DD#31 Sandkastenträume

Ich hänge. Nicht schmerzhaft, aber doch irgendwie in der Luft. Und zwar mit den für Destiny Dungeon geplanten Szenarien, die ja doch ein wichtiger Punkt in diesem Sandbox/World-in-motion-Paket sein werden. Im Urlaub hatte ich ein wenig Zeit darüber nachzudenken, wie ich die Dungeons/Szenarien/Plots gestalten und präsentieren soll. Nun habe ich das Gefühl, dass vieles davon gegensätzlich bzw. schwer zu vereinbaren ist.

  1. Die Dungeons sollen dramatisch möglichst unabhängig von einander sein, also keine „Perlenkette“ bilden. Umgekehrt möchte ich aber eine inhaltliche Verflechtung ermöglichen und nicht bloß 1-Session-Dungeons veröffentlichen.
  2. Sie sollen dynamisch sein, aber die Dynamik darf nicht „vorgekocht“ wirken. Will heißen: In den einzelnen Szenarien soll sich was tun können, aber ohne dass die Spieler das Gefühl haben, dass sich seltsamerweise immer dann was tut, wenn sie zu einem Dungeon hinzustoßen.
  3. Die Spieler sollen ganz offizielle Informationen über die Dungeons erhalten, um auch von sich aus Entscheidungen treffen zu können wie z.B. „Lasst uns zum Feuerwasser-See gehen, dort lebte ein Elementarist, vielleicht wusste der ein Gegenmittel gegen ewig brennendes Feuer!“ Zu wenig Information über die Dungeons nimmt den Spielern die Möglichkeit, sie aus Eigeninitiative anzusteuern, zu viel Information entmystifiziert sie allerdings wiederum. Ursprünglich hatte ich mir überlegt, einen Spielerinfo-Absatz zu jedem Dungeon zu verfassen, in dem sich Fakten und Gerüchte vermischen. Diesen Ansatz sehe ich mittlerweile kritisch, weil er die SCs in die Irre führen und sie im schlimmsten Fall (bei gefährlicheren Dungeons) das Leben kosten könnte.
  4. Auch der optimale Detailgrad will sich mir nicht so recht eröffnen. Mein Ansatz wäre gewesen, zu jedem Dungeon/Szenario – analog zu Flucht von Valmorca – ca. 1 Seite Material zur Verfügung zu stellen. Das reicht allerdings für nicht mehr als einen groben Plotpoint. Meine Idealvorstellung, dem SL auch gleich konkrete Ortsbeschreibungen, Rätsel, Fallen etc. in die Hand zu geben, lässt sich bei dieser Granularität nur schwer erzielen. (Bei Valmorca funktionierte das besser, weil es eher handlungsgetriebene Szenarien waren. Ortsbeschreibungen brauchen deutlich mehr Worte).
  5. Ich möchte keinen unsichtbaren Metaplot über die Dungeons legen, aber trotzdem Möglichkeiten für den SL einbauen, einen Plot aus einem Dungeon heraus zu einem zweiten weiterzuentwickeln. Die Herausforderung wird sein, Elemente so über die Dungeons zu verteilen, dass sich in jedem Dungeon zwei Optionen für den Besuch weiterer Dungeons anbieten, ohne dass sich das ganze nach einer Schnitzeljagd anfühlt. Der Punkt bereitet mir im Augenblick am meisten Kopfzerbrechen, noch dazu, weil ich ja (siehe 1.) keine zu starke Verflechtung möchte und (siehe 2.) keine Plots oder Entwicklungen vorwegnehmen kann/sollte.

Die eierlegende Wollmilchsau ist für den Designer wohl das, was der rasende Keiler für den Jäger ist. Ich melde mich, wenn ich einen Weg gefunden habe, diese 5 Punkte zumindest mehrheitlich zu adressieren. Wohlgemeinte Ratschläge natürlich jederzeit willkommen!

