DD#31 Sandkastenträume

Ich hänge. Nicht schmerzhaft, aber doch irgendwie in der Luft. Und zwar mit den für Destiny Dungeon geplanten Szenarien, die ja doch ein wichtiger Punkt in diesem Sandbox/World-in-motion-Paket sein werden. Im Urlaub hatte ich ein wenig Zeit darüber nachzudenken, wie ich die Dungeons/Szenarien/Plots gestalten und präsentieren soll. Nun habe ich das Gefühl, dass vieles davon gegensätzlich bzw. schwer zu vereinbaren ist.

  1. Die Dungeons sollen dramatisch möglichst unabhängig von einander sein, also keine “Perlenkette” bilden. Umgekehrt möchte ich aber eine inhaltliche Verflechtung ermöglichen und nicht bloß 1-Session-Dungeons veröffentlichen.
  2. Sie sollen dynamisch sein, aber die Dynamik darf nicht “vorgekocht” wirken. Will heißen: In den einzelnen Szenarien soll sich was tun können, aber ohne dass die Spieler das Gefühl haben, dass sich seltsamerweise immer dann was tut, wenn sie zu einem Dungeon hinzustoßen.
  3. Die Spieler sollen ganz offizielle Informationen über die Dungeons erhalten, um auch von sich aus Entscheidungen treffen zu können wie z.B. “Lasst uns zum Feuerwasser-See gehen, dort lebte ein Elementarist, vielleicht wusste der ein Gegenmittel gegen ewig brennendes Feuer!” Zu wenig Information über die Dungeons nimmt den Spielern die Möglichkeit, sie aus Eigeninitiative anzusteuern, zu viel Information entmystifiziert sie allerdings wiederum. Ursprünglich hatte ich mir überlegt, einen Spielerinfo-Absatz zu jedem Dungeon zu verfassen, in dem sich Fakten und Gerüchte vermischen. Diesen Ansatz sehe ich mittlerweile kritisch, weil er die SCs in die Irre führen und sie im schlimmsten Fall (bei gefährlicheren Dungeons) das Leben kosten könnte.
  4. Auch der optimale Detailgrad will sich mir nicht so recht eröffnen. Mein Ansatz wäre gewesen, zu jedem Dungeon/Szenario – analog zu Flucht von Valmorca – ca. 1 Seite Material zur Verfügung zu stellen. Das reicht allerdings für nicht mehr als einen groben Plotpoint. Meine Idealvorstellung, dem SL auch gleich konkrete Ortsbeschreibungen, Rätsel, Fallen etc. in die Hand zu geben, lässt sich bei dieser Granularität nur schwer erzielen. (Bei Valmorca funktionierte das besser, weil es eher handlungsgetriebene Szenarien waren. Ortsbeschreibungen brauchen deutlich mehr Worte).
  5. Ich möchte keinen unsichtbaren Metaplot über die Dungeons legen, aber trotzdem Möglichkeiten für den SL einbauen, einen Plot aus einem Dungeon heraus zu einem zweiten weiterzuentwickeln. Die Herausforderung wird sein, Elemente so über die Dungeons zu verteilen, dass sich in jedem Dungeon zwei Optionen für den Besuch weiterer Dungeons anbieten, ohne dass sich das ganze nach einer Schnitzeljagd anfühlt. Der Punkt bereitet mir im Augenblick am meisten Kopfzerbrechen, noch dazu, weil ich ja (siehe 1.) keine zu starke Verflechtung möchte und (siehe 2.) keine Plots oder Entwicklungen vorwegnehmen kann/sollte.

Die eierlegende Wollmilchsau ist für den Designer wohl das, was der rasende Keiler für den Jäger ist. Ich melde mich, wenn ich einen Weg gefunden habe, diese 5 Punkte zumindest mehrheitlich zu adressieren. Wohlgemeinte Ratschläge natürlich jederzeit willkommen!

DD#30 Neue Illus

Ich weile zwar in Urlaub, aber dank der Möglichkeit, terminisert zu publizieren, verkürze ich euch, liebe Leser, die Wartezeit bis zum nächsten Artikel mit einem kurzen Update in Sachen Illustrationen.

