DD#24 Bericht vom 1. Destiny-Dungeon-Workshop

Letzter Freitag war ein Mega-Meilenstein: Der erste Destiny-Dungeon-Workshop fand statt! Teilnehmer waren vier Rollenspieler, die möglichst wenig gemeinsam haben sollten: ein Cthulhu-Guru, eine D&D-Spielerin, ein Old-School-Jünger sowie ein bereits mit Destiny gut vertrauter alter Freund. Auf dem Plan standen 17.00 Beginn mit Mango und Melone, Regeln erklären, Character erschaffen, Abenteuer spielen und Nachbesprechung mit Cocktails. Sehr erfreulich: Ich konnte mein selbst auferlegtes Destiny-Zeitlimit – Erklärung der Regeln und Erschaffung binnen 1 Stunde – tatsächlich halten, sodass genug Zeit für das Abenteuer blieb:

Um 18.00 startet wir im wiedereröffneten Wirtshaus zum leuchtenden Würfel, dessen Hintergrundgeschichte man erst hören wollte, als ein rachsüchtiger, halb verdauter Magier auftauchte, einen Naraskius anrief und, nachdem dieser sich nicht meldete, das Wirtshaus mitsamt allen Anwesenden in den Sumpf teleportierte. Es folgten Gespräche mit Wirtin und Gästen und Durchsuchen der Gaststätte, dann brachen plötzlich Schatzsucher-Zwerge durch, aber den Vortritt in den geheimen Keller des Naraskius überließen sie dann doch den SCs. Da waren Fallen und Rätsel aller Art und Meister Naraskius selbst – bzw. sein Geist. Nachdem die SCs ihn losgeworden waren, fanden sie seinen Schatz und sein Tagebuch und die Hintergründe über die Fehde mit dem halbverdauten Einen. Da sich das Wirtshaus aber immer noch im Sumpf befand und kein Weg daraus ersichtlich war – zwei Tage waren die SCs unterwegs, wobei sie zumindest eine Ogerhöhle und ein Dorf nicht allzu offenherziger Elfen entdeckten – musste es noch ein anderes Problem geben: Ah! Man überredete/überwältigte die Wirtin dazu, ihr neu eröffnetes Wirtshaus wieder zu schließen. Das half! Der verdaute Eine tauchte tatsächlich auf, doch die Wirtin lief plötzlich Amok – und unglücklicherweise in ein Wasserloch. Und schon war der Eine hochzufrieden: Das Gasthaus seines Feindes war geschlossen, dessen Ur-ur-ur-Enkelin tot. Großmütig teleportierte er Wirtshaus plus Gäste wieder zurück.

Dafür, dass sich von den vier Spielern nur zwei kannten, lief das Rollenspiel sehr reibungslos, und ich glaube nicht, dass man spürte, dass es ein Alpha-Test war. Als SL hat’s jedenfalls viel Spaß gemacht. Die Nachbesprechung war extrem erhellend, alle Beteiligten konnten mir – teilweise dank schriftlicher Aufzeichnungen während der Session – präzise vermitteln, was für sie besonders gut funktionierte und was nicht.

  • Mir besonders wichtig war das Grundfeedback, dass die Destiny-Engine absolut perfekt läuft und ausreichend Old-School-Spielgefühl heraufbeschwört. Das ist schonmal wichtig, denn sonst hätte ich das ganze Projekt hinterfragen müssen.
  • Positives Feedback gab es auch zu meinen Archetypen-Beschreibungen, die inhaltlich interessant, fantasievoll und „tongue-in-cheek“-ig erachtet wurden. Conclusio: Inhalt kann mal bleiben, Text muss natürlich noch sprachlich überarbeitet werden.
  • Leider spiegelten sich die Archetypen im Spiel nicht ausreichend wider. Es wurde bemängelt, dass alle Archetypen gleich viele KON und Destiny-Punkte hätten und sich in diesem Punkt zu wenig unterschieden. Conclusio: Alle Archetypen bekommen eigene Startwerte bei KON und Destiny-Punkten. Letztere sind nicht mehr an die Stufe zu binden.
  • Auch wurde negativ befunden, dass der Attribut-Range bei der Erschaffung zu gering sei und alle irgendwie recht „durchschnittlich“ seien. Meine Vermutung, dass die nackten Wahrscheinlichkeiten ohnehin von niemandem als Differenzierungsmerkmal betrachtet würden, war somit schlicht falsch. Conclusio: Wertebereich nach oben und unten erweitern.
  • Psychodynamisch interessant und positiv bewertet wurde das Festlegen der Attribute bei der Erschaffung mittels Würfelwurf. Ich hatte befürchtet, dass dieses Zufallselement nicht so gut ankommen würde, aber Einflussnahme und Unberechenbarkeit dürften einander dabei gut die Waage gehalten haben.
  • Kurios: Die Freiräume, die ich bei der Erschaffung einräumte, damit man auch aus den Archetypen ausbrechen könne, wollten die Spieler gar nicht. Vielmehr rieten sie mir, meine Vorstellungen von den Archetypen einfach festzulegen und alles drumherum verpflichtend zu bauen. Conclusio: Mehr Mut zum Archetyp, spezifische Talente nicht optional, sondern verbindlich machen.
  • Zu Abenteuer und Welt erhielt ich das – für mich besonders erhebende – Feedback, dass man bereits anhand vieler Kleinigkeiten spüre, dass Istarea als eine schlüssige, lebendige Welt im Hintergrund existiert, die sich auch ohne Zutun der Spieler entwickelt. Sehr gefreut habe ich mich darüber, dass die Limis-süchtigen Elfen und gewaltlosen Zwerge gut angekommen sind und nicht ins ausgelutschte Klischee kippten. Da bin ich offenbar auf dem richtigen Weg.