DD#20 Der SC als Lastengaul

Einer der wichtigeren Punkte bei Destiny Dungeon scheint mir das Thema Ressourcen-Management zu sein. Ich habe daher mich daher mal gedanklich dem Thema Tragkraft und Gewicht gewidmet, wannimmer ich dieses Wochenende am Balkon weilen und ins Grüne blicken konnte. Herausgekommen ist dabei, dass ich dem Thema ambivalent gegenüber stehe. Auf der einen Seite ist für mich das Thema Tragkraft ein ganz typisches old-school-Merkmal, auf das ich nicht einfach verzichten möchte, auf der anderen Seite weiß ich – nicht zuletzt aus unserem Retro-DSA-OneShot – dass das Zusammenfitzeln von Unzen heute vermutlich niemanden mehr hinter dem Ofen hervor lockt.

Ich spiele daher mit dem Gedanken, das Thema Tragkraft und Belastung in Destiny Dungeon nicht über Unzen, Kilogramm oder sonstige Gewichtseinheiten zu spielen, sondern über, nennen wir sie mal: „Gewichtspunkte„. Die sollen im Prinzip nichts anderes sein als ein von mir noch näher zu definierendes Maß, welches Gewicht und vielleicht auch Sperrigkeit inkludiert, und was auch immer ein SC im Abenteuer kauft oder an sich nimmt, hat entweder keinen, einen oder mehrere von diesen Punkten. Das könnte z.B. so aussehen (Punkte sind noch Hausnummern):

  • Kettenhemd: O O O O
  • Zweihänder: O O
  • Schild: O
  • 100 Gold: O
  • Zauberbuch: O
  • etc.

Ich denke, diese Gewichtspunkte lassen sich auf dem Character-Sheet und in der Preisliste recht einfach darstellen und verfolgen. Das ganze Kleinzeug hätte natürlich keinen Punkt, und ja, wenn jemand dutzendweise Schaufeln und Alkoholfläschchen mit sich führt, bleibt das trotzdem unberücksichtigt. Ist halt so. (Als Hintertür könnte man immer noch auf dem Character-Sheet eine Summenposition einführen, die vom SL mit Gewichtspunkten aufgefüllt werden kann, sollte ein SC sich wie der Böse mit Kleinzeugs beladen. Aber nötig ist das vermutlich nicht.)

Jetzt kommen wir zur Tragkraft. Auch hier bin ich für ein verschlanktes System. Ich würde meinen, jeder SC kann Gewichtspunkte in Abhängigkeit seines Stärke/Natur-Wertes mit sich führen. Da ich den Spielern nicht zumuten möchte, aus dem heximalen System des W66 einen dezimalen Wert herauszurechnen, soll jeder SC einfach [Zehnerstelle seines Attributs mal 2] Gewichtspunkte tragen können, also:

  • 31-36: 6 Gewichtspunkte
  • 41-46: 8 Gewichtspunkte
  • 51-56: 10 Gewichtspunkte
  • 61-66: 12 Gewichtspunkte

Wie gehen wir nun damit um, wenn sich ein SC überlastet hat? Folgende Varianten gibt es:

  1. Der SC erhält irgend eine Art von Erschöpfung: Erschöpfung ist in Destiny Dungeon noch nicht vorgesehen, aber selbst wenn, wäre mir das als Konsequenz nicht wirklich recht, weil es erst zeitverzögert spürbar wird.
  2. Der SC kann einfach nicht mehr tragen: Eine sehr konkrete Auswirkung für ein eher abstraktes System – das kann nicht funktionieren. Ich sehe die Spieler schon argumentieren und ihre verwundeten Gefährten im Dungeon zurücklassen, weil sie mit ihnen überlastet wären. Nicht gut.
  3. Der SC erhält ein Handicap: Das ist aus meiner Sicht die zu präferierende Variante, etwas, das der Spieler gleich spürt und daher vermeiden wird, das ihn aber weder gleich umbringt, noch ihm seine Handlungsfähigkeit per se raubt. Auf die Destiny-Mechanik gemünzt, bleiben drei Unteroptionen:
    1. Pessimistisches Würfeln: hätte den Vorteil, dass erfahrene SCs die Behinderung leichter wegstecken als unerfahrene. Nachteil: Die Würfelart gibt es nicht graduell, sondern nur entweder eben als pessimistisch oder als normal. Man kann also nicht abstufen, je nachdem, wieviele Gewichtspunkte der SC „drüber“ ist.
    2. Malus auf die Proben: hätte den Vorteil, gleich zu laufen wie der Geschick-Malus bei Rüstungen, allerdings ist das auch gleichzeitig wieder ein Nachteil, weil die Rüstung in derselben Dimension natürlich nicht doppelt zählen darf. Außerdem ist schon ein Malus von -1 relativ einschneidend (ca. 18% Erschwernis).
    3. Behinderungspunkte (BEP). Destiny bietet mit den BEPs bereits eine gute Regel für temporäre Behinderungen/Immobilisierungen, und ich habe in der Vergangenheit immer wieder auch Dauer-BEPs verwendet, um langfristige Behinderungen/Erschöpfungen abzubilden. Zur Erklärung: BEPs verringern die Erfolgswerte der Proben, d.h. die Proben selbst gelingen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit, aber wenn sie gelingen, gelingen sie eben nicht ganz so gut wie ohne BEPs. Im Extremfall kann es auch passieren, dass eine gelungene Probe, wenn der Erfolgswert sehr niedrig ausfällt oder schon viele BEPs angefallen sind, trotz Gelingens scheitert. Die BEPs „ersticken“ dann quasi den Erfolg. Das ist genau das spieltechnische Feeling, das ich mit Überlastung durch Gewicht erzeugen möchte. Das wird’s wohl werden.

Das ist also der Stand in puncto Tragkraft und Behinderung durch Überlastung: Jeder SC kann so viele Gewichtspunkte mit sich führen, wie seinem STR/NAT-Wert entspricht; jeder weitere Gewichtspunkt ist für ihn ein Dauer-BEP, der den Erfolg seiner Proben mindert, im Extremfall sogar „erstickt“. Einfach und old-schoolig genug?

DD#13: Metaplot, roter Faden – cui bono?

Vom optischen Rahmen zum inhaltlichen Rahmen: Für meine Erwägungen, in Destiny Dungeon eine „übergeordnete Handlung“ einzuplanen, recherchierte ich gestern, was ein Metaplot überhaupt ist, ob sich der Begriff mit meinen Überlegungen deckt und was für Anforderungen daran bestehen. Ich landete oft bei Verweisen auf die White Wolf-Systeme, fand aber kein „How to create a metaplot for your sandbox setting“. Daher habe ich mir selbst einige Überlegungen zu dem Thema gemacht, und die möchte ich hier mit euch gerne – im Sinne eines Gedankenspiels – teilen.

Meine Definition. Ich verwende den Begriff Metaplot hier als eine auf den Elementen des Settings gründende Folge oder Kombination von Ereignissen, die in der Lage ist, das Setting grundlegend zu verändern.

Metaplot ja/nein. Cui bono? Braucht man aus Setting-Designer-Sicht einen Metaplot? Ich würde meinen, ja. Ob die Spieler ihm dann im Spiel konkret folgen oder nicht – allein seine Existenz verleiht dem Setting zusätzlichen Tiefgang, latente Dramatik, ein Thema, ohne welches es möglicherweise beliebig oder austauschbar wäre.

Metaplot + Sandbox = World in Motion. Achtung: Rollenspiel-Theorie! So wie ich es verstanden habe, bedeutet Sandbox (Quelle Bat in the Attic) sinngemäß, dass Spieler die völlige Freiheit haben, ihre SCs über die Landkarte zu schieben und Abenteuer so zu erleben, wie es ihnen in den Sinn kommt. BatInTheAttic schreibt aber auch, dass Sandbox die Gefahr der Sinnlosigkeit birgt, und er kontert diesen Effekt mit dem World in Motion-Konzept. Dieses besteht aus einer internen und einer externen Komponente. Die interne Komponente setzt auf Charaktermotivation, die externe besteht aus „… a timeline revolving around NPCs and events. This timeline is created with the idea that this is what happens if the player didn’t exist in the campaign“. Das ist ziemlich genau das, was ich mir ursprünglich unter Metaplot vorgestellt hatte.