Da mir immer wieder kritische Stimmen zu John’s Werken zu Ohren kommen, möchte ich kurz dazu Stellung nehmen und die anspruchsvollen Menschen da draußen darüber aufklären, dass Illustrationen wirklich, wirklich teuer sind (siehe meinen Artikel Kleine Kostenrechnung) und trotzdem am Ende eine Geschmacksfrage bleiben. Natürlich würde ich liebend gerne Ugurcan oder John Talbot oder Larry Elmore für meine Spiele verpflichten, aber ich fürchte, da käme ein einziges Bildchen so teuer wie alle 18 Illustrationen von John. Abgesehen davon haben die erlauchten Herren nicht einmal auf meine e-mails geantwortet. Wir werden uns damit wohl noch weiter mit John’s Werken bescheiden müssen (ich für meinen Teil mag sie durchaus gerne), bis sich jemand findet, der zu denselben Bedingungen höhere Qualität liefert.

Davon abgesehen: Wir Rollenspieler würden doch ein Spiel nicht nach der Qualität seiner Illustrationen beurteilen, oder würden wir das? 😉

DD#29 Ich hasse Tabellen – oder?

Ja, ich hasse Tabellen. Ich habe sie immer schon gehasst. Ich habe jahrelang DSA gespielt und trotzdem bei jedem Patzer nachschauen müssen. Rolemaster zu spielen wäre für mich wohl das Fegefeuer. Das ist einer der Gründe, warum meine Spiele – mit Ausnahme von Preisliste und Waffentabelle – ziemlich Tabellen-los geraten sind. Ich möchte es einfach keinem Spieler zumuten, während des Spiels ein Regelwerk konsultieren zu müssen, um zu bestimmen, ob der Feuerball rot- oder weißglühend ausfällt und ob bei einer Attacke die Milz oder der kleine Zeh getroffen wurde. Ich kann mir vorstellen, dass das einen gewissen Detailreichtum ins Spiel einbringen kann, aber ich mag’s halt nicht. Macht ja auch nichts.

Jetzt sitze ich also vor Destiny Dungeon und möchte dem Spielleiter die ultimativen Hilfsmittel für das Leiten einer Sandbox-Campaign in die Hand geben, da tauchen plötzlich vor meinem geistigen Auge wunderbar inspirierende Tabellen auf. Schätze, Inhalte von Lagerhäusern, Edelsteine, Artefakte, Elixiere, Begegnungen am Markt, Gefahren im Sumpf usw. Ich überwinde also meine Abneigung, sage mir: Nicht so schlimm, diese sind ja für den SL, nicht für den Spieler!, und schreite ans Werk. Ich muss übrigens zugeben, dass mich Vornheim (danke übrigens, Nerzenjäger, fürs Zurverfügungstellen!) in nicht geringem Maße dazu inspiriert hat, Destiny Dungeon mit ein paar Tabellen anzureichern.

Hilfsmittel der Wahl ist Google Docs. Da kann ich gute Einfälle auch während der Arbeitszeit schnell einpflegen, und – ganz besonders toll – ich kann Dokumente freigeben und sogar gleichzeitig mit jemand anderem daran arbeiten! Nicht, dass sich bis jetzt jemand gefunden hätte, der mir die Bürde des Tabellenbefüllens abnehmen wollte, aber die schiere Möglichkeit dazu zu haben ist cool genug! Und eigentlich, eigentlich sind Tabellen gar nicht so übel…

Ich geh’ jetzt übrigens eine Woche in Urlaub und versuche das schlechte Gewissen abzubauen, das ich habe, weil ich durch solche Kleinigkeiten wie Tabellen meine selbst auferlegte September-Deadline gefährde. Aber es macht einfach so viel Spaß…!!

Initiative von Spielern – zu viel verlangt?

Ich habe mich schon mal, im Tanelorn, laut gefragt, wieviel die Spieler im Vergleich zum Spielleiter aktiv ins Spiel einbringen müssen/können/sollen, um Sinn und Zweck des Rollenspiels gerecht zu werden. Heute werfe ich diese Frage erneut auf, weil sie sich für mich im Zusammenhang mit meiner Stammrunde ein weiteres (letztes) Mal gestellt und beantwortet hat. Zur Vorgeschichte: Ich habe 12 wunderbare Jahre lang geleitet, musste aber feststellen, dass gewisse Abenteuer in meiner Runde nicht funktionierten. Ich stellte z.B. fest, dass (etwas pauschaliert):

  • die SCs vergleichsweise wenig an einander interessiert waren,
  • NSCs notorisch vernachlässigt/ignoriert wurden,
  • taktische Situationen in endlose Debatten und Hypothesen mündeten,
  • die Handlungen der SCs zu 90% reaktiv und nicht proaktiv waren,
  • gerailroadete Abenteuer wesentlich besser ankamen als solche, in denen die SCs die “volle” Handlungsfreiheit hatten (Detektiv-Abenteuer hassten sie überhaupt),
  • ich keine Downtime-Handlungen seitens der SCs erwarten konnte, zumindest nicht im Vorhinein, allenfalls als Nachtrag im Rahmen des Prologs.