Insgesamt also noch vieles zu tun! Ob ich den September wirklich schaffe? Keine Ahnung. Eines ist aber sicher: Es wird noch einen zweiten Workshop, vermutlich im August, geben, in dem sich die adaptierten Erschaffungsregeln beweisen werden müssen und Steigerungs- und Ressourcensystem im Fokus stehen werden.

Die Berufung des Kritikers

Am Wochenende sahen sich meine beiden Kleinen Rattatouille an. Ich kannte den Film bisher nicht und habe zunächst nur mit einem halben Auge zugesehen. Aber wie meistens bei Animationsfilmen stecken unter der Oberfläche höchst interessante und zeitlose Botschaften. In diesem Fall hat mich der Film dazu angeregt, über Kritik im Allgemeinen und über die Berufung zum Kritiker nachzudenken. Wie ihr ja sehen könnt, habe ich in meinem Blog auch eine Kategorie „Rezensionen“, die ich befülle, wann immer mir ein Produkt in die Hände fällt, mit dem ich mich auseinander setze. Aber nach Rattatouille überlege ich mir ernsthaft, diese Kategorie zu entfernen.

In der heutigen Zeit wird jeder Konsument zum Kritiker. Jeder schreibt Rezensionen auf Amazon.de oder vergibt Sterne in Online-Stores, und auch in der Rollenspiel-Community finden sich immer wieder jene, die in Blogs oder Foren Rezensionen verfassen. Ich finde das grundsätzlich gut, denn auch ich als Verbraucher profitiere von Empfehlungen, an die ich mich halten kann in diesem unendlichen Meer an Produkten. Aber ist auch jeder, der rezensiert, kritisiert, bespricht, beschreibt geeignet zum Kritiker?

Bis vor kurzem fragte ich mich in diesem Zusammenhang: Darf es wirklich sein, dass jemand eine Kritik schreibt, der selbst nie ein Buch geschrieben hat, eine Musik komponiert hat, einen Film gedreht oder ein Rollenspiel erdacht hat? Nun frage ich mich umgekehrt: Darf es sein, dass jemand eine Kritik schreibt, der selbst ein Buch schreibt, eine Musik komponiert, einen Film dreht oder ein Rollenspiel erfindet?

Die Kritiker von einst – ich meine die Hanslicks und Reich-Ranickis dieser Welt – sie waren unverblümt, gnadenlos, subjektiv, aber kompetent. Natürlich waren sie nicht immer fair, denn sie hatten ihre Lieblinge und Hassobjekte, aber davon abgesehen sahen sie sich mit ihrer Kritik vorwiegend dem Genre verpflichtet. Ihre Kompetenz erwuchs nicht aus der Fähigkeit, den Schaffensprozess nachzuvollziehen. Reich-Ranicki als Bestseller-Autor? Hanslick als weltberühmter Komponist? Wohl kaum. Dennoch waren sie anerkannte Größen. Ich komme also zu dem Ergebnis, dass man ein Produkt sehr wohl kritisieren kann/darf/soll, auch ohne selbst schon mal im Spotlight gestanden zu haben.

Viel gefährlicher erscheint mir der Kritiker, der seinerseits Schaffender ist. Jemand, der selbst ein Buch schreibt, selbst komponiert, selbst ein Rollenspiel verfasst, sieht überall Elemente, die er so nicht oder anders gemacht hätte. Keine Frage, er hat mehr Einblick in den Schaffensprozess, aber sein Blick ist – so sehr er sich auch um Objektivität bemüht – oft „geeicht“ auf das, was er besser gemacht hätte. Im schlimmsten Fall verliert er den Sinn für das Ganze, wird zum Analytiker, zum Fehlersucher, der nur noch das Haar in der Suppe sucht und – in den meisten Fällen – auch findet. Damit solch ein Kritiker eine ausgeglichene Kritik schreibt, braucht es eine wahrlich erhabene Persönlichkeit.