Metaplot <> Old-School? Widersprechen sich beide Konzepte? Fallstudie altes Aventurien: ein bunter Haufen von Regionen mit Abenteuerideen, aber kein Metaplot. Der kam erst später mit dem Namenlosen, Tar Honak und Borbarad. Soweit ich weiß, kam D&D bis Dragonlance & Co. ebenfalls ohne Metaplot aus. Zwischenergebnis: Old-School braucht keinen Metaplot. Die Frage ist nur: Schadet er? Ich meine nein, sofern nicht alle Setting-Infos und Szenarien auf den Metaplot ausgerichtet sind und die Spieler ihn ignorieren können.

Anforderungen an den Metaplot. Ich ziehe aus dem eben Gesagten folgende Schlüsse:

  • Der Metaplot muss eine optionale Komponente bleiben. Das Setting muss auch ohne ihn funktionieren. Die Timeline darf nur ein Vorschlag sein bzw. ein unsichtbares Handlungsgerüst, um das herum ich die Szenarien aufbaue.
  • Der Inhalt des Metaplots muss die SCs potenziell betreffen. (Deshalb funktioniert der klassische Metaplot „Die Welt geht unter“ auch immer.)
  • Der Metaplot muss von den Handlungen der SCs abhängen. Hier werde ich die Gratwanderung schaffen müssen, die Sandbox-Szenarien so zu designen, dass sie für sich stehen, aber auch, wenn gewünscht, Metaplot-Relevanz haben.
  • Der Metaplot muss die SCs persönlich involvieren. Das ist schon schwieriger im Design zu verankern; hier wird wohl dem SL eine größere Funktion zukommen. Ich werde noch überlegen, was ich tun kann, um ihn dabei zu unterstützen.

Au weia, das habe ich mir alles leichter vorgestellt. Aber man wächst mit der Herausforderung. Und man ist motiviert! 🙂 Wenn ihr wissen wollt, warum, lest die aktuelle Destiny-Beginner-Rezi im Almanach!

DSA 1 – die 27 Jahre verspätete Rezension

Während auf der RPC vergeblich auf DSA5 gewartet und Lizenzgeschichten gewälzt wurden, beging ich gestern einen Seitensprung mit meiner ersten Liebe: Ich trommelte meine Sonntagsrunde zusammen für ein One-Shot mit DSA 1. Einige hatten schon angemerkt, das mal wieder spielen zu wollen, also schnappte ich mir das Buch der Regeln, zeichnete ein Dungeon á la Silvanas Befreiung, dichtete einen Plot und los ging’s.

Ich muss sagen, DSA 1 fühlt sich nachwievor wie ein gutes Produkt an. Ich mag immer noch das Artwork, vor allem außen, aber auch innen, nur das Layout ist für heutige Maßstäbe eher kläglich. Der Schreibstil spricht mich ebenfalls an, auch wenn ich heute verstehe, warum ich als 11-jähriger Mühe hatte, das Ding zu begreifen. Das Buch der Regeln enthält Schnellstart-Regeln, normale Regeln, Detailregeln und optionale Regeln, und nicht alle sind deutlich von einander abgesetzt. Aber viel interessanter war es, das Buch der Regeln nicht nur zu lesen, sondern zu spielen, und zwar hardcore, ohne Ergänzungen oder Weglassungen. Dabei kamen interessante Erkenntnisse:

Das Erwürfeln der Helden zwingt einen zum Verkörpern von Konzepten, die man sonst vielleicht nie spielen würde. Für One-Shots okay, aber für längere Campaigns wollen die Spieler doch eher einen Wunschcharakter spielen und keinen Abenteurer. Ebenfalls bemerkt: Einen Elf, Krieger, Elf oder Zwerg „zusammen zu bringen“ ist gar nicht so einfach, fühlt sich dafür aber sehr besonders an. Wir hatten gestern 2 Abenteurer und einen Elfen, und der war glaub‘ ich durchaus glücklich, einen Elfen „geschafft“ zu haben. Das vermittelt einem irgendwie auch das Gefühl der Welt, dass Magier und Elfen nicht an jeder Straßenecke stehen, und auch ein Krieger ist in DSA ja durchaus etwas Ritter-ähnliches, Besonderes. So gesehen spiegelt das Erwürfeln die Welt wider.