Ich sah das jahrelang als Wermutstropfen und meinte, irgend jemand müsse die “Schuld” daran tragen. Wir hatten immer wieder “Krisentreffen”, in denen ich beklagte, dass ich mir als Spielleiter mehr Initiative und Interaktion zwischen Charakteren erwarten würde, aber es nutzte vergleichsweise wenig; gute Vorsätze hielten meistens nicht lange. Selbstkritisch kam ich zum vermeintlichen Fazit, dass alles meine Schuld sei, da ich

  • die Spieler einfach zu sehr mit erzählerischen Dramen “verwöhnt” hatte,
  • zu viel geleitet und die Spieler dadurch zu gewohnheitsmäßigen Konsumenten gemacht hatte,
  • die Interaktion mit NSCs dadurch erschwert hatte, dass ich ihnen in der Vergangenheit zu viele suspekte und intrigante NSCs geschickt hatte,
  • zu sehr auf Story und einen inhaltlich erfüllten Abend Wert gelegt und damit einer Art Effizienzdenken Vorschub geleistet hatte.

Heute beurteile ich die Sache etwas differenzierter und stelle auch die Frage anders. Es geht nicht darum, wieviel sich Spieler einbringen sollten, sondern wieviel sie sich einbringen können. Ich glaube, dass es eine Frage der Mentalität, Spontanität und Kreativität der Spieler ist, ob sie überhaupt in der Lage sind, Initiative zu zeigen. Zumindest für meine Runde bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass niemand Schuld trägt, sondern einfach die persönlichen Stile nicht zusammen gepasst haben. Meine Spieler waren hochgradig analytisch und perfektionistisch, aber sie hätten nie aus der Rolle ihres SC heraus einen Plot aufgerissen, von dem sie nicht wussten oder glaubten, dass er zum Abenteuer gehörte.

Ich glaube, Spieler sollten so viel oder wenig an Initiative einbringen, wie notwendig ist, um die Erwartungen aller Beteiligten zu erfüllen oder zumindest nicht zu enttäuschen. Wenn sie das nicht wollen oder, was wahrscheinlicher ist, nicht können, dann muss man eher an einer anderen Schraube drehen und die konkrete Konstellation von Spielern hinterfragen.

Mein Fazit zum 27.07.2011: Jede Gruppe, die länger mit einander glücklich werden will, scheint gut beraten, entweder aus Gleichgesinnten zu bestehen oder aus einer gesunden Mischung, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden. Ein genauer Blick auf die Spielerpersönlichkeiten ist dabei wesentlich hilfreicher als die titelgebende Frage dieses Artikels. Diese ist ja letztendlich doch nur mit einem “Ja” zu beantworten, da die meisten Spieler ohnedies das geben, was sie geben können und geben wollen. Und mehr kann man nicht verlangen. Macht das irgendwie Sinn?

Geschliffener Dialog vs. Tavernengebrabbel

Obwohl es mittlerweile viele gute Artikel zum Thema “Wie stelle ich meinen SC dar?” gibt, findet man kaum Anleitungen für das Führen von Dialogen. Das ist insofern schade, als Dialoge zwischen SCs einen großen Teil des Rollenspiels am Tisch ausmachen.

Ein offensichtlicher Grund, warum es dafür kaum Ratschläge gibt, ist der, dass man für einen Dialog – höchst erstaunlich – einen Zweiten braucht, und das bedeutet: Dialoge sind hochgradig improvisiert, spontan und dynamisch, noch viel mehr als Handlungen, denn die orientieren sich meist an mehr oder minder vorgegebenen Parametern (Gegenständen im Raum, Farbe der Tunnelwand, Bäume links und rechts…). Dialoge aber können Zeit und Raum transzendieren, sich um die Kindheit der Charaktere ebenso drehen wie um Geschehnisse, die vielleicht gerade an ferrnen Orten stattfinden, oder um das politische System, für das die Charaktere ins Abenteuer ziehen. Wunderbar, oder?

