken machen!? *kräh kräh*”

*den Schnabel halt* Der Rabe mag es ein bisschen übertrieben haben, aber er ist nicht so weit weg von dem, was man so im Internet liest. Es werden noch immer weitläufig D&D, DSA & Co. empfohlen, obwohl mittlerweile wirklich jeder weiß, dass die Marktbeherrscher weder besser noch einfacher zu erlernen sind. Aber sie haben eben ihre Vorzüge. Nebenbei bemerkt: Auch ich ertappe mich immer wieder dabei, Kaufentscheidungen nach der äußeren Aufmachung, dem Umfang und der Palette an Zusatzmaterial zu treffen.

Aber was denkt Ihr darüber? Fiele eure Wahl auf ein Indie-Spiel, oder würdet Ihr letztlich doch auch bei D&D, DSA & Co landen?

MR#05 Kampagnenform

Einer der Punkte, der mir bei der Planung einer Kampagne/Runde wichtig zu sein scheint, ist die Form. Damit meine ich v.a. wieviele Abenteuer werden gespielt, gibt es ein Ziel usw.

Ich persönlich finde z.B. die Mischung aus “endlos Setting Bespielen” und “abgeschlossene Kampagne mit dramatischem Fokus” (ich nenn es mal so) besonders reizvoll. Da kann ich die Eigenheiten und Nuancen des Settings kennenlernen und wirklich eintauchen, und trotzdem dann und wann Kampagnen mit dramatischem Ziel erleben. Es erlaubt mir auch, meinen Charakter über mehr als eine Handvoll Abende hinweg zu entwickeln. Ich mag es, SCs klein zu beginnen und zu großen Berufungen zu führen.

Beim One-Shot – um das Gegenteil ins Spiel zu bringen – kann ich das nicht, deshalb sind One-Shots für mich zwar ideal zum Kennenlernen (von Spielern oder von Systemen) oder als Pausenfüller Marke “ganz nett mit Potenzial nach oben”, aber nur selten so erfüllend wie extensive Plot- und Charakterentwicklung. Andererseits werden Spieler, die genau darauf keinen Wert legen und keine Lust haben, sich in ein Setting einzulesen/-denken, mit dem One-Shot wesentlich mehr Freude haben und das Endlos-Setting-Bespielen langweilig und inzestuös finden.

Hat man nun Spieler beider Präferenzen (Abwechslung vs. Entwicklung) in einer Runde und ist gemeinsame Zeit begrenzt, dann fällt mir als Kompromiss nur die Variante ein, ein Setting quasi als “Grundrauschen” wiederkehrend zu bespielen, dazwischen aber immer wieder thematische “Auszeiten” zu nehmen, in denen abgeschlossene Kampagnen (8 Abende) oder Mini-Kampagnen (4 Abende) in anderen Welten eingeschoben werden. Es bleibt natürlich die Gefahr, dass bei mehreren Wochen Abstinenz die eigentlich angestrebte Charakter- und Plotentwicklung erst recht auf der Strecke bleibt, aber was sind die Alternativen?

Ich wollte mit dieser Gegenüberstellung zweier sehr verschiedener Spielarten eigentlich nur darauf hinaus, dass, wenn es um Bedürfnisse geht, oft über Systeme und Settings und über SL-Instrumentarien nachgedacht wird, aber seltener der Aspekt der Kampagnenform ins Spiel gebracht wird. Vielleicht, weil der Gegensatz so schwer aufzulösen ist. Oder scheint.

MR#04 Das Drumherum

Nach dem fast schon philosophischen Themenblock in MR#03 soll es heute um etwas eher Weltliches gehen, und zwar um die Rahmenbedingungen des Rollenspiels, z.B. wann, wo und wie oft idealerweise gespielt werden sollte und ob und wie mit Pausen zu verfahren ist. Ich werfe wieder mal drei – freilich sehr subjektive – Gedanken in den Äther.

Lage und Länge der Sessions. Ich habe jahrelang eine Sonntags-Runde gehabt und war der Meinung, alle zwei Wochen von 14.30 bis 23.00 durchzuspielen, sei das einzig Wahre. Für große Abenteuer mit viel Inhalt, Spannungsbogen und strategischen Elementen war es auch so. Mittlerweile habe ich nur noch abendliche unter-der-Woche-Runden á 3 Stunden Nettospielzeit, und so schön sie auch sein mögen, ich fühle mich als SL oft eingeengt. Ich bemerke zwar, dass ich allmählich besser darin werde, episodisch zu leiten, aber irgendwie bleibt ein unbefriedigendes Gefühl, wenn es mal nicht gelingt, am Ende der Session einen Erfolg oder einen Höhepunkt zu inszenieren. Man muss dazu sagen, dass diese unter-der-Woche-Runden auch nur ca. alle 3 Wochen stattfinden; würde jede Woche gespielt, sähe die Welt vielleicht anders aus.

Örtlichkeit. Ich bin ja einer von diesen Stimmungsrollenspielern, die am liebsten in einer geheizten Grotte bei Kerzenlicht spielen würden und sich beim Rollenspiel in Küchen, Kleingärten oder Schulklassen gar nicht so wohl fühlen. Ich würde ja gerne dafür plädieren, sich den Spielort gut auszusuchen, aber die Realität ist, dass man oft schon froh sein kann, wenn man überhaupt einen Platz zum Spielen hat. Da treffen allerlei Bedürfnisse aufeinander (kurze Anfahrtszeit, keine Kinder im Hintergrund, Privatsphäre…), die nicht immer leicht zu erfüllen sind. Gasthäuser scheinen mir da auch nicht so attraktiv zu sein (“Darf’s noch was sein, die Herren?”), und Vereine? Ja, wenn man Glück hat, gibt es ein nettes Vereinslokal in der Nähe. Aber was, wenn nicht? Wohin dann mit dem Spiel?