Positiv überrascht war ich von der Länge der Kämpfe. Ich hatte DSA-Kämpfe als lang in Erinnerung, aber die Orks, Goblins und besessenen Abenteurer, die ich den Spielern in den Weg stellte, waren recht flott Geschichte. Was hier zweifellos dazu beiträgt, ist die Regel des mörderischen Schlags, die auch heute noch eine gute Regel ist, weil sie das Spiel beschleunigt und nicht verkompliziert. Gar nicht schlecht fand ich auch die Bruchfaktor-Regel, die bei jeder Parade (!) gewürfelt wird und den BF eigentlich zum wichtigeren Wert macht. Schade nur, dass die Balance der Waffen so schlecht ist: Das Schwert macht am meisten Schaden von den Einhandwaffen, hat den besten Bruchfaktor und noch dazu keinen AT/PA-Malus. Da ist jeder blöd, der sich einen Kriegshammer nimmt.

Was ich auch nicht mehr wusste: Zaubersprüche gelingen teilweise ohne Würfelwurf. Balsamsalabunde und Armatrutz etwa funktionieren automatisch, nur bei den Save-or-Die-Zaubern werden Würfel gerollt und alle möglichen Stats vermanscht, aber dazu kam’s bei uns gestern nicht. (Unser Elf zog sich auf Fulminictus zurück, um mit 12 ASP einen Ork zu vernichten, der nur noch 2 LP übrig hatte, aber das ist eine andere Geschichte…)

Dieser Punkt ist übrigens im Zusammenhang mit dem Regenerations-Konzept von DSA 1 zu sehen. Dieses lautet nämlich: zipp. Genau. Es gibt keins. Ist das nicht kurios? Keine Regeneration!? Voll krass, aber es hat gepasst: Der Dungeon war plötzlich echt gefährlich, da es keine Möglichkeit gab, sich aufs Ohr zu legen und auf neue LP oder ASP zu hoffen. Was mir als SL sehr gut gefiel, denn solche Aktionen („Ich hab‘ nur 2 ASP, können wir nicht irgendwo mal ein paar Stunden schlafen?“) stören das Pacing.

Ich war natürlich auch als Meister voll retro und habe das Abenteuerkonzept so angelegt, dass auch Fackeln Mangelware sind, in der Hoffnung, dadurch die Charaktere zu einem gewissen „Zug“ zu verhalten, und ich muss sagen, es hat auch gewirkt: Sie sind nicht blöd mal da lang, mal hier lang gelaufen, sondern haben sich genau überlegt, wie und in welcher Reihenfolge sie die Kammern abgehen, wie sie Fackeln sparen usw. Gefiel mir sehr gut, aber ich könnte mir vorstellen, dass es nur einmal funktioniert und die Helden ab dem nächsten Abenteuer jeweils 10 Fackeln im Rucksack tragen.

Das führt mich zur Tragkraft. Wir haben auch die Gewichte zusammenaddiert und protokolliert. Der Aufwand war nicht so sehr das Problem (auch wenn keiner der Spieler explizit Spaß dran hatte), aber vor allem die Relevanz: Die Tragkraft in DSA ist so bemessen, dass man sich (zumindest als durchschnittlich berüsteter Held) keine Gedanken über Seile, Fackeln, Proviant etc. machen muss. Das geht sich locker aus, und da wird das Addieren der Unzen bald eine unnötige Geschichte, die nur lästig fällt. Definitiv ein Punkt, den ich bei Destiny Dungeon anders lösen werde.