Ja und nein. Zumindest in meinen Runden beobachtete ich, dass die Spieler mit engen Rahmenbedingungen besser klar kamen als mit völlig freiem Handlungsspielraum. Dass sich Dorfabenteuer so gut spielen und Menschen im Supermarkt eher Marmelade kaufen, wenn ihnen 2 Sorten angeboten werden anstelle von 15, werte ich mal als Indiz dafür, dass diese These auf die Mehrheit der Rollenspieler zutrifft. So gesehen wundert es mich nicht, dass viele ungesteuerte Dialoge, die sich einfach so zwischen SCs ergeben, oftmals in uninspiriertes Tavernengebrabbel abgleiten oder am Ende nur die Frage “Wie ist es denn bei euch [Volk] zuhause?” herauskommt.

So überlege ich schon geraume Zeit, wie man Dialoge im Rollenspiel optimieren kann, ob es Techniken oder Tricks gibt, die dabei helfen, dass sich Charaktere interessant, pointiert, informativ und rollentypisch austauschen. Zu diesem Zweck habe ich ein sehr gutes Werk hervorgekramt, das Buch “Schreiben fürs Fernsehen” von Vivien Bronner, die ich übrigens in einer Schreibwerkstätte erleben durfte und schwerstens weiterempfehlen kann. Rollenspiel ist natürlich kein Buch und auch keine Serie, aber Gemeinsamkeiten gibt es: Abenteuer wie auch Geschichten in Buch und Film und Serie lassen uns in fremde Welten und in andere Charaktere eintauchen. Grund genug, da mal reinzuschauen:

Dialog erfüllt drei Funktionen:
1. Dialog charakterisiert den Sprecher.
2. Dialog treibt die Handlung voran und vermittelt Information.
3. Dialog charakterisiert die Welt […] und schafft Rhythmus.

Nun mein Versuch, das irgendwie aufs Rollenspiel umzumünzen: Unter (1) sehe ich den von arkanen Glyphen faselnden Magier, den bei Oroschgur’s Bart fluchenden Zwerg, den salbungsvollen Priester, den lispelnden Dieb usw. Idealerweise sollte die Charakterisierung über das Klischee hinausgehen und etwas über Haltung, Werte und Eigenschaften des Charakters aussagen. Sprechweise, Wortwahl und Intonation, Vorlieben für gewisse Wörter oder Sprachfehler sind wohl ohnedies Stilmittel, die die meisten Rollenspieler nutzen, um ihre Rolle zu verkörpern. Dem ist, glaube ich, wenig hinzuzufügen.

Punkt (2) ist die Antithese zum oben zitierten Tavernengespräch. Nichts gegen Tavernengespräche, die können lustig sein, oder sie können helfen, am Anfang einer Session in den Character hineinzufinden. Sobald aber ein Zweck fehlt und nur halblustig dahingeplänkelt wird, könnten sich alle schön langsam die Frage stellen, ob damit dem Spiel gedient ist. Wenn niemand einen Nutzen aus dem Dialog zieht, dann ist er sehr wahrscheinlich überflüssig und kann eingespart werden. Dialoge sollten zudem pointiert, kurz, prägnant sein. Manche Spieler können das. Sie improvisieren mit wenigen Worten wahrlich filmreife Dialogzeilen. (Ich selbst gehöre leider nicht dazu, aber ich versuche mich zumindest in Kürze zu üben.)

Punkt (3). Unter diesen Punkt (den Rhythmus lassen wir mal außen vor) würde ich alle Bezugnahmen auf die Spielwelt subsumieren. Das Anrufen von Göttern, Trinksprüche, Redewendungen und Metapher aller Arten und Farben, das Ziehen von Vergleichen und Analogien. Dieser Punkt erfordert gute Kenntnis und Identifikation mit dem Setting und dem Subsetting. Er ist auch eine hervorragende Möglichkeit, Spielerwissen in der Runde weiterzugeben. (“Wer ist übrigens dieser Humpfdiwumpf, den Ihr dauernd anruft?” – “Was, ihr kennt Humpfdiwumpf nicht? [Keuch]. Lasst uns eine Pause einlegen, und ich erzähle euch die Legende. Das heißt, [Keuch] sofern uns unser geschätzter Anführer eine Pause zubilligt.” – “[Grummel] Wenn es sein muss, aber haltet euch kürzer als sonst, Zauberer, es wird bald Abend.”). Oder so.