Pausendilemma. Wir hatten eine Zeit, da war die Immersion so wichtig, dass Pausen und off-topic-Geplaudere geradezu verpönt waren. Jede Minute war kostbar. Die Qualität des Spiels war unglaublich hoch, das muss ich schon sagen, aber rückblickend zweifle ich daran, dass es gut für die Runde war, blieb doch die soziale Interaktion irgendwo auf der Strecke. Im Vergleich sehe ich in Runden, in denen auch geplaudert oder sogar gemeinsam zu Abend gegessen wird, dass sich die gepflegte Chemie auch auf die Qualität des Zusammenspiels auswirkt. Ich bin daher mittlerweile ein Freund von off-topic-Zeit geworden und sehe die damit verbundenen Nachteile (postprandiale Müdigkeit, Zeitverlust) weniger kritisch angesichts des Mehrwerts an sozialer Interaktion.

Und… was denkt Ihr dazu?

MR#03 Bedürfnis-Philosophie

Jeder hat seine eigenen Vorstellungen davon, wie Rollenspiel ablaufen sollte. Der Schlüssel zum idealen Rollenspielerlebnis kann daher nur dort liegen, wo die Bedürfnisse der konkret Beteiligten bestmöglich erfüllt werden. Was natürlich auch heißt: Je weiter deren Bedürfnisse auseinander liegen, desto schwieriger oder weniger erfüllend der Kompromiss. Wie Gläser, die in einem Zug befüllt werden sollen. Wenn sie unterschiedlich weit auseinander stehen, wird notwendigerweise Wasser verschüttet. So einfach ist das.

Rollenspiel-Norm. Oder? Kann die Antwort auf eine so komplexe Frage so einfach sein? Wenn ja, bedeutete das wohl, dass es so etwas wie “richtiges Rollenspiel” nicht gibt. Oder es gibt eine dem Genre verpflichtete, ungeschriebene Obliegenheit, eine “Norm”, Rollenspiel in einer gewissen Art und Weise zu betreiben, und jene, deren Bedürfnisse von dieser Norm abweichen, müssen im Spiel mit anderen damit rechnen, weniger Befriedigung zu finden, vielleicht sogar abgewertet zu werden. Meine Vermutung ist, dass es diese “Norm” kraft des Faktischen gibt. Kraft Blogs, Foren, Meinungsführern, kurzum: kraft Zeitgeists. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gut finde, aber ich glaube, es ist so.

Dienstleistungs-SL. Robin D. Laws hat mit seinen Spielertypen der Welt einen sehr wertvollen Dienst erwiesen. Er hat das Bewusstsein geschaffen, dass die Spieler unterschiedliche Bedürfnisse haben und es Ziel eines SL sein muss, jeden so weit wie möglich zufrieden zu stellen. Ich finde, das ist ein wunderschöner Gedanke. Aber birgt er nicht auch die Gefahr, uns – quasi wie Mainstream-Radio, das ja auch eine Mehrheit befriedigen und niemanden stören soll – in eine Welt der Kompromisse und des Durchschnitts zu führen? Ist da noch Platz für Visionen des Spielleiters, für Experimente und schräge Eigensinnigkeiten?

Spielertypen als Kategorisierungsfalle. Ich habe mich unlängst dabei ertappt, einige meiner Spieler nach den Laws-Typen zu kategorisieren, obwohl die Wahrheit natürlich komplexer ist und kein Spieler nur Method Actor oder nur Storyteller ist. Irgendwo birgt die Typisierung auch die Gefahr, es sich (als SL) zu einfach zu machen. Soll ich mich wirklich darauf zurückziehen, Spieler XY als Casual Gamer zu betrachten und mitlaufen zu lassen, oder habe ich nicht irgendwo die Pflicht, ihn herauszufordern, ihn an seine Grenzen zu führen und ihm zu zeigen, wie wohltuend prickelnd es sein kann, mal so richtig in der Rolle aufzugehen und im Gespräch mit dem Großinquisitor Blut zu schwitzen? Ich zumindest habe das Gefühl, dass das eine meiner Aufgaben als SL ist.

Goldene Regel. Die Goldene Regel, bisweilen auch als Rule Zero bezeichnet, gibt es mittlerweile in vielen Nuancen. Eine meines Erachtens recht zeitgemäße Interpretation ist jene, die besagt, dass der Spielleiter das letzte Wort haben soll, wenn es darum geht, dem gemeinsamen Spielspaß gegenüber Regelfragen und -diskussionen zum Sieg zu verhelfen. Das wirft natürlich wiederum Probleme auf, denn was ist denn hier das größere Ganze, dem der SL als primus inter pares Vorschub leisten soll? Das Drama? Ehrlichkeit im Spiel? Berechenbarkeit? Regeltreue?

PiHalbe hat in einem seiner Podcasts mal gesagt (sinngemäß): Wenn ein Spiel die Goldene Regel enthält, gibt der Autor gewissermaßen zu, dass es fehlerhaft ist, sonst bräuchte er die Goldene Regel ja wohl nicht. Kann man das so sehen? Ist die Goldene Regel überhaupt eine Regel im Sinne des Regelwerks? Ich denke nicht. Ich halte sie vielmehr für ein zwischenmenschliches Konzept bzw. den gut gemeinten Versuch, ein solches ins Spiel zu integrieren.

Und… was sind Eure Gedanken dazu?