Gespielt hat sich das Ganze übrigens sehr locker und flüssig. Ich hatte als Meister jede Freiheit und nicht das Gefühl, mir Dinge aus dem Finger saugen zu müssen, die gegen das Regelwerk sind oder sein könnten. Die zwei Schienen – AT/PA versus Eigenschaften – waren kurz mal ein Thema („Warum kann ich mit Geschick nicht ausweichen?“), aber ansonsten gab’s keine Missverständnisse oder regeltechnische Unwegbarkeiten.

Der gestrige Abend hat mir eines wieder deutlich vor Augen geführt, nämlich dass man ein System keinesfalls nach seinen einzelnen Bestandteilen beurteilen sollte. Mehr als sonst ist bei einem Rollenspiel das Ganze mehr als die Summe der Teile. Erst wenn alle Rädchen ineinander greifen, zeigt sich, ob es gut ist oder schlecht. Und DSA 1 ist definitiv ein gutes System gewesen. Ich sage „gewesen“, weil einfach die Ansprüche – zumindest meine – im Laufe der Zeit gestiegen sind. Ich mag keine unbalancierten Waffen, ich mag keine „höchstens RS:2“-Beschränkungen, ich mag keine Abenteurer spielen, wenn Magier mein Lieblings-Heldentypus sind, keine Dump-Stats wie MUT, und ich möchte mehr Entwicklung sehen als nur hier ein Punkt und da ein Punkt. Das sind Dinge, die für mich nicht (mehr) funktionieren. Aber das Grundsystem ist rund und stimmig und ermöglicht mit wenigen Elementen große Vielfalt. Jetzt weiß ich wieder, warum ich über 15 Jahre DSA gespielt – und geliebt – habe.

DD#09: Rasse und Klasse oder Rasse als Klasse?

Bisher entwickelte ich meine Spiele hauptsächlich nach der Prämisse: Jeder soll alles können können und nicht durch Archetypen eingeschränkt werden. Bei Destiny kann man etwa seine Attribute frei wählen, man sucht sich dann ganz flexibel Talente zusammen und kann so (wenn man will) auch schwache Krieger oder zauberkräftige Diebe verkörpern. Der Spieler hat die Freiheit, alles zu verkörpern, vom Henker über den Schmied bis zum geisteskranken religiösen Fanatiker. Freilich liegt die Verantwortung, „sinnvolle“ Figuren zu bauen, auch beim Spieler.

Dieser „reife“ Ansatz resultiert vor allem aus den langen Jahren DSA, in denen wir alle verfügbaren Heldentypen tot spielten und endlich andere spielen wollten, auf deren Konzepte der numerus clausus an Archetypen jedoch nicht passen wollte. Jetzt, in Destiny Dungeon, aber stehe ich vor einem Umdenken: Old-school bedeutet für mich, dass sich Charaktere traditionellen Herausforderungen widmen, und ich möchte in Destiny-Dungeon nicht den Anschein erwecken, man könne jede Art von SC erschaffen, aber ohnehin nur ein kleiner Teil davon hätte eine realistische Chance, sich einzubringen bzw. zu überleben. Freilich könnte ich diese Wertigkeit auch in die Hände der Spieler legen, aber für mich ist das nicht Old-School. Ergo: Archetypen müssen wieder her.

Und da stehe ich nun und frage mich: Wie bilde ich Rassen ab? Ich habe gestern mit meinem Chef-Analytiker ein bisschen darüber sinniert und einige Varianten durchgespielt. Ich komme immer wieder zu dem Punkt, den ich bei DSA immer verteufelt hatte, nämlich, dass es durchaus Sinn macht, Rassen als Klassen anzubieten. Man erinnere sich: Buch der Regeln, Kapitel Heldentypen, da gab’s Magier, Krieger, Abenteurer, Elf und Zwerg. Der Vorteil dieser Variante, von der ich immer dachte, hier würden Äpfel und Birnen gemischt, ist nicht so offensichtlich: Hier werden nicht etwa unzulässigerweise Berufe und Rassen vermischt, hier werden Pakete geschnürt. Sinnvolle, unterscheidbare Pakete, die sich auf das Wesentliche, eben Archetypische beschränken. Mag sein, dass es irgendwo tief in den Bergen einen Zwergenmagier gibt, aber wie typisch ist er für die Rasse und welche Berechtigung hat er, als SC ins Spiel zu treten und das Bild, das die Spieler von den Zwergen haben, zu prägen?