Dialoge sind, wenn man sie wirklich geschliffen hinkriegen will, eine schwierige Sache. Von den 3 Punkten abgesehen, sollten sie auch noch andere Charaktere einbinden, die äußeren Umstände reflektieren, mit Beschreibungen verknüpft werden, Bezug zum aktuellen Geschehen haben, bisher Unbekanntes referieren… – die Liste der Anforderungen ist groß, und dabei hat man nur wenige Zehntelsekunden Zeit für eine geistreiche Dialogzeile. Ist die Forderung nach einem geschliffenen Dialog im Rollenspiel vielleicht fehl am Platze? Ich glaube nicht. Zwar ist kein Rollenspiel schlecht, nur weil die Dialoge nicht filmreif sind. Aber wie an vielen Elementen kann man auch an Dialogführung arbeiten, und wenn dem von einer kritischen Masse von Spielern Bedeutung zugemessen wird, kann das das Rollenspiel in einer Gruppe ungemein bereichern.

DD#28 Ich seh’, ich seh’…

Heute möchte ich inhaltlich aus dem Nähkästchen plaudern und ein Beispiel dafür geben, wie das Definieren eines einzigen Zauberspruchs einen ganzen Abend verbraten kann und welche komplexen Überlegungen hinter einer einzigen kleinen Regel stehen können.

Vorgestern traf ich mich mit meinem Trauzeugen Roland, der zugleich “Chef-Analytiker” der Destiny-Talente war und mich schon vor so manch kapitalem Fehler bewahrt hat. So pendelten wir in der Wiener Innenstadt von Café zu Café, nur beim Thema kamen wir nicht von der Stelle: Der Seher in Destiny Dungeon.

Der Seher ist einer der problematischsten Archetypen, die es im Rollenspiel gibt. Was ihn eigentlich auszeichnen sollte, ist, dass er durch Zeit und Raum sehen kann, aber beides sind Dinge, die sich im Spiel schwer und in einem crunchigen Regelwerk wie Destiny noch schwerer abbilden lassen. Alle Talente, die mit Timing zu tun haben, sind extrem heikel (wer Magic The Gathering kennt, weiß, wieviele Fragen alleine das Thema Instant und Interrupt aufwirft), solche, die mit klassischer Hellsicht zu tun haben, haben enormes Spoiler-Potenzial.

Konkret ging es darum, dem Seher ein neues Grad 0-Talent angedeihen zu lassen, das ihm hilft, seine Rolle zu verkörpern, aber nur beschränkt mächtig ist. Man muss dazu sagen, dass in der momentanen Fassung von Destiny Dungeon die Archetypen-Talente ohne Probe, also jedenfalls gelingen und Grad 0-Talente zudem auch keine Destiny-Punkte kosten. Die Frage war also: Was kann man dem Seher quasi “frei Haus” geben, ohne die Spielbalance zu gefährden?

