[DSP#08] Verdammt, nichts ist selbstverständlich

Was ich gerade beim Schreiben des Schwarm-Settings bemerke, ist, dass um einiges weniger Inhalte selbstverständlich sind als in Fantasy. Dort reicht es festzuhalten, dass Schwarzpulver und Dreiecksegel noch nicht erfunden sind, und jeder weiß, von welchem Tech-Level auszugehen ist. In Science-Fiction gibt es diesen “gemeinsamen Nenner” nicht; nichts, aber absolut gar nichts, ist selbstverständlich, da es keine definierte geschichtliche Periode gibt, auf die man sich implizit oder explizit beziehen kann.

Das macht das Beschreiben eines SciFi-Settings einigermaßen schwierig, da es a) mehr Raum fordert und b) mehr Geduld vom Leser verlangt. Wenn man, so wie ich, den Anspruch hat, sich möglichst kurz zu fassen und den Leser nicht mit unnötigem Ballast zu beschweren, dann ist Science Fiction tatsächlich eine Herausforderung der eigenen Art, denn plötzlich wollen ganz “langweilige” Fakten geklärt werden:

  • Wie funktionieren Raumschiffe?
  • Wie werden Daten übertragen?
  • Wie verhält es sich mit Gravitation und Atmosphäre?
  • Woraus wird Energie gewonnen?
  • Was für Geräte/Computer verwenden Charaktere denn so?
  • Was sind denn kritische Komponenten in Schiffen und Anlagen?
  • etc.

Mein Problem gerade ist, ich möchte bzw. muss diese Fragen klären, möchte aber den Leser nicht langweilen, immerhin sind das zwar definierende Punkte, aber nicht die Hauptplots. Unter Umständen verlangt dieses Phänomen eine andere Form als den Fließtext, der z.B. bei Lys Marrah gut funktioniert hat. Aber welche? Mehr graue Kästen? Informationen in Fußnoten? Alltags-Technologien im Anschluss der Waren- und Preisliste? Ganz anders?

Wenn ihr bewusst gute/schlechte Erfahrungen mit Beschreibungen derartiger “Basics” gemacht habt, würde mich das sehr interessieren und mich vielleicht auf den richtigen Weg führen – falls es ihn überhaupt gibt.

[DSP#07] Möge das MagField mit dir sein

Ressourcenabbau, Handel, politische Intrigen – all das verheißt ziemliche Hard-SciFi, aber Destiny Space käme nicht aus meiner Schmiede, wenn es nicht auch ein übernatürliches Element gäbe. Dieses Element heißt bei uns MagField (der erste Begriff, der uns einfiel, war MagForce, aber “Force” ist irgendwie besetzt und “MagForce” existiert sogar schon in einem Margaret Weis-Rollenspiel, afair). Wie auch immer. Unser MagField ist jedenfalls kein simpler Ersatz für Midichloridaner & Co. *würg*, sondern hat folgende Funktionen:

  1. Es sorgt durch seinen antitechnologischen Effekt für das gewisse Etwas des Settings: Im Schwarm funktionieren nämlich Hochtechnologien nicht. Punkt. Es gibt keine ultratollen Netzwerke, keinen Langstreckenfunk, keine Virtual-Reality-Systeme, keine KI-Kollektive, keinen Autopilot, keine Superscanner usw. Mit anderen Worten: In diesem Setting besteht noch Bedarf für Piloten, die selbst Hand anlegen, und man trifft sich auch noch persönlich im Handelshub, um Informationen auszutauschen, anstatt sich auf soziale Netzwerke zu verlassen. Wichtige Informationen werden auch noch per Datenkristall von A nach B gebracht anstatt sie über den Äther zu streamen. Das ist vermutlich der allerwichtigste Aspekt unseres Settings.
  2. Das MagField hat Erklärungsfunktion für vieles, das rein physikalisch nicht oder nur schwer zu erklären wäre. Zum Beispiel, dass es im Schwarm kein Problem mit kosmischer Strahlung gibt oder dass es Artefakte gibt, die künstliche Atmosphäre und Gravitation schaffen. Ich glaube, es ist ungeheuer wichtig, in einem Rollenspiel dafür zu sorgen, dass das, was sich Spielleiter XY an Gegebenheiten ausdenkt, auch für alle plausibel ist. In Fantasy ist das einfacher, weil die Zusammenhänge simpler sind und im Zweifelsfall durch Magie erklärt werden (auch wenn das nicht elegant ist und lieber ultima ratio bleiben sollte). In SciFi ist das Bedürfnis nach Erklärbarkeit tendenziell höher, gleichzeitig gerät aber unser Wissen schneller an seine Grenzen. Während ich mir in Fantasy schnell mal anlesen kann, wie eine Burg aufgebaut ist, fällt mir das mit allgemeiner und spezieller Relativitätstheorie schon nicht mehr ganz so leicht. Wie angenehm, dass ich im Schwarm also vieles auf das MagField zurückführen kann.
  3. Das MagField dient außerdem als spirituelle Sphäre – zumindest für die ausgestorbenen Natokh, deren Seelen ins MagField eingingen, deren Intelligenz seitdem quasi im Schwarm immanent sind und für allerlei rätselhafte, förderliche oder hinderliche Ereignisse sorgen können. Damit ist auch das Thema Göttlichkeit in das Setting integriert, ohne mit den eher für Fantasy üblichen Klischees arbeiten zu müssen.
  4. Last but not least oder vielleicht doch least, dient das MagField tatsächlich auch als metaphysisches Trägermedium, d.h. als magische Energie, okkulter Limbus, “Macht” oder wie immer man es nennen mag, jedenfalls als Humpfdiwumpf, welches übernatürliche Phänomene wie Telekinese etc. ermöglicht. Wobei es uns ein Anliegen war, diesen Aspekt des MagField nicht zu überbewerten, weil Destiny Space eben nicht “Fantasy im Weltraum” sein soll.

Man hört zu verschiedenen Settings immer wieder Kritik, wie sie mit Magie umgehen bzw. dass sie eben nicht damit umgehen, sich nicht die Frage stellen, wie sie den Alltag der Leute, die Wissenschaft, die Technologien etc. prägt. Wir haben beim Designen des Schwarms jedenfalls versucht, das MagField so tief wie möglich in das Setting zu integrieren und ich bin gespannt, ob es uns gelungen ist, all das zu einer logischen, schlüssigen Einheit zu verbinden.

[DSP#06] Was bitteschön ist “der Schwarm”?

Nein, es hat nichts Perry Rhodan zu tun und auch nichts mit einem kollektiven Bewusstsein á la Borg. Der Schwarm ist ein Kometenschwarm, der mit Lichtgeschwindigkeit durch die Galaxien zieht und alle heiligen Zeiten ein System transitiert. Das Besondere daran: Der Schwarm ist kein Naturphänomen, sondern von einer alten Kultur zu einem bestimmten Zweck erschaffen worden. Natürlich ist es auch kein Zufall, dass er auf seinem bisherigen Kurs bereits 7 Völker in sich “aufnahm”, die nun mit einander um die spärlich vorhandenen Ressourcen ringen und dennoch auf einander angewiesen sind.

Im Schwarm gilt es daher vor allem, unter politisch höchst brisanten Bedingungen Ressourcen zu finden, aber auch Sektoren und Kometen zu erforschen, Piratennester zu umschiffen und die Geheimnisse und Artefakte zweier ausgestorbener Kulturen zu Tage zu fördern, die auch Aufschluss über die Frage geben könnten, was eigentlich Ziel des Schwarms ist.

Die Aufgabenstellung für DESTINY SPACE war einmal mehr, ein Setting zu entwickeln, das a) überschaubar, b) einfach zu beschreiben, c) möglichst vielseitig und d) abgegrenzt ist. Als mir mein Projektpartner Simon zum ersten Mal seine Konzeption des “Schwarms” beschrieb, war ich sofort Feuer und Flamme und wusste: das ist es.

“Der Schwarm” bietet viel freien Sternenraum, Asteroidenfelder, kolonisierte Kometen, Minen und Höhlensysteme, Industrie- und Handelsstationen u.v.m. Und sobald man den bekannten Rahmen ausgeschöpft hat, baut man einen Systemtransit ein. Dann verlangsamt der Schwarm für ein Zeitfenster, und man kann ein Abenteuer oder auch eine Kurzkampagne in einem selbst gestaltbaren Umfeld spielen, in dem es z.B. gilt, seltene Ressourcen zu sammeln, neue Völker in den Schwarm zu bringen, Planeten zu erforschen oder Bedrohungen abzuwehren.