Ich habe für mich beschlossen, dass mir der erste Kritiker in all seiner Unberechenbarkeit und potenziellen Gnadenlosigkeit lieber ist als der zweite. Ich möchte lieber von jemandem gelobt oder zerrissen werden, dessen Spezialität es ist, mich am Genre zu messen als an seinen eigenen unterdrückten oder im Wettbewerb stehenden Ambitionen. Und weil ich selbstkritisch bin und nicht mit Sicherheit beurteilen kann, ob ich die oben erwähnte Erhabenheit besitze, werde ich fortan keine Rezensionen mehr zu Themen schreiben, in denen ich selbst schaffend aktiv bin.

Ihr aber seid herzlich eingeladen, auf meinem Blog als Gastautoren Rezensionen zu neuen Produkten zu veröffentlichen, wenn ihr das wollt!

Wie sag‘ ich’s meinem Spielleiter?

Spielleiter-Sein ist ein oft ungedankter Job. Man bereitet Campaigns vor, bekommt weniger Chips und moderiert stundenlang hochkonzentriert, um es allen Recht zu machen. „Na, wie hat’s euch gefallen?“, fragt man dann am Ende und erntet vielleicht ein „Eh gut!“, wenn’s blöd hergeht aber „Sorry, aber mich hat’s nicht umgehauen.“ Das muss in der Form nicht sein. Weil man damit motivieren, aber auch demotivieren kann, widme ich meinen heutigen Artikel dem Feedback.

1. Empfangsbereitschaft. Sinn eines Feedbacks ist nicht, sich Frust von der Seele zu reden oder zu speichellecken, sondern dem anderen zu einer neuen Sichtweise zu verhelfen. Dazu muss aber dieser zuerst Empfangsbereitschaft signalisieren. Ist das nicht der Fall, aber der Leidensdruck beim Spieler zu groß (ein tyrannischer Spielleiter oder eine nicht abreißende Serie von todlangweiligen Abenteuern), dann sollte man das unter vier Augen besprechen, aber nicht als Feedback coram publico erörtern.

2. Feedback geben. Damit der kritische Punkt leichter angenommen werden kann und nicht reflexartig abgelehnt wird, kann man ihn einbetten, z.B. zuerst einen Punkt ansprechen, der einem sehr gut gefallen hat, danach den kritischen Punkt und als drittes einen Verbesserungsvorschlag. Man sollte dabei Ich-Aussagen tätigen und Wertungen vermeiden. „Ich habe das Abenteuer stellenweise langatmig empfunden“ ist besser als „Das war dein bislang ödestes Abenteuer“. Damit der SL etwas mit dem Feedback anfangen kann, muss es jedenfalls konkreter als das sein. Beispiele helfen: „Zum Beispiel die Szene in der Schlucht, als sich jeder erwartet hat, dass etwas passiert…“

3. Feedback annehmen heißt Geduld haben, den anderen ausreden lassen, eventuell nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Rechtfertigen sollte man sich nicht. Ja ja, der Spielleiter kennt sein Abenteuer besser und hat 100 gute Gründe gehabt, aber Sinn der Feedbackrunde ist nicht, in einen Diskurs zu gehen. Letzter Punkt: Dankbarkeit. Für Feedback sollte man dankbar sein oder sich zumindest dankbar zeigen.

Feedback ist wie Medizin. Es schmeckt manchmal gar nicht gut, aber es hilft einem weiter. Mir zumindest hat es in der Vergangenheit sehr geholfen, und auch das Feedback hier im Blog und in den Foren ist von unschätzbarem Wert. Also sage auch ich an dieser Stelle an alle Kommentatoren: Danke!

Gut Ding will Weile haben

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man als Konsument ziemlich schnell im Urteilen ist. Man hält z.B. ein Regelbuch in der Hand und findet gleich mal, es ist zu dick, die Illustrationen sind hässlich, das Kleingedruckte kaum lesbar, was auch immer.  Auch in Bezug auf Menschen werten wir viel zu oft und viel zu schnell. Und wir neigen auch noch dazu, unsere erste Einschätzung unbewusst zu bestätigen. Echt genial!