  • Gefahreninstinkt? Lieber nicht. Ein Seher in der Runde, und jeder SL kann sich seine Überraschungsangriffe, Fallen und plötzlichen Entwicklungen an den Hut stecken. Und das nicht hin und wieder, sondern ständig. Wir erwogen kurz, den Seher nur seine Nachteile vermeiden zu können, aber das ist wenig kooperativ und könnte dazu führen, dass die Gruppe ihn anstelle des Diebes vorschickt. Lieber nicht…
  • Gedankenband? Der Seher als gedankliche Schaltzentrale zwischen den Gefährten? Eine Legitimation dafür, dass Spieler sowieso immer ein Quäntchen Spielerwissen in ihr Rollenspiel einbringen, zumindest unbewusst? Dauernd, ständig, unter allen Bedingungen? Sehr passiv, auch nicht das Gelbe vom Ei.
  • Telepathische Verständigung? Auf den ersten Blick ziemlich cool: Seher mit Schweigegelübde, der hauptsächlich telepathisch kommuniziert – warum eigentlich nicht! Auf den zweiten Blick ziemlich uncool, denn dann kann ich als Seher die NSCs mit ständigem un-ort-barem telepathischem Geschwafel zwangsbeglücken, ablenken und mobben. Geht als Grad 0-Talent nicht durch.
  • Letztendlich sind wir bei etwas ganz anderem gelandet, das ich bereits in Araclia implementiert hatte und nun wieder ausgrub: Der Seher hinterlässt an einem Ort einen Teil seiner (optischen) Wahrnehmung, ich nenne es sein Drittes Auge. Er kann dadurch jederzeit an diesen Ort (zurück)blicken und auf dortige Ereignisse – gleichsam wie auf Bewegungen im Augenwinkel – aufmerksam werden. Die genauen Details sind noch zu spezifizieren, wie lange, wie deutlich etc., aber im Grunde glaube ich damit, einen ganz nützlichen Utility-Zauber für den Seher gefunden zu haben. Normalerweise werden solche Zauber ja selten verwendet, weil man nur ungern Punkte für etwas ausgibt, von dem man nicht weiß, ob es relevant wird. Da aber Grad 0-Talente keine Punkte kosten, sollte das hier kein Thema sein.
    Und indem ich Audio ausspare und den Seher nur hellsehen, nicht aber hellhören lasse, bringe ich den SL nicht in die Verlegenheit, dauernd ausgefeilte Dialoge zwischen seinen NSCs wiedergeben zu müssen. Er beschränkt sich dann einfach auf Gesten, Gesichtsausdruck, Gegenstände, die übergeben werden, und wenn es wirklich wichtig ist, kann man ja immer noch Würfe auf INT/GES (Lippen lesen, Körpersprache deuten) zugestehen.
    Was mir an dem Dritten Auge auch gut gefällt: Es eröffnet dem SL die Möglichkeit, auch Interaktion zwischen NSCs darzustellen, vielleicht eine Alltagssituation oder einfach nur eine lustige Szene zu beschreiben oder gezielt Hinweise auszugeben, die er sonst nicht untergebracht hätte.

Roland hatte am Ende unseres Brainstormings noch ziemliche Zweifel. Mal sehen, ob sie sich als berechtigt herausstellen. Das ist das Spannende am Designprozess: Bis zum Test weiß man nie, welche Regeln sich bewähren.

Da fällt mir ein: Ich seh’, ich seh’… die Auflösung zum Fehlersuchbild von DD#27: Völlig zurecht haben einige festgestellt, dass es nicht nur 1 Ungereimtheit gibt – naja, niemand ist perfekt. Was aber zumindest für mich am schwersten gewogen hat, war die Tatsache, dass der Gaukler mit dem Rücken im Netz steht und auch noch die Hände hoch hält. Es muss sehr seltsam anmuten, wenn ein Gaukler mit hoch erhobenen Händen rückwärts durch einen Dungeon spaziert. Aber hey, vielleicht wich er vor Armbrustschützen zurück, die ihn ins Innere drängten! Scherz. John hat mittlerweile zugegeben, dass er beim Skizzieren nicht Herr seiner Sinne war, die (etwas) verbesserte Fassung zeige ich hier in Kürze.

Wüstenschinkenklangtapeten

Ich weiß, ich sollte mich eigentlich auf die Entwicklung von Destiny Dungeon konzentrieren, aber mein Hirn braucht auch mal Abwechslung, daher habe ich mich heute zu einer weiteren Episode der Reihe “Inspirierende Filmmusik” entschlossen und dabei festgestellt, dass viele meiner Soundtracks dem Genre “Wüstenschinken” entspringen. Und weil ich es nicht übers Herz gebracht habe, mich für einen Liebling zu entscheiden, habe ich mir gedacht, ich schneide Sequenzen aus mehreren zusammen, um sie euch, falls ihr sie noch nicht kennt, vorzustellen. Da sind sie in (fast) chronologischer Reihenfolge:

wuestenschinken_audioteaser

Die erste Sequenz vom großartigen, leider schon verstorbenen Jerry Goldsmith gehört zu dem vergleichsweise wenig bekannten Drama The Wind and the Lion (mit Sean Connery als Berberfürst), das allerdings gar nicht schlecht ist und für mich wesentlich fesselnder war als
Lawrence of Arabia, von dem mich eigentlich nur die überaus bekannte Musik von Maurice Jarre anspricht (der wiederum der Vater von Jean-Michel Jarre ist bzw. war).
Die dritte Sequenz dürfte der Generation 30+ durchaus bekannt sein, es ist das von Mike Batt komponierte Caravans, von dem sogar seinerzeit (Ende der 70er – ouch) eine Version mit etwas mehr Beat in den Radios lief. Den Film hab’ ich leider nie gesehen, ich musste mir aber sagen lassen, dass ich dabei auch nichts versäumt habe.
Etwas getragen und damit dem Charakter der Mini-TV-Serie entsprechend ist das von Ennio Morricone vertonte Secret of the Sahara. Das war in den 80ern, und Andie MacDowell spielte nicht nur im Film, sondern auch in meinen Träumen eine große Rolle. In der Serie gibt’s wirklich Wüste ohne Ende und einige ziemlich gute Szenen, von denen sogar abgebrühte Spielercharaktere noch was lernen können (ich sag’ nur: Schlangenbiss der anderen Art).
Ich springe zur Jahrtausendwende zu The Mummy, ein Meisterwerk des Popcorn-Kinos, bei dem Jerry Goldsmith 24 Jahre (!) nach Wind and the Lion nochmal beweist, dass er mehr Power hat als viele junge Komponisten, gefolgt vom Mumien-Prequel
The Scorpion King, dessen Musik mir wesentlich wohlgefälliger in Erinnerung ist als der Film, obwohl er durchaus seine Momente hatte. Die Musik stammt von John Debney, den man vielleicht von Seaquest und Cutthroat Island kennt. Ich mag ihn, denn er weiß  kraftvollen symphonischen Sound mit modernen Elementen zu verbinden.

Wunderbare Bilder, breite Epen und unvergessliche Klangtapeten. *Seufz* Leider standen meine Spieler nie auf Wüstenzeug, denn ich hätte nur zu gerne mal eine solche Campaign geleitet. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend…

Zwei Herzen…

Nein, heute geht es nicht um den tentakelbewehrten, dreiarmigen Riesen mit den zwei Herzen und den vier Augen, von denen zwei vorne und zwei hinten angebracht sind. Es geht um meine zwei Rollenspielherzen, die in meiner Brust schlagen, wenn es um die Frage geht, mit welcher Art von Campaign ich mich wohl fühle. Ausgelöst durch eine Diskussion in meiner Stammrunde, die – nach 10 Jahren Araclia und Destiny – nun zu neuen Ufern aufbrechen soll, um neue rollenspielerische Weiten zu erkunden.

Mein Herz #1 schlägt dafür, neue Spiele auszuprobieren, mal was gänzlich anderes als das Bisherige zu spielen, den Horizont zu erweitern, ein neues Spielgefühl zu entwickeln. Campaigns wie Hollow Earth Expedition, die uns gerade beschäftigt, aber auch so etwas wie 50 Fathoms, vielleicht ein paar Wochen lang Fiasco, danach eventuell mal was Science-Fiction-Mäßiges (obwohl ich da noch kein System gefunden habe, das mich wirklich ansprechen würde). Das ist schon aus Spieldesigner-Sicht total wichtig, sich mit anderen Mechanismen, seien sie genial oder sperrig, auseinander zu setzen, aber auch als Spieler juckt es mich einfach, Neues in praxi kennenzulernen.

Leider gibt es auch noch mein Herz #2, das mit Herz #1 nicht im Gleichklang schlagen mag. Geprägt durch jahrelanges DSA in der Prä-Borbarad-Phase, gelüstet es mich nach einer Fantasy-Runde Marke Endlosspiel oder, wie wir es neulich nannten: ein “Heimkehrer-Setting“, das man wirklich gut kennen lernt, mit dem man sich nach vielen vielen Abenteuern identifiziert, wo man auch mal eine Örtlichkeit oder Persönlichkeit ein zweites oder drittes Mal trifft und Querverbindungen zu früheren Abenteuern ziehen kann. Etwas, wo man das eigene Rollenspiel mit Traditionen und liebevollen Details bereichern kann und vor allem: eine Campaign, in der ich einen Character endlich einmal über die 7. Stufe hinaus spielen kann und eine echte Entwicklung spüre, ehe die Runde versumpft und man wieder zu etwas anderem wechselt. Das von unserer Runde ausgiebig gespielte Araclia (Release vermutlich Ende dieses Jahres) wäre ein solches Heimkehrer-Setting gewesen, allerdings möchte ich niemandem zumuten, Campaigns in Araclia zu leiten, wenn ich – der Erfinder der Welt – am Tisch sitze. Ergo müssen wir uns nach etwas Anderem umschauen, in dem wir alle den gleichen Wissensstand haben und das uns system-mäßig zusagt (D&D tut das übrigens nicht). Destination daher bis dato ungewiss.