Damit sollte “der Schwarm” sowohl für Einsteiger attraktiv sein (Stichwort: überschaubar, abgegrenzt) als auch erfahrenen Spielern einiges an Möglichkeiten und Freiheiten in die Hand geben, selbst eine interessante Kampagne zu gestalten. Sozusagen Lys Marrah im Weltraum.

[DSP#05] Schwarmvölker

Für Destiny Space haben wir uns im wahrsten Sinne des Wortes abge-space-te Rassen einfallen lassen. Wer mir auf Twitter und G+ folgt, hat vielleicht die eine oder andere Entwurfskizze dazu schon gesehen, hier nun die finale Version:

(1) Die degenerierten So’Phak sind gewiefte Technologiehändler, die ihre Körper mit kybernetischen Implantaten optimiert haben. Sie sind raffiniert und machtgierig und angepisst, dass viele ihrer Waren im Schwarm nicht mehr funktionieren. (2) Die Irlithaner haben den unterirdischen Anlagen- und Ressourcenabbau perfektioniert. Sie lieben es hart: sowohl zu arbeiten als auch Konflikte auszutragen. (3) Die Natokh sind ausgestorben, seit sie ihre Seelen in das MagField des Schwarms integrierten. Sie sind die Schöpfer des Schwarms und so etwas wie eine gute Kraft. (4) Die Khotan sind technologie-geile Kampfschweine, die den Schwarm am liebsten vernichtet hätten und auch die Natokh auf dem Gewissen haben. Sie sind mittlerweile ausgestorben – von einigen Schläfern in Cryoanlagen abgesehen. (5) Die Mlendosianer kamen als Sklaven der So’Phak in den Schwarm. Sie sind nun frei, aber da sie nichts haben und nichts können, verelenden sie zusehends. Sie verdingen v.a. ihre körperliche Gewandtheit und Zweigeschlechtlichkeit. (6) Die freiheitsliebenden Kunpanekrota halten sich an keine Ordnung. Sie nehmen sich das, was sie wollen, wann sie wollen. Raumpiraten eben. (7) Die Eudorianer sind die aufstrebende Zivilisation. Sie besiedeln den großen Kometen, bauen Nahrungsmittel an und eifern den Natokh nach, die sie wie Götter verehren. Spirituelle Einfachheit, in einem Wort. (8) Implementics sind humanoide Roboter, die stets die höchstpriorisierte Mission verfolgen. Sie sind von Effizienz, Logik und Präzision geleitet. (9) Die Zulka kamen als Kulturforscher in den Schwarm und sind besessen, die alten Mysterien der Natokh zu enträtseln, Artefakte freizulegen und herauszufinden, was überhaupt die Mission des Schwarms ist. Sie sind neugierig, aber etwas chaotisch.

Natürlich werden die Regeln so beschaffen sein, dass man damit auch Menschen, Minbaari, Wookies & Co. spielen kann. Aber wer das mitgelieferte Setting “Der Schwarm” bespielt, wird auf Menschen verzichten müssen und, angesichts dieser illustren Völker, auch verzichten können.

Startschuss für den 3-Aufhänger-pro-Tag-Marathon

Ich halte es für wichtig, dass ein “literarisches” Produkt, egal ob Roman oder Rollenspiel, aus einem Guss ist. Beim Regelteil von Destiny Dungeon hatte ich mir zuerst selbst ein Bein gestellt, indem ich vieles zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschrieben habe, mit dem Ergebnis, dass die Stilistik in der ersten Fassung sehr “volatil” war, was mir von meinem viel gedankten und noch dazu freiwilligen Lektor auch prompt um die Ohren geworfen wurde. Zurecht. Mit dem Ergebnis, dass ich den Regelteil quasi in letzter Minute fast neu schrieb. Daraus habe ich gelernt.