Der Fokus ändert sich erst dann, wenn man selbst einen Teil von sich hergibt, sich oder sein Produkt in die Öffentlichkeit stellt. Dann kommen plötzlich die Sensibilität und die Wertschätzung für die Arbeit anderer. Umso mehr schmerzt es da, wenn man sieht, wie Rollenspiele wegen schlechter Interpunktion verunglimpft oder mangels Index pauschal abgewertet werden. Ein gutes Produkt, das ich kenne und sehr gerne spiele, wurde dafür gebasht, dass sich das PDF nach dem Öffnen nicht automatisch auf Fenstergröße zoomte. Ja, so ist das.

Jörg von Richtig Spielleiten! hat es vor einiger Zeit im Tanelorn auf den Punkt gebracht. Er hebt dort das virtuelle Glas „… auf eine gute Zukunft und auf die Ausdauer, neue Sachen nicht einfach auf die Halde zu werfen, wenn sie mal nicht auf Anhieb funktionieren,“ und hält ein Plädoyer dafür, dass man Rollenspiele erst kennen lernen sollte, ehe man sich ein Urteil bildet. Wie wahr, wie wahr. Aber hey, wir leben im Zeitalter von Web 2.0! Spieler werden zu Produzenten, Konsumenten werden zu Rezensenten, und in dieser Flut an (oftmals kostenlosen) Produkten ist es nur logisch, dass man sich immer weniger Zeit für den ersten Eindruck nimmt.

So schön es wäre, ich glaube, es hat wenig Sinn, dafür zu plädieren, sich mehr Zeit für ein Produkt zu nehmen. Dazu ist unsere Zeit zu schnelllebig. Was wir aber tun können, ist, gute Produkte (= solche, die uns gefallen) weiterzuempfehlen. Mein Aufruf also: Votet für die Sachen, die euch gefallen! Schweigt nicht, wenn ihr etwas gut findet! Nehmt es nicht für selbstverständlich! Ob Musik, Blogs, Filme oder (AceOfDice-)Rollenspiele – wenn’s Euch gefällt, empfiehlt weiter, bloggt, teilt, sharet und twittert was das Zeug hält! Nur so haben viele Spiele die Chance, auf den zweiten Blick ihre Qualität zu entfalten. Dankeschön!

Feedback einer illustren Runde

Letzte Woche hatte ich das Vergnügen, für eine besondere Runde Destiny-Beginner zu leiten: bestehend aus 4 mir weitgehend unbekannten Frauen und einem 12-jährigen Jungen. Ich muss gestehen, es war ein seltsames Gefühl zu Anfang. Und der Junge, David, war auch ein ungewöhnliches Zielpublikum. Bisher leitete ich immer für Veteranen, und plötzlich hatte ich da jemanden, der bis auf Drakensang noch keinerlei Erfahrung im Genre hatte und dem am Wichtigsten war, einen Elfen mit einem Wiesel auf der Schulter zu spielen. Nix mit ehrfürchtigem „Ohh!“ und „Aah!“, wenn ich die Regeln erklärte, kein interessiertes Kopfnicken während meiner Einführung in das Setting, sondern ein sich periodisch wiederholendes „Können wir jetzt endlich anfangen?“

Na Gott sei Dank steht auf Destiny-Beginner drauf, dass man damit in 5 Minuten losstarten kann. Ich glaube nicht, dass David die Erschaffung eines DSA- oder D&D-Charakters durchgehalten hätte. Dass wir dennoch über eine halbe Stunde brauchten, lag eher daran, dass die Mädels ihre Rollen und Funktionen sehr gewissenhaft verteilten. Die Werte selbst standen dann wirklich binnen weniger Minuten am Sheet.

Das Spiel selbst war toll. Ich leitete das Beispiel-Szenario „Dunkelheit in Hmûr“, warf die Hälfte davon über den Haufen (so wurde etwa aus dem präpotenten Istrith-Magier Makranor schlichtweg eine Leiche) und traf mit einer eher offenen, narrativen Moderation voll den Nerv der Runde, die – Recherchen machen sich bezahlt – zuvor sehr engagiert das Weltenbuch gespielt hatte. Zeitweise spielten alle so begeistert mit einander, dass ich nahezu unbemerkt gehen und Parkscheine wechseln konnte! So was habe ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Echt erfrischend!

Erhebend war vor allem das Feedback: Die Spielerinnen waren begeistert, dass ich so auf sie eingegangen war, das System sei super-einfach und unterstütze selbst ihre abgefahrenen Aktionen, und Setting und Abenteuer seien unglaublich schlüssig und logisch. Nach jahrelangen Analysen und kritischem Feedback war das echt Balsam auf meine Spielleiter- und Spieledesigner-Seele. Jetzt weiß ich wieder, warum ich all das mache.