Vor allem, was ist die Alternative? Ich könnte á la AD&D zwei Dimensionen einführen (Rassen, Klassen), aber dann müsste ich erst wieder künstliche Beschränkungen aufziehen (keine Barbaren-Elfen, keine Magier-Zwerge…) oder aber wir sind wieder bei dem Punkt, dass es in der Verantwortung des Spieler liegt, sinnvolle Kombis zu wählen; und sobald das der Fall ist, brauche ich gar keine Archetypen mehr.

Ich tendiere also zur Zeit sehr dazu, die Rassen in Istarea als Archetypen abzubilden und nicht über oder unter, sondern neben die klassischen „Berufe“ Krieger, Magier, Waldläufer usw. zu stellen. Freilich müssen sie in dieser Form breit genug angelegt werden, dass man als Spieler ausreichend Gestaltungsspielraum hat.

Aber was meint ihr? Rasse und Klasse als zwei unabhängige Dimensionen, oder Rasse als Klasse?

Sinnesschärfe im Spotlight

Gestern kam die Frage: Wie spiele ich denn Sinnesschärfe  aus, ohne die Würfel zu bemühen? Gute Frage, die mich daran erinnert, dass das Thema Wahrnehmungs-Skills eine der härtesten Nüsse war, die ich bei der Entwicklung von Destiny zu knacken hatte, zumal auch wir beim Testen der ersten Entwürfe bemerkten, was wir von DSA schon kannten, nämlich dass gefühlte 25% aller Proben Sinnesschärfe-Proben waren. Das war mir als Entwickler ein Dorn im Auge, denn bei mir sollte kein Skill derart dominieren.

Kurios ist, dass es in DSA1 keine Sinnesschärfe  gab. Da waren MU, KL, CH, GE und KK, aber ich glaube nicht, dass das Buch der Regeln Wahrnehmung unter eine der Eigenschaften subsumierte. Wie spielten wir also? Wir beschrieben wohl mehr, worauf wir achteten, SC-Wahrnehmung hatte schlicht wenig Bedeutung. Fallen waren Fallen, die man nicht kommen sah, es war wichtiger, wie man darauf reagierte. Aus Überfällen war einfach das Beste zu machen, und Geheimtüren und Schätze fand man mittels Zwergennase.

Heute hingegen ist v.a. das Verständnis der Spieler von ihren SCs ein anderes. Glauben wir ein Anrecht auf eine rettende Probe zu haben, um uns geistig-seelisch für das zu wappnen, was auf uns zukommt? Oder vielleicht um als Spieler weiterhin das Hirn ausgeschaltet zu lassen und unsere Charaktere walten zu lassen?

Als SL achte ich mehr und mehr darauf, die obligatorischen Wahrnehmungs-Proben zurückzufahren. Das bedeutet vor allem Informationen ohne Probe herzugeben, was für die Story ohnehin oft besser ist. Kurioserweise wundern sich die Spieler dann, dass sie nicht würfeln müssen. Und wenn ich sage: „Im trockenen Waldboden findest du in der Nacht ohne Fackel vom Pferd aus sicher keine Spuren, vergiss es“, reagieren sie mit: „Nicht einmal bei einem Glückswurf??“ Da ist also noch Arbeit zu leisten.

Systemseitig gibt es in Destiny jedenfalls keine dedizierte Wahrnehmung, gewürfelt wird auf das thematisch betroffene Intelligenz-Attribut: INT/Natur, wenn es darum geht, einen Vogel am Horizont als Drachen zu erkennen, oder INT/Gesellschaft, wenn man die Schweißperle auf der Stirn des Hochstaplers bemerken soll, INT/Kampf, wenn man einen Hinterhalt entdecken will oder INT/Magie, wenn einem Runen in Ornamenten oder Pilzkreise auf einer Lichtung auffallen sollen. Theorie und Wahrnehmung sind hier also gekoppelt. Damit habe ich zumindest systemseitig eine Streuung erreicht. Mehr kann ich nicht tun, um der Allmacht der Wahrnehmung entgegen zu treten.