Weniger die Stilistik und mehr die Konsistenz betreffend, werde ich mich nun auf die Szenarien stürzen und diese in einem Guss verfassen. Ich habe mir daher für die nächsten Wochen vorgenommen, an jedem Werktag 3 Hex-basierte Plothooks zu verfassen. An manchen Tagen werden es natürlich mehrere werden (vorgestern z.B. waren es 10), an manchen weniger (gestern z.B. waren es 0). Worum es geht, ist, den Überblick zu behalten, damit die Aufhänger zusammen passen, von einander Sandbox-artig Elemente aufgreifen, aber auch nicht zu ähnlich sind. Hier ein Beispiel:

HEX 07/08 Rynius-Pass. Eine magische Barriere verhindert das Überqueren dieses Grenzpasses aus beiden Richtungen. Korgothische Truppen warten wie Raubtiere darauf, dass die Barriere fällt. Gespeist wird sie durch einen magischen Kristall, der in einer schwer zugänglichen Höhle abseits des Weges von Magiern aus Istrith bewacht wird. Der Kristall verliert allmählich seine Kraft, da korgothische Priester im nahen Wald ein Gegenritual durchführen.

Das reicht einmal fürs Erste. Sprachliches Fine-Tuning kommt später, ebenso wie Detailinfos (wieviele Priester, wieviele Magier, wie lange dauert Ritual…). In diesem Punkt werde ich noch ein wenig experimentieren, denn der Szenarienteil soll ja auch in gewisser Weise als SL-Teil der Settingbeschreibung fungieren. Während der “abstrakte” Settingteil eher reduziert ausfallen wird (also kein “Im NW des …. befindet sich der Rynius-Pass. Er ist seit Menschengedenken… bla bla bla”), sollen solche Informationen unmittelbar Abenteuer-Nutzen-stiftend in die Aufhänger eingebettet werden.

Mal sehen, ob und wie das am Ende gelingt.

Hex Hex

Letztes Mal habe ich euch das geplante Destiny-Setting Der Leere Thron vorgestellt, heute wollen wir es bildlich untermauern. Hier die Fassung, die 2009 entstanden ist:

und hier die aktuelle Fassung:

Man merkt, Destiny Dungeon hat seine Spuren bei mir hinterlassen. So sehr ich Hex-Felder früher abgelehnt habe, ich finde sie mittlerweile sehr praktisch. Sie machen es leichter, Entfernungen einzuschätzen (in diesem Fall misst ein Hex ca. 30 Kilometer, d.h. eine Tagesreise auf ebenem Gelände), vor allem aber kann ich etwas ganz Tolles damit tun: Ich kann gezielt Elemente und Abenteuer-Aufhänger im Setting platzieren, ohne kompliziert auf Karten verweisen zu müssen oder die geographische Lage zu beschreiben. Ganz im Sinne der Kompaktheit meiner AceOfDice-Spiele spart mir das Platz, der dafür für Abenteueraufhänger zur Verfügung steht.

Carcosa bedient sich dieses Ansatzes ja sehr vorbildlich, und für DLT gedenke ich es ähnlich umzusetzen, natürlich in kleinerem Rahmen. Mir schwebt dabei vor, jedes ca. 6. Hex-Feld mit einem Aufhänger zu befüllen und dafür die Meta-Informationen zum Setting entsprechend zu raffen. Bin gespannt, wie sich das mit den 10 veranschlagten Seiten ausgeht. Überschlagsmäßig sind es 30×30 Hex-Felder, davon fällt aber ca. die Hälfte ins Wasser. Damit wären 900 / 2 / 6 = 75 Plothooks auf meiner Agenda. Wenn ich 12 auf eine Seite kriege, brauche ich dafür 6-7 Seiten, der Rest bleibt für allgemeine Meta-Information. Wird knapp, könnte aber gehen.

Darf ich vorstellen: Der Leere Thron

Es ist an der Zeit, ein paar Worte über das Setting zu verlieren, welches im Destiny Regelwerk enthalten sein wird. Dass ein Setting enthalten sein wird, ist für mich nie eine Frage gewesen, denn meine “Unternehmensphilosophie” ist ja bekanntlich, Produkte zu veröffentlichen, die für sich selbst stehen können, quasi All-in-one-Spiele. Bei Flucht in Valmorca stand die Kampagne im Vordergrund und das Destiny Regelwerk war Teil des Anhangs, nun wird es umgekehrt sein: Das Destiny Regelwerk wird den größten Teil des Buches einnehmen und das Setting soll Anhangs-Quantität einnehmen.