Formell haben wir jedenfalls einen Weg gefunden, beide Herzen zu befriedigen: Unsere zweiwöchentlich am Sonntag stattfindende Runde wird nun abwechselnd das eine und das andere spielen. Quasi zwei Sub-Runden, eine mit frischen Kurzcampaigns á 6-10 Sessions, und eine Heimkehrer-Campaign. Nachteil: Zwischen den Abenteuern vergeht mehr Zeit als bisher, und man spielt halt zwei Campaigns zur selben Zeit. Wir werden natürlich darauf achten, dass sich die Settings stilistisch stark unterscheiden, damit man nicht Gefahr läuft, Plots oder Charaktere durcheinander zu bringen.

So, jetzt kennt ihr meine zwei Spielerherzen, und vielleicht entdeckt ihr ja auch ein zweites oder gar drittes bei euch. Und solltet ihr uns ein Fantasy-Heimkehrer-Setting empfehlen können, nichts wie her damit!

DD#26 Fortschritte

Destiny Dungeon ist weit komplexer geworden als ich es mir vorgestellt hatte. Nicht von den Regeln her, obwohl’s da noch einige Hürden zu nehmen gilt, aber vor allem was das Setting Istarea betrifft. Obwohl es eigentlich nur eine “Zugabe” werden sollte, quasi eine Spielwiese zum Ausprobieren der Regeln, gewinnt es immer mehr an Tiefe und Detail. Noble Zurückhaltung ist in diesem Punkt nicht mein Ding, denn Setting-Design ist einfach meine Leidenschaft, und in diese Welt habe ich mich mittlerweile ganz besonders verliebt.

Wie auch immer – Zeit, einen kleinen Zwischenstand zu ziehen:

REGELWERK (54 Seiten)
1S Titel FERTIG
1S Impressum FERTIG
1S Inhalt AUTOM.
2S Vorwort FERTIG
3S Erschaffung OFFEN
4S Aspekte und Attribute FERTIG
10S Archetypen FERTIG
5S Würfelwürfe und Proben OFFEN
2S Leben und Tod und Regeneration OFFEN
5S Kampf OFFEN
2S Waffen und Rüstungen OFFEN
10S Destinypunkte und Talente 1/2 FERTIG
2S Erfahrung OFFEN
6S Adventuring (Licht, Reise, Schadensarten, Ressourcen, Ausrüstung) OFFEN

SETTING (35 Seiten ohne Szenarien und Tabellen)
2S Geschichte FERTIG
4S Rassen FERTIG
4S Völker FERTIG
3S Gruppierungen FERTIG
3S Persönlichkeiten FERTIG
9S Siedlungen FERTIG
6S Besondere Orte OFFEN
4S “Metaplot” FERTIG

?S Szenarien + Plots OFFEN
?S Tabellen: Begegnungen, Ereignisse OFFEN

ANHANG (11 Seiten)
6S Kreaturen OFFEN
2S Beispielcharaktere OFFEN
2S Karte von Istarea 1/2 FERTIG
1S Index AUTOM.

ILLUSTRATIONEN
Farbillustrationen 3/8 FERTIG
Graustufenillustrationen 4/8 FERTIG
Cover Artwork OFFEN
Dungeon Maps OFFEN

Istarea ist also so gut wie fertig. Aktuell arbeite ich an den besonderen Locations (Elfenmoor, Ayasyel-Ruinen, Irril Labyrinth etc.), wobei ich noch nicht weiß, wieviel Detail ich da hinein packe. Obwohl ich gerne jeden dieser Orte mit Detailinfo á la Valmorca-Szenarien befüllen würde, schaffe ich unter Umständen bis September “nur” Beschreibungen mit Plotpoint-Granularität. Mal sehen. Ich muss auch aufpassen, dass das Büchlein nicht zu dick wird, sonst muss ich mit dem Preis hochgehen oder Teile als downloadbares “Bonusmaterial” auslagern – beides möchte ich nach Möglichkeit vermeiden.