Rollenspiel Marke alte Schule

Meinen Artikel Die guten alten Zeiten schloss ich damit, dass ich das Dokument der Stärke heute nicht mehr befüllen würde. Dazu stehe ich nachwievor, aber ich kann nicht leugnen, dass mich das Thema Old School-Gaming (OSG) fasziniert. Für diejenigen, die mit dem Begriff nichts anfangen, möchte ich zusammenfassen, was laut Matthew J. Finch OSG ausmacht. (Danke, Nerzenjäger, für den Link).

Regeln. Auf einem OSG-Sheet findet man weniger Werte, v.a. deshalb, weil die Fähigkeiten der SCs weniger ausspezifiziert sind. Meist fehlen auch „Meta-Fertigkeiten“ wie Sinnesschärfe, Überzeugen oder Menschenkenntnis; derartiges wird selten gewürfelt, sondern ausgespielt. Überhaupt sind Regeln dazu da, vom SL konkretisiert zu werden („Rulings not Rules“). Die Spieler erhalten so das Gefühl, alles versuchen zu können und nicht von Aktionen ausgeschlossen zu sein, weil sie den passenden Feat nicht haben.

Welt. In OSG repräsentiert der SL kein Setting, sondern eine Welt – mit allen Zufälligkeiten, unfairen Gegnern und unvorhersehbaren Entwicklungen. Nicht alle Gegner werden hier auf die Gruppenstärke hin dimensioniert; Spieler haben keinen Anspruch auf balancierte Encounter, gleichwohl hat der SL natürlich die Aufgabe, Rückzugsszenarien oder Alternativen einzubauen und keine „Einbahnstraßen in den Tod“ zu bauen.

Kampf. Das Kampfsystem ist in OSG-Systemen eher abstrakt, der Kampf ist es allerdings nicht: Durch das „Jeder kann alles versuchen“-Prinzip sind Spieler motiviert, konkrete Aktionen zu setzen, und der SL lässt jene Konsequenzen folgen, die er für sinnvoll, spannend und spaßig hält. Er bezieht dabei die Umgebung ein oder kann bei einem Fumble auch mal in die Trickkiste greifen, ohne sich an Tabellen zu halten. Alles in allem sind OSG-Kämpfe schneller, weil weniger berechenbar und weniger regeltaktisch.

Erfahrung. OSG dreht sich um bodenständige Charaktere, nicht um Halbgötter. Die erste Phase des Abenteuerdaseins ist durchaus bewusst kritisch, und überlebt zu haben ist oft die größte Belohnung. Erfahrung gibt es auch für Schätze; nicht aus materialistischen Gründen, sondern weil diese symbolisch für das Erreichen des Ziels stehen. Damit ist reines Monsterschnetzeln keine gute Taktik, frisst sie doch die Ressourcen der Gruppe auf. Gegenstände, Artefakte usw. fungieren in OSG bis zu einem gewissen Grad als externalisierte Fähigkeiten und sind daher besondere Belohnungen.

Ressourcen. Dem Ressourcen-Management kommt in OSG eine besondere Rolle zu, und es ist durchaus relevant, wieviel Zeit die SCs im Dungeon verbringen. Bleiben sie zu lange, gehen ihnen vielleicht Fackeln oder Proviant aus, oder das Ziel wird allmählich aufgefressen. Nicht zuletzt werden sie auf mehr herumwandernde Monster treffen, die an ihren Ressourcen knabbern, aber nur wenig Schätze bringen. So wird plötzlich auch das Zeichnen einer Karte zu einem wertvollen Beitrag zum Gelingen!

Ich persönlich finde es faszinierend, wie sich all diese Elemente zu einem stimmigen Ganzen fügen und habe echt Lust auf OSG bekommen. Jetzt muss ich nur noch ein OSG-Regelsystem finden, das mich anspricht. Oder eines schreiben! 😉