Da es sich bei Destiny um ein recht klassisches Fantasy-Rollenspiel handelt, soll auch das Setting klassisch sein, d.h. einerseits EDO (Elves – Dwarves – Orcs), andererseits überschaubar und vielseitig, soll heißen thematisch nicht allzu sehr gebunden. Das Material dafür existiert bereits seit einiger Zeit in meiner Schublade. Das Setting heißt “Der Leere Thron” in Reverenz an den König, der bei der einstigen Besiedlung des Kontinents nicht mehr dabei war, weil er – wie viele andere auch – die Überfahrt nicht überlebte. Das Setting hat damit denselben Ursprung, der auch Destiny Dungeon zu Grunde liegt, nämlich dem alten Volk von Vaern, das gezwungen war, über das Meer der Kreisenden Winde zu fliehen und eine neue Heimat zu finden. Einige fanden sie in Istarea, andere in Telaskia, und letzteres wird den Rahmen für DLT vorgeben.

Das Destiny Regelwerk schließt damit die Lücke zwischen den bisher veröffentlichten Settings, denn auch die in Destiny Beginner enthaltene Stadt Lys Marrah, die zu meiner Freude sehr positive Kritiken bekam, ist eigentlich Teil des DLT-Settings. Damit erstrecken sich die dort gelobten Eigentümlichkeiten (wirtschaftliche Übermacht der Raratinca-Gnome, soziale Spannungen zwischen diversen Fraktionen, Diskriminierung der Zwerge etc.) automatisch auf das größere DLT-Setting, bereichert um einige klassische Elemente wie ein finsteres Schurkenreich Ras’Korgoth und eine von Orks beheimatete Ebene von Mhrenech, die ein offenes Fantasy-Setting einfach braucht und die es auch Lys Marrah-Spielern ermöglichen soll, aus der Stadt auszubrechen und in einen größeren Kontext einzutreten.

DLT und das Machtniveau des Destiny-Regelwerks sind natürlich auf einander abgestimmt, d.h. das Setting wird sich im Bereich der Low Fantasy bewegen, wenn auch im oberen Segment. Für die Aufbereitung habe ich mir übrigens etwas Besonderes ausgedacht, auf das ich in einem der nächsten Artikel zu sprechen kommen werde.

Bau einer Sandbox (Teil 4)

Wie ich schonmal erwähnt habe, liegt für mich einer der wichtigsten Aspekte einer Sandbox darin, dass die Spieler Optionen haben müssen. Im Hintergrund einer Sandbox liegen immer zahlreiche Verzweigungen. Wichtig ist es also, diese Verzweigungen und Verbindungen einzurichten.

Ich habe mir daher eine Tabelle gemacht, in der ich alle 22 Örtlichkeiten Istareas einander gegenüber gestellt habe, und danach mir die Aufgabe gestellt, für jedes Szenario mindestens 1 Element zu erfinden, das in dem jeweiligen Szenario wichtig oder zumindest hilfreich ist, und dieses in einem anderen Szenario zu platzieren. Wichtig dabei war, dass dieses Element kein must-have ist, sondern etwas, ohne das man im Zweifel trotzdem das Abenteuer bewältigen kann, aber eben schwieriger.

Deshalb musste ich auch iterativ an den Szenarien arbeiten, denn woher sollte ich denn von vornherein wissen, dass ich im Grabmal des Brara Carith das Auge des Zyklis verstecken würde, wo ich doch noch nicht einmal die Zyklopenfelsen designt hatte? Deshalb kam ich später nochmal zum Grabmal des Brara Carith zurück, erfand dort eine Geheimkammer hinzu und platzierte darin das Auge des Zyklis.
Umgekehrt erfand ich für das Szenario Gasthaus zur alten Mine die Goblins, die Geld “sparten”, um sich Anschluss im Lager der Goblinoiden zu kaufen und daher wussten, wo sich im Wald von Brara Carith selbiges befand bzw. eine Karte dazu besaßen.
Es gibt also immer mindestens einen “Input-” und einen “Output-Konnex” zu jedem Szenario, optimalerweise sogar mehrere solche.

Wer einen Blick auf die Kampagnentabelle #6.1 im Anhang von Destiny Dungeon geworfen hat, kann daraus erkennen, dass ich außerdem jedem Szenario ein Thema bzw. ein wichtiges Artefakt gegeben habe. Per Design ist also in jedem Szenario mindestens ein größeres “Nutzending” (Artefakt, Information, besonderer Ort o.ä.) enthalten, das sich als Aufhänger eignet, wenn das gewollt ist.

Vergleichsweise handwerklich war schließlich die Aufgabe, die Szenarien um Kämpfe und Schätze anzureichern. Da die Charaktere in einem Sandbox-Spiel von der Sandbox selbst belohnt werden müssen und nicht von irgendwelchen NSCs abhängig sein sollen, musste ich noch Arbeit darauf verwenden, mir zu überlegen, wie und wo ich die Schätze positionierte und welche Gegner den SCs dabei im Weg stehen sollten. Das war deshalb überaus wichtig, weil in Destiny Dungeon Charaktere Gold in Erfahrungspunkte umwandeln können, d.h. durch Schätze hoch-leveln, es ist also quasi im System gelegen, dass die Sandbox voller Schätze sein muss. Hier war v.a. die Balance kritisch, denn ich musste die Gefährlichkeit der Szenarien einschätzen und darauf basierend die Schätze dimensionieren. Große Schätze durften natürlich nicht einfach so herumliegen (sonst hätte sie ja schon jemand eingesackt), und umgekehrt musste ich oft recht lange nachdenken, um einen Schatz doch noch einigermaßen pausibel zu deponieren, wo er primär lediglich spieltechnisch gefordert war.

Fortsetzung folgt, allerdings bin ich bald am Ende meiner kleinen Sandbox-Bau-Reihe. Wenn ihr bestimmte Fragen habt, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diese loszuwerden.

Bau einer Sandbox (Teil 3)

Kommen wir nun zum “Fleisch” der Sandbox, den Örtlichkeiten. Für mich war die Vision (vereinfacht dargestellt) eine coole Karte mit coolen Orten, die Spieler dazu inspirieren sollten, dort nach Schätzen zu suchen. Vom Umfang her wusste ich, dass ich für ca. 20 solche “hot spots” Platz haben würde.

Der Ansatz war meistens der, ein gewisses Terrain herzunehmen und mit einem Thema zu versehen. Beispiele: Wald + Goblins = Wald von Brara Carith, Sumpf + schräger Einsiedler = Sumpf des Einen, Berg + Gefängnissystem = Höhlen von Haranorca, See + Riesenmonster = Loch Nôr etc.

Nach Möglichkeit sollten die Örtlichkeiten einen Konnex zum “overarching theme” aufweisen, und zwar einen solchen, der nicht nur interessant zu lesen ist, sondern auch als Aufhänger für Abenteuer herhalten kann. Das ist eine ziemliche Falle für Autoren, weil man nur allzu gerne in geschichtlichen Ereignissen versinkt und vergisst, dass man eigentlich Abenteuer für die Gegenwart schreibt. Meine rigorose Selbstbeschränkung – maximal 2 Seiten pro Szenario – holte mich aber ohnehin immer wieder rigoros auf den Boden zurück, sodass ich alle Zusammenhänge kübelte, die sich nicht en passant in den Ortsbeschreibungen unterbringen ließen. Reduktion war das Zauberwort.

Die inhaltliche Vorgehensweise kann ich nur anhand eines Beispiels nachvollziehen. Werfen wir daher gemeinsam einen Blick auf den Wald von Brara Carith (Link zum Mitlesen hier, Szenario Seite 88). Meine Gedankengänge stichwortartig: Wald mit Goblins > Goblinkönig > Elfen vernichten Goblinkönigreich > Goblinkönig/Schamane bildet Teich aus Goblinblut > heute viele Goblins > Grabmal von Goblinkönig > geraubte Schätze in Grabmal. Diese Elemente galt es auszuarbeiten, zu strukturieren und in Sub-Örtlichkeiten umzuwandeln.

  • Ein Teich aus Goblinblut, aus dem immer wieder Goblinoide steigen. Nebenbei habe ich den auch gleich zum mythologischen Ursprung der Hobgoblins gemacht. Solche Dinge passieren einfach. Ebenso wie der Minotaur, den ich als Geburtshelfer der Goblins eingeführt habe.
  • Das Grabmal des Goblinkönigs, gut versteckt und unberührt in einem Hügel. Hieraus mache ich einen Minidungeon, wo ich ein Rätsel platziere gepaart mit einem moralischen Dilemma: Spieler müssen herausfinden, dass man hier einen Goblin opfern muss, um Zugang zum Grab zu erlangen.
  • Ein Goblinoiden-Lager, bis zum Rand voll mit Goblins, Hobgoblins, Goblinhunden und derlei Zeugs, ein stetig wachsender Machtfaktor für die Horden, mit dem nicht zu spaßen ist. Hier habe ich auch endlich einen Konnex mit dem overarching theme, der mir allerdings noch nicht reicht, weshalb ich später noch zu diesem Szenario etwas hinzufügen werde (dazu in Teil 4).
  • Weil der Wald unerforscht ist, verstecke ich für SCs, die klassische auf Hex-Feld-Exploration gehen, einige kleinere Besonderheiten: ein Kräutervorkommen hier, ein verlassener Elfenhochstand mit einer Pfeife dort, ein verwitterter geplünderter Wagenzug irgendwo dazwischen und
  • weil mir noch ein zweites stilgebendes Element in dem Wald fehlt: Pixies. Ein Baum mit Pixies, bei denen der SL bestimmen kann, ob er sie als Freund oder Feind ins Spiel bringen möchte, weshalb ihre Gesinnung mondphasen-abhängig ist. Einen Pixie lasse ich im o.a. Wagenzug feststecken, und wenn die SCs ihn befreien, reagieren seine Freunde gleich viel freundlicher.

Mir war an diesem Punkt wichtig, die Szenarien so zu gestalten, dass es nicht nur eine denklogische Mission zu erfüllen gibt. Im Wald von Brara Carith könnten die SCs beispielsweise den Auftrag haben,eine Karte des unerforschten Gebiets herzustellen,ein Pixie einzufangen,den Zauber des Blutteichs zu beenden, das Lager der Goblinoiden auszuspionieren oder das Grabmal des Brara Carith zu finden und zu plündern. Im Idealfall können sie sogar mehrmals im Laufe einer Kampagne hierher kommen und trotzdem noch Elemente entdecken und bespielen, die ihnen bisher verborgen geblieben sind. Dieses “Ups, da haben wir wohl was übersehen” macht für mich den Zauber einer Sandbox aus.

Die Arbeitsweise an den Szenarien war übrigens iterativ.. Die Elemente festzulegen war eine Iteration, die nächste bestand darin, alles mögliche fein-zu-tunen. Aber dazu nächstes Mal.

Bau einer Sandbox (Teil 2)

Was rote Fäden betrifft, scheiden sich die Geister. Die Hardcore-Sandbox-Spieler verweigern ja so ziemlich jedes vorbestimmte Drama, weil die Ereignisse von den Spielern ausgehen mögen und nicht einem Plot, wie lose er auch immer definiert sei, folgen sollen. Trotzdem hatte ich mich bei Destiny Dungeon entschieden, Elemente einzufügen, die es dem SL ermöglichen sollten, eine dramatische Kampagne auf die Beine zu stellen.

Schritt 2: Rote Fäden

Im Zuge des Nachdenkens über die roten Fäden – die Diskussionen hier im Blog waren übrigens sehr hilfreich! – kam ich zu zwei wesentlichen Kriterien:

  • Das Wichtigste schien mir, dass die roten Fäden optional bleiben. Ob Spieler und SL dem roten Faden folgen oder nicht, durfte sich in keiner Weise auf die Verwendbarkeit oder Spielbarkeit anderer Elemente auswirken.
  • Das zweite war, dass die roten Fäden keine Metaplot-Qualität bekommen durften. Das Setting musste sein Kolorit und seinen Reiz bewahren, auch wenn man sich die roten Fäden wegdenkt.

Diese beiden Kriterien haben mich einige Pläne, die ich für Istarea hatte, gleich wieder verwerfen lassen. Ideen dazu, wie Mavith mit seinen Intrigen das Königreich lahm legt, ein Jahresplan mit Schlachten gegen die Horden bis hin zu einem Coup der Limisjünger – all das war schon fast fertig, aber ich habe es letztlich verworfen und mich damit begnügt, nur Andeutungen in die Aufhänger und Szenarien einfließen zu lassen (z.B. das Attentat am Grafentag). Klar ist es als Autor verlockend, den Lesern die coolen Ideen, die man mit dem Setting hat, und all die genialen NSC-Pläne unter die Nase zu reiben. Aber den Fehler, die Fantasie und den Erfindungsreichtum der Spieler und Spielleiter zu unterschätzen, den haben schon andere gemacht, den muss man ja nicht unbedingt wiederholen. Was aber habe ich nun getan, um rote Fäden auszulegen:

Ich habe die Sieben Schwerter erfunden und damit den Sammlertrieb beiden Spielern adressiert. Man denke sich eine Handvoll Gegenstände aus, bei denen “das Ganze mehr ist als die Summe der Teile” und streue sie über die Sandbox. In meinem Fall waren es 7 Schwerter, weil es thematisch zum Setting (Menschen vs. Horden) passte und ein Schwert für alle Charaktere irgendwie greifbar ist. Wären es irgendwelche magischen Mumpfdiwumpf-Kugeln, dann wüsste wieder keiner außer vielleicht dem Magier, was die können und ob man sie überhaupt verwenden kann, daher blieb ich hier klassisch old-schoolig und bodenständig. Die Schwerter halfen mir auch, einige Parteien zu charakterisieren (z.B. Graf Terus von Lovorn, den Schlangenblender) und diverse Elemente auf epischeres Niveau zu bringen (z.B. der erschlagene Riese in den Wandernden Hügeln). Was wichtig ist: Die Schwerter wurden später in den Szenarien so platziert, dass man sie nur schwer zufällig finden kann, sondern auf Hinweise angewiesen ist (z.B. das Schwert der im Netz von Chnis-Niri verendeten Kriegerin oder jenes am Grunde des Loch Nor). Das erhöht quasi ihren Wert und trägt auch zur Plausibilität bei, immerhin liegen die dort seit Jahrhunderten.

Aus der Geschichte mit den 7 Schwertern ist dann schließlich auch noch ein weiterer roter Faden entstanden, der zuerst so gar nicht geplant war. Mir kam die Idee, dass es cool wäre, wenn es auch noch sieben Hordenführer gäbe, die eine Schlüsselstellung innerhalb der Horden einnähmen und als Etappenziele herhalten könnten. Also habe ich mich hingesetzt und nachgedacht, welche von den bereits bestehenden “Bossmonstern” sich als Hordenführer eignen würden. Da bot sich z.B. die Schlange von Lovorn an, und auch die Riesenspinne in Szenario 11 erfuhr ein Upgrade zum Spinnengott Chnis-Niri. Dann erfand ich noch ein paar zusätzliche, damit ich auf die zahlenmäßige Parallelität zu den sieben Schwertern kam. Jedes Schwert gezielt auf einen Hordenführer zu eichen, so weit ging ich dann aber doch nicht, weil ein Mechanismus á la “du brauchst Schwert X um Hordenführer Y zu besiegen” der Kampagne wieder einen bestimmten Verlauf aufgeprägt hätte, und gerade solche Festlegungen wollte ich ja vermeiden.

Die dritte Geschichte, die sich als roter Faden durch die Sandbox zieht, sind die Machenschaften Maviths und Situyarâns. Der alte Elfenmagier ist ziemlich gewissenlos und nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Seine Allianz mit Mavith macht die beiden zu Schlüsselfiguren im Machtgefüge, deshalb habe ich an möglichst vielen Stellen Verbindungen zu diesen beiden NSCs installiert. In X liegt die Leiche des Bruders von Situyarân, in Y kauert ein Elfenmädchen, das über seine Grabräubereien bescheid weiß, in Z gilt es, Magiersöldner davon abzuhalten, sich Mavith anzuschließen usw. Sollten die SCs also jemals in diese Verschwörungsgeschichte hineingezogen werden, gibt es viele Möglichkeiten für den SL, daraus eine Kampagne zu machen. Und wenn nicht, tragen die roten Fäden zu Plausibilität und innerer Kohärenz bei – auch gut.

Wie wichtig rote Fäden bei näherer Betrachtung gerade in einer Sandbox sind, ergibt sich aus etwas, das ich in Teil 1 geschrieben habe: Hier geht die Initiative von den Spielern aus. Sie müssen die Chance haben, Querverbindungen zu erkennen und diesen zu folgen. Sie können sie ja nicht erfinden. Bestünde die Kampagne nur aus losen, für sich abgeschlossenen Szenarien, fiele es ihnen wohl schwerer, von sich aus ein großes, Kampagnen-umspannendes Drama aufzubauen und sie wären erst wieder auf den SL angewiesen.

Soweit meine paar Überlegungen zum Thema rote Fäden. Schritt 3 wird darin bestehen, die einzelnen Szenarien/Örtlichkeiten zu definieren. Das Rezept dafür – in Kürze.